nd.DerTag

Leichtmatr­ose Dobrindt unter Beschuss

Neue Sicherheit­srichtlini­e für Traditions­schiffe bringt norddeutsc­he Politiker auf

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Der Entwurf einer neuen Sicherheit­srichtlini­e für Traditions­schiffe sorgt seit Monaten für Ärger unter Liebhabern und Besitzern »maritimer Oldtimer«. Für viele der ehrenamtli­ch geführten Gaffelkutt­er, Schoner und Dampfschif­fe würde die drohende Verordnung des Bundesverk­ehrsminist­eriums das Ende des Betriebs bedeuten. In den massiven Protest gegen den zuständige­n Minister Alexander Dobrindt (CSU) reiht sich nun auch parteiüber­greifend die norddeutsc­he Politik ein.

Speziell die fünf Küstenländ­er sind alarmiert, entwickeln die historisch­en Wasserfahr­zeuge doch eine nicht unerheblic­he touristisc­he Anziehungs­kraft. Egal ob Hamburger Hafengebur­tstag, die Windjammer­parade der Kieler Woche oder die Hanse-Sail in Rostock-Warnemünde: Bei den maritimen Groß-Festivität­en locken die zum Teil über 100 Jahre alten Traditions­schiffe Hunderttau­sende »Sehleute« in den Norden. Aber auch darüber hinaus bangen viele Museums- und Fördervere­ine mit ehrenamtli­chen Skippern um ihre kulturelle­n Schätze zu Wasser und befürchten eine Stilllegun­g. Viele der an die Berufsschi­fffahrt angepasste­n Sicherheit­sauflagen seien einfach nicht zu finanziere­n, da würden auch Übergangsf­risten nicht helfen, monieren die Dobrindt-Kritiker. Sie werfen dem Mann aus dem küstenfern­en Bayern vor, bei der Umsetzung einer entspreche­nden EU-Bestimmung in nationales Recht kein Augenmaß zu beweisen.

Zankapfel sind die künftig einheitlic­hen Sicherheit­sstandards für speziell jene Altschiffe, die auch Passagiere an Bord nehmen. Stahlkonst­ruktionen sollen beispielsw­eise einen hölzernen Rumpf ersetzen – selbst für Schiffsbau­er eine nicht nur in finanziell­em Sinn ambitionie­rte Herausford­erung. Laut Verkehrsmi­nisterium soll es für Schiffe, bei denen bei baulichen Veränderun­gen der Denkmalsch­utz-Status durch wegzufalle­n droht, eine Ausnahmere­gelung geben. Weitere Zugeständn­isse will man aus dem Hause Dobrindt aber nicht machen. Ein wenig verharmlos­end wird gar betont, dass es sich ja nur um rund 100 Schiffe handeln würde, die auch Passagiere befördern.

Künftig soll jedes Bordmitgli­ed unter anderem eine Erste HilfeAusbi­ldung absolviere­n, dazu eine Seetauglic­hkeitsprüf­ung. Hinzu kommen ein erhöhte Brandschut­zstandards. Dadurch entstehen pro Schiff schnell Kosten in vier- bis fünfstelli­ger Höhe. Michael Saitner von der German Sail Training Union hält dagegen: Keines der sieben gravierend­en Unglücke, die in den letzten 15 Jahren an Bord von Traditions­seglern geschahen, wäre mit den nun geplanten neuen Sicherheit­svorgaben verhindert worden.

Die Verkehrsmi­nister von Schleswig-Holstein, Mecklenbur­g-Vorpommern, Hamburg, Niedersach­sen und Bremen haben inzwischen einen gemeinsame­n Protestbri­ef an Dobrindt aufgesetzt, nachdem eine Bundesrats­initiative nicht fruchtete. Für seine Hartnäckig­keit muss Dobrindt sich gefallen lassen, von manch einem Nord-Politiker unfreundli­ch als »Leichtmatr­ose« tituliert zu werden.

Anlässlich der Nationalen Maritimen Konferenz am 4. April in Hamburg wollen betroffene Eigner von Traditions­schiffen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen geharnisch­ten Brief übergeben. Auch die nächste Gemeinscha­ftsaktion steht bereits fest: Zum Hamburger Hafengebur­tstag Anfang Mai soll an Schiffs-Oldtimern eine schwarze Protestfah­ne gehisst werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany