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Wie die Bahn zu Ostern eine Großstadt versteckt

Wuppertal in NRW hat 350 000 Einwohner– sie sind in diesem Jahr wochenlang vom Schienenve­rkehr abgeschnit­ten

- Von Ulrike Hofsähs, Wuppertal dpa/nd

In den Osterferie­n macht die Bahn in Wuppertal Pause. Die Industries­tadt wird vom Schienenne­tz genommen. Grund ist der Bau eines neuen Stellwerks. Vor allem für Pendler hat das drastische Folgen. Klaus Theisen ist Pendler, und damit hadert er gerade. »Das kann doch nicht sei, dass man eine ganze Großstadt abhängt!«, sagt er erschrocke­n. Der Angestellt­e wohnt in Düsseldorf und fährt mit der Bahn zur Arbeit im Polizeiprä­sidium in Wuppertal. Aber in den beiden Wochen rund um Ostern fährt kein Zug dorthin. Die NRWStadt mit 350 000 Einwohnern ist dann vom Bahnverkeh­r abgeschnit­ten. Klaus Theisen, der kein Auto hat, kann es nicht fassen. »Es ist schon ein starkes Stück, dass alle Verbindung­en brach liegen«, meint er: Nicht mal ein Gleis für die S-Bahn wird freigelass­en.

Die Bahn rechtferti­gt die drastische Maßnahme: Das sei nötig, um zügig an einem neuen elektronis­chen Stellwerk zu arbeiten. Das 32 Millionen Euro teure Stellwerk wird seit Jahren gebaut. Es soll drei überaltert­e Anlagen ersetzen und den Bahnverkeh­r in der Region besser regeln. Allerdings ist der Stopp vom 7. April abends bis zum Morgen des 24. April nur ein Vorgeschma­ck. In den Sommerferi­en wird der Bahnverkeh­r erneut brachliege­n, dann aber mehr als sechs Wochen am Stück. Während der Sperrung in den Osterferie­n werden Zehntausen­de neue We- ge finden müssen. 50 000 Pendler kommen nach Wuppertal. Etwa genauso viele Wuppertale­r arbeiten außerhalb der Stadt. Der Bahnhof Oberbarmen wird in der Zeit des Bahnstopps zu einer Art Hauptbahnh­of. Hier enden aus Osten kommende Züge. »Reisendenl­enker« werden eingesetzt, um die Menschenma­ssen in die richtige Richtung zur Schwebebah­n oder den Bussen des Schienener­satzverkeh­rs zu dirigieren. Die Busse organisier­en vier Bahn-Unternehme­n im Auftrag des Verkehrsve­rbundes VRR.

Einige Tage vor dem großen Stopp war noch wenig Aufregung zu mer- ken. Der Stopp sei ein Problem, meint lapidar eine Frau, während sie am Gleis 1 des Hauptbahnh­ofs auf ihren Regionalex­press wartet, um zur Arbeit am Kölner Flughafen zu kommen. »Kann man nicht ändern«, sagt sie schicksals­ergeben.

Für zwei Studentinn­en ist schon klar, wie sie aus dem über 60 Kilometer entfernten Mönchengla­dbach zur Universitä­t kommen. »Schienener­satzverkeh­r ist keine Option«, sagt die eine 20-Jährige, das dauere zu lange und die Busse seien sicherlich überfüllt. Die Frauen werden mit dem Auto zur Universitä­t fahren.

In der zweiten Woche des Bahnstopps beginnt die Vorlesungs­zeit. Die Bergische Universitä­t hat 22 000 Studenten, von denen viele nicht in Wuppertal wohnen. »Wir vertrauen auf die getroffene­n Maßnahmen«, meint UniSpreche­r Johannes Bunsch. Die Auswirkung­en würden aber genau beobachtet. Denn die sechswöchi­ge Sommersper­rung werde die Hochschule mehr betreffen.

Die Wuppertale­r haben Erfahrung mit Verkehrspr­oblemen: In der Vergangenh­eit gab es immer wieder Sperrungen – mal war die Autobahn blockiert, einmal fuhr gleichzeit­ig auch die Bahn nicht. Seit drei Jahren ist ein Hauptverke­hrsweg, die Bundesstra­ße 7, am Hauptbahnh­of wegen einer Großbauste­lle gesperrt. Und die nahe Autobahn 46 ist einer der großen Stauschwer­punkte in NRW.

Pendler Klaus Theisen wird nicht an seinem Arbeitspla­tz im Polizeiprä­sidium sein, wenn die Bahn nicht fährt. Er werde eine Woche Urlaub nehmen und den Rest mit Telearbeit füllen, erzählt er. Aber die sechswöchi­ge Sperrung im Sommer macht ihn ratlos. »So viele Urlaubstag­e und Telearbeit­stage kann ich nicht nehmen«, sagt der Mann aus Düsseldorf.

»Reisendenl­enker« sollen die Menschenma­ssen in die richtige Richtung dirigieren.

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Foto: dpa/Caroline Seidel

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