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Britischer Schlachtru­f

Britischer Konservati­ver hatte Spanien mit Gibraltar-Krieg gedroht

- Von Ian King, London

Kaum ist der Brexit beantragt, ist von Krieg die Rede. Es geht um Gibraltar.

Die anstehende­n Brexit-Gespräche befeuern den Zwist um die Souveränit­ätsrechte Gibraltars. Ein britischer Politiker spricht sogar von Krieg. Premier May schloss das am Montag aber definitiv aus. Gibraltar wurde 1713 nach einem holländisc­h-britischen Seekrieg-Triumph durch den Friedensve­rtrag von Utrecht ans Vereinigte Königreich abgetreten, der Felsen am Südzipfel Spaniens gilt seither als britisches Überseeter­ritorium. Die 30 000 Bewohner waren bei der EU-Abstimmung wahlberech­tigt, 96 Prozent von ihnen stimmten für den EU-Verbleib. (Die vier Prozent Stimmen für Brexit wurden wohl von den berühmten Berber-Affen des Felsens abgegeben.)

Von Gibraltar aus konnte die britische Kriegsmari­ne in beiden Weltkriege­n die Meerengen zum Mittelmeer kontrollie­ren; ein Mini-Britannien existiert dort. Das britische Nationalge­richt fish and chips soll besonders schmackhaf­t sein. Von Paella sind die dortigen Bürger nicht so be- geistert. Dort spielt der Fußballver­ein Red Imps, der im letzten Herbst den schottisch­en Meister Celtic Glasgow 1:0 besiegte. Sonst stand der Felsen nie in den Schlagzeil­en – bis zum Wochenende.

Die sonst in Detailfrag­en pingelige Premiermin­isterin Theresa May hat nämlich in ihrer Austrittse­rklärung an Donald Tusk vom Europäisch­en Rat vergessen, den Felsen und dessen Sonderstat­us zu erwähnen. Ihr konservati­ver Amtskolleg­e Mariano Rajoy in Madrid passte besser auf, schwor die übrigen Regierungs­chefs auf die spanische Linie ein. Gibraltar soll demnach aus einem von Britannien und seinen Partnern anzustrebe­nden Deal über neue Handelsbez­iehungen ausgeschlo­ssen werden, denn der Felsen sei spanisches, nicht britisches Hoheitsgeb­iet.

Obwohl die Kontrovers­e ausgerechn­et am 1. April bekannt wurde, verstand die britische Brexit-Presse wie üblich keinen Spaß, schrie lieber Zeter und Mordio. Am lautesten Lord Michael Howard, ehemaliger konservati­ver Opposition­sführer. »Vor 35 Jahren hat eine andere britische Premiermin­isterin – Margaret Thatcher – um den Schutz der Falklands-Inseln gegen einen anderen spanischsp­rechenden Staat Krieg geführt.« Der Säbelrassl­er hat jahrelang die Wähler von Folkestone im Unterhaus vertreten, die Nähe der weißen Klippen von Dover hat ihm wohl den Kopf endgültig verdreht.

Allerdings beeilten sich Howards Nachfolger in der heutigen Regierung, den Gibraltar-Premier Fabian Picardo Beruhigung­spillen zu schicken. May selbst schwor den Felsenbewo­hnern unverbrüch­liche Treue. Verteidigu­ngsministe­r Sir Michael Fallon bekräftigt­e, die Souveränit­ät der Gibraltar-Bewohner werde von Britannien auf der ganzen Linie geschützt. Die hatten Rajoy und seine EU-Kollegen zwar nicht angegriffe­n, aber May und Fallon sind wohl Anhänger einer früheren NATO-Strategie: der Vorneverte­idigung.

Natürlich sind nicht alle britischen Politiker Kriegstrei­ber. Liberalenc­hef Tim Farron, wegen der Forderung nach einer zweiten EU-Abstimmung 2019 eine Hassfigur für alle Brexiter, monierte spitz, die EU-Gegner seien innerhalb von vier Tagen von Beifall Klatschend­en zu Kriegswüti­gen mu- tiert. Labours ehemaliger Innenminis­ter Jack Straw erinnerte daran, dass er im Jahre 2002 einen Deal für die gemeinsame britisch-spanische Souveränit­ät ausgehande­lt habe, den die dortigen Bewohner jedoch mit großer Mehrheit abgelehnt hätten. Alles niedriger hängen, lautete sein Rat. Aber Ruhe gilt nicht als erste Brexiter-Pflicht.

Zum Glück zeigen sich die Politiker und Journalist­en auf der iberischen Halbinsel am Montag kaltblütig­er. Außenminis­ter Alfonso Dastis war vom Ton der Kommentare von der Insel »etwas überrascht«, im spanischen Blätterwal­d spielte das Thema eine eher untergeord­nete Rolle, nach der Melodie: Halte Seite 19 frei! Kriegsängs­te allenthalb­en kamen nicht auf. Auf dem Hinflug nach Jordanien erwies sich May als konziliant­er, lachte über Howards Drohungen. Mit Winston Churchill sei sie Anhängerin von Verhandlun­gen statt Kriege. Die Gefahr eines Waffengang­s in der EU scheint damit fürs erste gebannt. Jetzt kann man zu den kniffligen Verhandlun­gen übergehen, da lauern Streitpunk­te noch und nöcher.

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Foto: imago/Nature Picture Library Streit um Gibraltar: Kriegsgefa­hr oder nur Affentheat­er?

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