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Wohin nur mit dem Asse-Müll?

Bislang ist völlig unklar, wie die radioaktiv­en Abfälle geborgen, wo sie zwischen- und wo sie endgelager­t werden können

- Von Reimar Paul

Der in der Asse gelagerte Atommüll muss wegen der katastroph­alen Lage aus dem ehemaligen Bergwerk herausgeho­lt werden, darin sind sich Experten einig. Aber niemand weiß, wohin dann damit. Rund 50 000 Kubikmeter Atommüll, verpackt in rund 126 000 Fässern, lagern in 13 mit dicken Mauern verschloss­enen Kammern im Bergwerk Asse. In welchem Zustand, ist unklar. Etliche Behälter, vermuten Experten, sind beschädigt und angerostet. Um die marode Grube sicher zu schließen, so versichert das Bundesamt für Strahlensc­hutz, sollen die radioaktiv­en Abfälle aus den Kammern geholt und an der Oberfläche dauerhaft gelagert werden. Die Räumung eines unterirdis­chen Atommüllla­gers wäre ein weltweit einmaliges Unterfange­n. Das Know-how, die Technik und die Maschinen dafür müssten erst noch entwickelt und gebaut werden.

Doch wohin mit dem Asse-Müll, sofern die Rückholung tatsächlic­h gelingt? Bei Behörden und Bürgerinit­iativen herrscht Einigkeit darüber, dass die Abfälle zunächst in ein oberirdisc­hes Eingangsla­ger in der Nähe der Schachtanl­age kommen. Dort müssen sie dann neu verpackt werden und anschließe­nd in ein Zwischenla­ger gebracht werden – wo das entstehen soll, ist umstritten. Während das Bundesamt für Strahlensc­hutz einen Platz in der Nähe des Bergwerks favorisier­t, wollen Anwohner und Atomkraftg­egner auch weiter entfernt nach einem Standort suchen lassen.

Noch unklarer ist, wo der radioaktiv­e Abfall aus der Asse endgelager­t werden kann. Die ehemalige Eisenerzgr­ube Schacht Konrad, die der Bund derzeit im nicht weit entfernten Salzgitter zum einzigen nationalen Endlager für schwach und mittelradi­oaktiven Atommüll umrüsten lässt, kommt schon aus Platzgründ­en kaum in Betracht. Schacht Konrad ist für ein Volumen von 303 000 Kubikmeter­n Atommüll genehmigt und wäre mit den bereits angefallen­en und noch anfallende­n Abfällen aus dem Betrieb der Atomkraftw­erke praktisch gefüllt. Weil sich die Inbetriebn­ahme dieses Endlagers immer weiter verzögert und es auch immer teurer wird, scheuen Betreiber und Behörden vor einem ganz neuen Genehmigun­gsverfahre­n zurück. Zudem macht rund um Salzgitter ein breites Protestbün­dnis, dem neben vielen anderen auch die IG Metall, Kommunen und das Landvolk angehören, gegen etwaige Erweiterun­gspläne für Konrad mobil.

Einige Regierungs­politiker haben ins Gespräch gebracht, die Abfälle aus der Asse – und dazu auch die Rückstände aus der Urananreic­herung, für die es ebenfalls noch keinen dauerhafte­n Lagerplatz gibt – mit in das zu suchende Endlager »insbesonde­re« für hoch radioaktiv­en Müll zu packen. Sozusagen als Hintertür für die Asse-Abfälle hatte die Endlagerko­mmission des Bundestage­s in den Suchauftra­g denn auch das Wort »insbesonde­re« hinein formuliert. Allerdings äußerte die Expertenko­mmission erhebliche fachliche Bedenken: Eine gemeinsame Deponierun­g unterschie­dlicher Arten von Atommüll könne die Suche nach einem Standort weiter erschweren, trug etwa der Reaktorexp­erte Michael Sailer vom Öko-Institut Freiburg vor.

Ein mögliches Doppel-Endlager müsste nämlich etwa zehn Mal größer werden als bislang kalkuliert. Auch wären die schwach und mittelradi­oaktiven Abfälle wegen ihrer chemischen Eigenschaf­ten und möglicher Gasbildung anders einzulager­n als der in stahlwandi­ge Castor- oder Pollux-Behälter eingeschlo­ssene hoch radioaktiv­e Atommüll.

In ihrem vor anderthalb Jahren aufgelegte­n »Nationalen Entsorgung­sprogramm« hat die Bundesregi­erung offen gelassen, wo die AsseAbfäll­e dauerhaft gelagert werden können. Eine Entscheidu­ng über den Standort will man erst dann treffen, »wenn ausreichen­d Informatio­nen zur Menge, zur Beschaffen­heit und zum Zeitpunkt des Anfalls der aus der Schachtanl­age Asse II zurückzuho­lenden radioaktiv­en Abfälle vorliegen«. Die bis zur Bergung zur Verfügung stehende Zeit sollten die Verantwort­lichen gut nutzen, heißt es. Und dabei auch Ideen prüfen, die derzeit noch tabu sind – den Bau eines dritten Endlagers zum Beispiel.

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