Land unter auf der Arabischen Halbinsel
Seit Wochen toben Unwetter – aber die Meteorologen haben keine Möglichkeit, die Bevölkerung zu warnen
Falls Sie gerade auf der arabischen Halbinsel unterwegs sind, nehmen Sie Regenschirm, Gummistiefel, und Lappen mit. Denn zur Zeit heißt es: Land unter. Oder: Sand runter. Saudi-Arabien und Filme sind zwei Konzepte, die normalerweise sind wie Spaghetti mit Schokoladensoße: Es gibt keine Kinos, und bevor ein Film den Bürgern des erzkonservativen Königreichs auf die meist sehr teuren Fernseher kommen darf, wird er erst einmal kräftig gekürzt, weshalb die saudische Fassung von »Sharknado« aus vom Himmel fallenden Haien ohne die restliche Handlung besteht.
Es war nicht die Religionspolizei, die diesmal das jährliche Filmfestival in Dharan verhinderte, sondern das Wetter. Ist es normalerweise trocken wie die saudischen Eigenproduktionen beim (stets gut besuchten) Filmfestival von Dharan, regnet es, blitzt und donnert es seit Wochen allerorten, urplötzlich gefolgt von Sonnenschein und blauem Himmel, und dann Sandstürmen, die Straßen, Autos und das Innere von Häusern mit einer gelbrutschig-klebrigen Masse bedecken.
»Ich hatte vor ein paar Tagen im Ausland Regenschirme und Gummistiefel bestellt«, sagt Scherida al Kaabi, der in Katars Hauptstadt Doha eine Import-Export-Firma betreibt: »Da kam dann gleich ein Anruf zurück, ob ich das ernst meine.« Wetterfeste Klei- dung ist nichts, was man auf der Arabischen Halbinsel, wo es ausgesprochen spärlich regnet, auf Vorrat hat. »Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie man diese Dinger nennt,« sagt Laila al Misnad, die in einem Shopping-Center Katars unterwegs ist: »Gibt es dafür ein arabisches Wort?«
Im Muskat, der Hauptstadt Omans, rief der örtliche Automobilklub Autofahrer zu Protesten vor dem Polizei- hauptquartier auf: An den Einfallstraßen hatte die Polizei nach mehreren Stürmen Straßensperren errichtet und Strafzettel an Autofahrer verteilt – im Oman ist es eine Ordnungswidrigkeit, mit schmutzigem Auto unterwegs zu sein. »Die Polizei sollte lieber für Sicherheit auf den Straßen sorgen«, sagt der Vorsitzende des Automobilclubs.
Das miese Wetter sorgt auf vielen Straßen für chaotische Verhältnisse: In der vergangenen Woche starben in Saudi-Arabien, Katar, Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten mindestens 123 Menschen bei Autounfällen; normalerweise gibt es um die 20 Unfallopfer auf der Arabischen Halbinsel, ohne das Kriegsland Jemen. »Die Leute können mit den Wetterbedingungen nicht umgehen«, sagt Brigadegeneral Ahmad al Schehi, Vizechef der Verkehrspolizei in Abu Dhabi: Verschärft werde das Problem dadurch, dass das Wetter meist sehr kurzfristig umschlägt, und die Medien in einer Region, in der man die Tage in »heiß« oder »sehr heiß« einteilt, auch keine Wetterredaktionen haben, die die Öffentlichkeit schnell warnen könnten.
»Das führt dazu, dass wir zwar vorher sagen können, dass ein Sturm kommt, aber keine Möglichkeit haben, die Bevölkerung zu warnen,« sagt Meteorologe Ahmad Habib vom Wetterdienst der VAE. Regenfälle seien zu der Jahreszeit zumindest in den VAE normal. Aber warum es derzeit zu außergewöhnlichen Wetterbedingungen kommt, könne er nicht sagen: »Es gibt Vermutungen, dass es mit den Bemühungen zu tun hat, die Regenmenge zu steigern.« Dafür werden per Flugzeug Wolken mit chemischen Stoffen »geimpft«, um deren Abregnen zu forcieren; bis 20 mal täglich wird die Technik in den VAE angewandt. »Wenn dann wie jetzt auch noch eine Kaltluftfront aus Iran auf sehr warme Luft auf der arabischen Halbinsel trifft, sind solche Effekte schon vorstellbar«, so Habib.
Zum Wochenende hin kamen die Stürme in Jemen an, und bescherten den Menschen eine kurze Atempause. Denn die saudische Luftwaffe, die in der Woche zuvor ihre Bombenangriffe auf den von Huthi-Milizen kontrollierten Norden Jemens ausgeweitet hatten, kann bei Regen und Sandstürmen nicht fliegen.