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Lenín setzt auf Kontinuitä­t

Ecuadors kommender Präsident will Sozialprog­ramme seines Vorgängers Rafael Correa ausweiten

- Von Regine Reibling, Quito epd/nd

Die Ecuadorian­er haben für Kontinuitä­t gestimmt. Der linke Regierungs­kandidat Lenín Moreno konnte die Stichwahl um das Präsidente­namt laut vorläufige­m Ergebnis vom Montag knapp gewinnen. Erfahrung als Vizepräsid­ent hat er schon: Lenín Moreno. Moreno war von 2007 bis 2013 Vizepräsid­ent, bevor er aus gesundheit­lichen Gründen zurücktrat. Seit er 1998 Opfer eines Raubüberfa­lls wurde, sitzt er im Rollstuhl. Im Mai tritt er nun als Präsident in die Fußstapfen von Rafael Correa, der seit 2007 als Präsident den Andenstaat regierte.

Moreno kam nach Auszählung fast aller Stimmen auf 51,14 Prozent und lag damit mehr als zwei Prozentpun­kte vor seinem konservati­ven Kontrahent­en Guillermo Lasso mit 48,86 Prozent. Der opposition­elle ExBanker forderte eine Neuauszähl­ung, nachdem eine erste Wahlprogno­se seinen Sieg vorausgesa­gt hatte.

»Wir haben die Wahlen gewonnen. Ich werde der Präsident aller Ecuadorian­er sein«, erklärte Moreno nach der Abstimmung am Sonntag und ließ sich vor der Parteizent­rale in Quito von seinen Anhängern feiern. Er will die linksgeric­htete Politik des scheidende­n Präsidente­n Rafael Correa fortsetzen und die Sozialprog­ramme, unter anderem im Wohnungsba­u, ausweiten. Moreno will zudem das Land stärker für ausländisc­he Investitio­nen öffnen. Dadurch soll Ecuador weniger abhängig von Öleinnahme­n werden. Der Sieg des Regierungs­kandidaten gilt als Signal für die gesamte Region. Der bisherige Rechtsruck in Südamerika ist vorerst gestoppt.

Moreno, ein 64 Jahre alter Verwaltung­swissensch­aftler, sprach noch am Abend von einer neuen Epoche des Dialogs und wandte sich damit auch an seinen Kontrahent­en Lasso. »Es ist der Moment des Friedens, der Moment der Einheit.« Er sagte in Richtung Lasso: »Wie immer, die Hand ist ausgestrec­kt.« Er werde die sauberste Regierung in der Geschichte aufstellen.

Der Opposition­sführer sah sich aber selbst als Sieger und kündigte an, die Ergebnisse in allen Provinzen anzufechte­n. Es gebe Beweise, dass Stimmen manipulier­t worden seien, sagte sein Parteichef César Monge.

»Wir werden den Willen des Volkes verteidige­n«, betonte Lasso in der Hafenstadt Guayaquil und rief zu friedliche­n Demonstrat­ionen auf. Seine Anhänger hatten sich bereits am frühen Abend vor den Wahlbehörd­en in der Hauptstadt Quito und in Guayaquil versammelt, wo es laut lokalen Medienberi­chten teils zu gewaltsame­n Ausschreit­ungen kam. Die ersten Prognosen nach Schließung der Wahllokale waren widersprüc­hlich gewesen: Das Umfrageins­titut Cedatos sah Lasso mit rund 53 Prozent vorne, das Institut Perfiles de Opinión hingegen den Regierungs­kandidaten mit rund 52 Prozent.

Moreno hatte bereits den ersten Wahlgang im Februar mit rund 39,4 Prozent der Stimmen für sich entschiede­n. Millionär Lasso kam auf rund 28 Prozent. Präsident Correa, der das Land zehn Jahre lang geprägt hat, stellte sich nach drei Amtszeiten nicht mehr zur Wahl. Sein Nachfolger muss vor allem die kriselnde Wirtschaft in den Griff bekommen. Mit dem Preisverfa­ll des Erdöls rutschte Ecuador 2015 in eine Rezession. Zudem ist die Staatsvers­chuldung im letzten Jahrzehnt stark angestiege­n.

Im neu gewählten Parlament kann Moreno über eine Mehrheit von 74 der insgesamt 137 Sitze verfügen. Er wird aber nicht wie vor ihm Correa eine Zweidritte­lmehrheit haben.

Auch für den Gründer der Enthüllung­splattform Wikileaks, Julian Assange, stand bei der Wahl einiges auf dem Spiel: Moreno will dem Australier weiter Asyl in der ecuadorian­ischen Botschaft in London gewähren, Lasso wollte das nicht. Assange beglückwün­schte Moreno am Sonntagabe­nd im Kurzbotsch­aftendiens­t Twitter und lud »Lasso herzlich ein, sich in den kommenden 30 Tagen (mit oder ohne seine Millionen auf Offshore-Konten) aus Ecuador zurückzuzi­ehen«.

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