Gefahr noch nicht gebannt
Geächtete Munition und Minen weiter im Einsatz
Sechs Jahre nach Beginn des Syrien-Krieges beklagen Hilfsorganisationen eine stetige Zunahme ziviler Opfer durch den Einsatz von Bomben, Granaten und nicht zuletzt Minen in besiedelten Gebieten. Solche Explosivwaffen seien inzwischen für mehr als 80 Prozent der Kriegstoten in der Bevölkerung verantwortlich. Auch in Jemen wurden der von Riad geführten Militärkoalition im Kampf mit den Huthi-Rebellen gerade erneut zielgerichtete Angriffe mit der seit 2010 geächteten Streumunition gegen Wohngebiete, Krankenhäuser, Märkte, Schulen und Agrarflächen vorgeworfen. Amnesty International hatte die Koalition bereits im Oktober 2015 und im Mai 2016 angeklagt, BL-755 Streubomben britischer Bauart eingesetzt zu haben. Etwa 100 Länder unterzeichneten bisher die Verbotsvereinbarung.
Minen oder Streumunition sind besonders heimtückisch, weil sie noch lange nach Ende der Kämpfe eine tödliche Gefahr für völlig Unbeteiligte darstellen, wie »Handicap International« anlässlich des UN-Landminentags am Dienstag betont. Der jüngste Bericht der Organisation zeigt, dass die Zahl der Opfer von Unfällen mit Explosivwaffen und Blindgängern im Vorjahr um 75 Prozent gestiegen ist; mindestens 6461 Menschen wurden getötet oder verletzt, wobei die Dunkelziffer deutlich höher liegt. Neun von zehn Opfern seien Zivilisten. Neben Syrien und Jemen sind vor allem Irak und die
»Unsere Entminungsexperten stellen sich auf jahrelange Räumungen ein.«
Eva Maria Fischer, Handicap International Ukraine betroffen. Insgesamt wurden laut »Landmine-Monitor 2016« weltweit 64 Staaten und Gebiete mit Minen, improvisierten Sprengsätzen und explosiven Kriegsresten verseucht. Allein in Syrien lebten etwa 3,6 Millionen Menschen in solchen Gebieten, wie eine Untersuchung der Minenaktionsbehörde der Vereinten Nationen (UNMAS) Ende 2016 ergab. Dennoch sind die Mittel für Räumung und Opferhilfe, die von internationalen Geldgebern und betroffenen Ländern bereitgestellt wurden, 2015 um 139 Millionen auf 471,3 Millionen Dollar zurückgegangen – das niedrigste Niveau seit 2005.
In einer aktuellen Petition (»Stop Bombing Civilians«) ruft Handicap International deshalb dazu auf, die völkerrechtswidrige Bombardierung von Zivilbevölkerungen umgehend zu beenden und die Betroffenen nachhaltig zu unterstützen. Die Entminungsexperten der Nichtregierungsorganisation stellten sich »auf jahrelange Räumungen ein«, sagt Eva Maria Fischer, Kampagnensprecherin der deutschen Sektion. Die Organisation hat die Internationale Kampagne zum Verbot von Landminen mitgegründet, die vor 20 Jahren mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, und ist zudem aktives Mitglied der internationalen Koalition gegen Streubomben. Beide Bewegungen haben entscheidend dazu beigetragen, dass Landminen und Streubomben durch internationale Verträge geächtet worden sind, und gelten als Vorbild für die gegenwärtigen Bemühungen, auch alle Atomwaffen mit einem völkerrechtlichen Abkommen global zu verbieten. Heute gehe es darum, diese Verträge konsequent und weltweit umzusetzen, so Handicap International, das sich weltweit in Projekten zur Entminung, Risikoaufklärung und Unterstützung von betroffenen Menschen engagiert.