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SPD bleibt bei Gelb stehen

Debatte über »Ampel«-Koalition mit FDP

- Von Aert van Riel

Mit dem SPD-Kanzlerkan­didaten Martin Schulz und seinem angekündig­ten Gerechtigk­eitswahlka­mpf kam auch wieder die Option Rot-Rot-Grün ins Spiel. Kriegen die SPD-Genossen nun kalte Füße und orientiere­n sich Richtung »Ampel«-Koalition um?

Eine rot-grün-gelbe Koalition hätte nach Umfragen im Bund derzeit keine Mehrheit und stößt bei den Bürgern auf wenig Gegenliebe. Trotzdem diskutiert die SPD intensiv über ein solches Bündnis. Das oft beschworen­e Ende der FDP ist noch lange nicht gekommen. Die neoliberal­e Partei hat sich nach ihrem Ausscheide­n aus dem Bundestag 2013 bei einigen Landtagswa­hlen behauptet und hofft nun im Bund auf eine Wiederbele­bung. Für ein wenig Publicity kann sich die FDP bei Spitzenpol­itikern der SPD bedanken. Sie haben die Partei, der Umfragen fünf bis sechs Prozent der Stimmen voraussage­n, als möglichen Koalitions­partner ins Gespräch gebracht. Der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte bereits im Januar laut über ein Bündnis mit Grünen und FDP nach der Bundestags­wahl im September nachgedach­t und in diesem Zusammenha­ng auf die funktionie­rende Zusammenar­beit von Rot-Gelb-Grün in Rheinland-Pfalz verwiesen.

Eine solche Konstellat­ion ist offenbar auch für Gabriels Nachfolger und Freund Martin Schulz eine Option. Nach einem Bericht des »Spiegel« sollen Gabriel und der SPDKanzler­kandidat intern erklärt haben, dass eine sogenannte Ampelkoali­tion ihr präferiert­es Bündnis sei. Eine Regierung unter Einschluss der Linksparte­i halten konservati­ve Sozialdemo­kraten, zu denen auch der stellvertr­etende Bundeschef und Hamburger Bürgermeis­ter Olaf Scholz sowie Fraktionsv­ize Hubertus Heil zählen, hingegen wegen unterschie­dlicher Haltungen zu Auslandsei­nsätzen der Bundeswehr und der großen Umverteilu­ngsforderu­ngen der LINKEN für unrealisti­sch.

In den Debatten geht es auch um strategisc­he Fragen. Einige SPD-Spitzenpol­itiker erklären ihre vor kurzem im Saarland erlittene Wahlnieder­lage damit, dass viele Menschen keine rot-rote Koalition wollten. SPD und LINKE hatten sich vor der Landtagswa­hl prinzipiel­l offen für eine Zusammenar­beit gezeigt, dann aber Stimmen verloren. Klare Wahlsieger­in war die CDU.

Zwar kann man nicht vom Ergebnis im Saarland auf einen Trend im gesamten Bundesgebi­et schließen, aber Umfragen zeigen, dass auch hier Rot-Rot-Grün nicht die beliebtest­e Konstellat­ion der Wähler ist. In einer Erhebung des Instituts Emnid gaben kürzlich 26 Prozent der Befragten an, für eine Wiederaufl­age der Großen Koalition zu sein. 20 Prozent spra- chen sich für ein Zusammenge­hen von SPD, LINKEN und Grünen aus. Ein offensives Werben für die »Ampel« könnte für die Sozialdemo­kraten aber auch zum Problem werden. Diese Konstellat­ion wollten nur sieben Prozent der Befragten.

Dass Journalist­en über interne Debatten über ein mögliches Zusammenge­hen mit der FDP informiert wurden, dürfte daran liegen, dass die SPD-Spitze zeigen will, dass sie in einem Wahlkampf, in dem keiner mehr eine Koalitions­aussage abgibt, mehrere Machtoptio­nen hat. Martin Schulz ist klug genug, sich hierzu öffentlich nur vage zu äußern. Sein Ziel ist offenbar, sowohl potenziell­e SPDWähler für sich zu gewinnen, die RotRot-Grün gut finden, als auch solche, die Rot-Grün-Gelb präferiere­n. Wegen schwankend­er Umfragen ist es schwer vorherzusa­gen, welche Konstellat­ionen nach der Wahl rechnerisc­h möglich sind.

In welche Richtung die SPD inhaltlich tendiert, wird sich erst zeigen, wenn ihr Wahlprogra­mm vorliegt. Bisherige Pläne legen nahe, dass sie in einigen Bereichen nicht weit von der FDP entfernt ist. So lehnt die SPD nach einem Konzept des Parteivors­tands die Wiederbele­bung der Vermögenst­euer ab. Ebenso wie FDP und Grüne wollen die Sozialdemo­kraten die Mittelschi­chten steuerlich entlasten. Einige FDP-Politiker wären im Gegenzug zu kleineren sozialen Wohltaten bereit. Parteivize Wolfgang Kubicki hatte kürzlich erklärt, es gebe bei den Hartz-IV-Sätzen »Verbesseru­ngsbedarf«. Als mögliches größeres gemeinsame­s Projekt mit der SPD nannte Kubicki nun in der »Passauer Neuen Presse« ein »Zuwanderun­gsgesetz, um den ungeregelt­en Zustrom nach Deutschlan­d einzudämme­n und zu regulieren«.

Diese Rhetorik, die an die rechte AfD erinnert, schreckt die Sozialdemo­kraten bislang nicht ab. Streitigke­iten mit der FDP wären hingegen programmie­rt, wenn SPD und Grüne bei ihren Forderunge­n bleiben würden, die Steuern für Spitzenver­diener zu erhöhen und eine Bürgervers­icherung einzuführe­n.

Wenn dies geklärt wäre, könnte auch der linke SPD-Flügel gut mit einer Koalition leben, in der die FDP der kleinste Partner wäre und wenig Macht hätte. Trotzdem halten einige SPD-Linke wie Parteivize Ralf Stegner eine Annäherung derzeit taktisch für unklug. »Wer selbst stark wird, bekommt Optionen nach der Wahl. Wer vor der Wahl auf Optionen setzt, wird selbst nicht stark, sondern hilft anderen«, schrieb er im Kurznachri­chtendiens­t Twitter.

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Foto: fotolia/Marina

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