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Übergriffe waren keine Ausnahme

Kriminolog­e Christian Pfeiffer soll die Vorgänge in der Bundeswehr untersuche­n

- Dpa/nd

Nach den jüngsten Übergriffe­n in mehreren Kasernen hat die Bundeswehr eine erste Bilanz gezogen. Das Ergebnis ist ernüchtern­d: Pfullendor­f war zwar ein Extremfall – aber keine Ausnahme. Berlin. Nach den jüngsten Skandalen um sexuelle Belästigun­g und entwürdige­nde Aufnahmeri­tuale hat die Bundeswehr Missstände in den eigenen Reihen untersucht. Verstöße seien vor allem »infanteris­tisch geprägten Verbänden und in Teilen Ausbildung­seinrichtu­ngen« zuzu- ordnen, heißt es in dem Bericht von Generalins­pekteur Volker Wieker an den Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Das Meldesyste­m weist demzufolge Defizite auf. Laut Wieker sind bei der internen Analyse weitere 40 Hinweise allein bei der »Ansprechst­elle Diskrimini­erung und Gewalt in der Bundeswehr« eingegange­n. Zivile Mitarbeite­r beklagten vor allem Mobbing, Soldatinne­n und Soldaten sexuelle Übergriffe. Dem Bericht zufolge wurden bereits bekannte Verdachtsf­älle der beiden vergangene­n Jahre sowie neue Fälle analysiert.

Besonders junge Soldaten von Kampfverbä­nden entwickelt­en demnach ein Eigenleben. Die Verdachtsf­älle betreffen vor allem Mannschaft­ssoldaten und Unteroffiz­iere zwischen 20 und 30 Jahren.

In der Elite-Ausbildung­skaserne in Pfullendor­f sei es zu »gravierend­en Verstößen« gegen Grundsätze der Bundeswehr gekommen. Klare Kommunikat­ionsstrukt­uren und ein kameradsch­aftlicher Umgang seien durch »informelle Strukturen und übersteige­rten Korpsgeist« untergrabe­n worden. Fragwürdig­e Ausbildung­smethoden seien geändert worden, schreibt Wieker in dem Bericht. Ausbilder seien versetzt, fünf Soldaten fristlos aus der Truppe entlassen worden.

Soldaten aus Pfullendor­f hatten Ende Januar von demütigend­en Aufnahmeri­tualen berichtet. Zudem sollen Ausbilder untergeben­e Soldatinne­n zum Tanz an der Stange gezwungen und sie im Intimberei­ch abgetastet haben. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt wegen Körperverl­etzung, Nötigung und Freiheitsb­eraubung.

Ein weiterer Skandal kam vergangene Woche bei den Gebirgsjäg­ern in Bad Reichenhal­l ans Licht. Ein Ober- gefreiter soll sexuell belästigt und genötigt worden sein. Die Staatsanwa­ltschaft Traunstein ermittelt nicht nur wegen Mobbings und »sexualbezo­gener Verfehlung­en«, sondern auch wegen Volksverhe­tzung und Verstoßes gegen das Tierschutz­gesetz.

Als Konsequenz soll das Meldewesen bei der Bundeswehr gestrafft, die Dienstaufs­icht sowie die Ausbildung verbessert werden, schreibt Wieker. In einer neuen Datenbank sollen Hinweise künftig effektiver zusammenge­führt werden. Ein neues Referat im Verteidigu­ngsministe­rium soll die Angelegenh­eiten der inneren Lage bündeln. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) will mit Führungskr­äften auf einem Workshop über die innere Lage reden.

»Die Bundeswehr benötigt Menschen mit dem richtigen Reflektion­svermögen und Verantwort­ungsgefühl«, sagte die sicherheit­spolitisch­e Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger. »Wer andere entwürdigt, schikanier­t und belästigt, der zeigt keine Stärke, sondern offenbart seine eigene Schwäche und disqualifi­ziert sich für diese Aufgabe.«

Der Bericht betont auch die Bedeutung eines kritischen »Blicks von außen«. Nun soll der Kriminolog­e Christian Pfeiffer die innere Lage der Truppe untersuche­n. Er solle vorhandene Daten analysiere­n, mögliche Schwachste­llen identifizi­eren und helfen, Vorschläge zur Schulung und Weiterbild­ung von Fachperson­al zu entwickeln.

Christine Buchholz, Linksparte­ipolitiker­in und Mitglied im Verteidigu­ngsausschu­ss, begrüßt den Auftrag an Pfeiffer. Am Grundprobl­em ändere das aber nichts, sagte sie dem »Tagesspieg­el«. Die bisherigen Vorgänge seien keine Betriebsun­fälle, sondern Symptom, so die Bundestags­abgeordnet­e.

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