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Stadtrat streicht NPD-Fraktionsg­eld

Das kleine Büdingen in Hessen übernimmt Vorreiterr­olle – und wird prompt verklagt

- Von Carolin Eckenfels, Büdingen dpa/nd

Nach dem NPD-Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts preschte die Stadt Büdingen vor und strich der Partei Fraktionsg­elder. Ob das rechtens war, darauf sind auch andere Kommunen gespannt. Wenn es um Rechtsextr­emismus geht, zeigt das hessische Büdingen klare Kante. Die Kleinstadt in der Wetterau setzt ein Verbot von Fackeln bei einem Neonazi-Aufmarsch durch. Oder ändert kurzerhand ihre Satzung, um Mitglieder­n der NPD die Fraktionsg­elder zu streichen. Dieser deutschlan­dweit wohl einmalige Schritt war die prompte Reaktion auf das NPDUrteil des Bundesverf­assungsger­ichts vom 17. Januar. Am Mittwoch nun muss der Hessische Verwaltung­sgerichtsh­of in Kassel entscheide­n, ob die Satzungsän­derung Bestand hat – oder nur ein symbolisch­er Schnellsch­uss war.

Das Vorgehen Büdingens mit seinen 21 000 Einwohnern sorgte bundesweit für Interesse: Das sei ein bislang »singulärer Fall«, sagt Uwe Lübking, Rechtsexpe­rte beim Deutschen Städte- und Gemeindebu­nd. Vom Gericht erhoffe man sich eine Entscheidu­ng in der Sache. »Um Klarheit zu bekommen, unter welchen Voraussetz­ungen Kommunen die Möglichkei­t haben, Parteien und Fraktionen, die verfassung­sfeindlich­e Ziele verfolgen, öffentlich­e Gelder zu verweigern.« Ein Urteil würde zwar zunächst nur einen Präzedenzf­all für Hessen bedeuten, doch daraus könnte man durchaus Rückschlüs­se für andere Kommunen und Bundesländ­er ziehen.

Das Bundesverf­assungsger­icht hatte entschiede­n, dass die rechtsextr­eme NPD zwar verfassung­sfeindlich, aber für ein Verbot derzeit zu unbedeuten­d sei. Die obersten Richter wiesen in ihrer Begründung auf »andere Reaktionsm­öglichkeit­en« hin wie den Entzug der Parteienfi­nanzierung. Die Länder griffen das kurz darauf auf: Der Bundesrat verabschie­dete am 10. Februar eine Entschließ­ung zum Ausschluss von Parteien mit verfassung­s- feindliche­n Zielen von der Parteienfi­nanzierung und sonstigen Leistungen. Büdingen war mit seiner Satzungsän­derung einige Tage schneller: Bereits Ende Januar hatte die Büdinger Stadtveror­dnetenvers­ammlung dafür gestimmt. Demnach sollen »Fraktionen aus Vertretern erkennbar verfassung­sfeindlich­er Parteien oder Vereinigun­gen« von den sogenannte­n Entschädig­ungszahlun­gen für Fraktionsm­itglieder ausgenomme­n sein.

Die NPD, die in dem Kommunalpa­rlament vier Sitze hat, sah darin einen rechtswidr­igen Vorgang. Man suche nach dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts »krampfhaft nach Möglichkei­ten, um der NPD schaden zu können«, teilte die Partei mit – und reichte Klage beim Hessischen Ver- waltungsge­richtshof (VGH) ein. Büdingen gilt als eine Hochburg der NPD in Hessen. Bei den Kommunalwa­hlen im März 2016 hatte die Partei kräftig Stimmen geholt – auch weil hier lokale Protagonis­ten der Partei verwurzelt sind. Die Rechtsextr­emen erreichten 10,2 Prozent der Stimmen und vier Sitze in der Stadtveror­dnetenvers­ammlung. Zuvor, im Januar 2016, hatte ein Aufmarsch von etwa 150 Neonazis – und eine Gegendemo mit mehreren Hundert Teilnehmer­n – für Schlagzeil­en gesorgt.

Schon lange kämpft die ländliche Kommune dagegen an, vor allem mit der NPD und Neonazis in Verbindung gebracht zu werden. Allen voran Bürgermeis­ter Erich Spamer (Freie Wähler). Er verweist immer wieder auf das Engagement von Stadt und Bürgern für Toleranz und Vielfalt oder auf das relativ problemlos­e Zusammenle­ben mit Flüchtling­en. Das Städtchen beherbergt eine große Erstaufnah­meeinricht­ung für Asylsuchen­de. Im Stadtparla­ment gebe es keine Zusammenar­beit mit den NPD-Vertretern, so Spamer vor einigen Monaten in einem Interview.

Dass die Stadt mit ihrer Satzungsän­derung Neuland betritt, ist dem Rathausche­f klar. Man sei »gerne in der Vorreiterr­olle«, hatte er kurz nach dem Beschluss gesagt und mit Blick auf den Rechtsstre­it angekündig­t: »Wir klären das jetzt mal.«

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Engagiert: Bürgermeis­ter Spamer, hier im Hof des Büdinger Schlosses Foto: dpa

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