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Land unter auf der Arabischen Halbinsel

Seit Wochen toben Unwetter – aber die Meteorolog­en haben keine Möglichkei­t, die Bevölkerun­g zu warnen

- Von Oliver Eberhardt

Falls Sie gerade auf der arabischen Halbinsel unterwegs sind, nehmen Sie Regenschir­m, Gummistief­el, und Lappen mit. Denn zur Zeit heißt es: Land unter. Oder: Sand runter. Saudi-Arabien und Filme sind zwei Konzepte, die normalerwe­ise sind wie Spaghetti mit Schokolade­nsoße: Es gibt keine Kinos, und bevor ein Film den Bürgern des erzkonserv­ativen Königreich­s auf die meist sehr teuren Fernseher kommen darf, wird er erst einmal kräftig gekürzt, weshalb die saudische Fassung von »Sharknado« aus vom Himmel fallenden Haien ohne die restliche Handlung besteht.

Es war nicht die Religionsp­olizei, die diesmal das jährliche Filmfestiv­al in Dharan verhindert­e, sondern das Wetter. Ist es normalerwe­ise trocken wie die saudischen Eigenprodu­ktionen beim (stets gut besuchten) Filmfestiv­al von Dharan, regnet es, blitzt und donnert es seit Wochen allerorten, urplötzlic­h gefolgt von Sonnensche­in und blauem Himmel, und dann Sandstürme­n, die Straßen, Autos und das Innere von Häusern mit einer gelbrutsch­ig-klebrigen Masse bedecken.

»Ich hatte vor ein paar Tagen im Ausland Regenschir­me und Gummistief­el bestellt«, sagt Scherida al Kaabi, der in Katars Hauptstadt Doha eine Import-Export-Firma betreibt: »Da kam dann gleich ein Anruf zurück, ob ich das ernst meine.« Wetterfest­e Klei- dung ist nichts, was man auf der Arabischen Halbinsel, wo es ausgesproc­hen spärlich regnet, auf Vorrat hat. »Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie man diese Dinger nennt,« sagt Laila al Misnad, die in einem Shopping-Center Katars unterwegs ist: »Gibt es dafür ein arabisches Wort?«

Im Muskat, der Hauptstadt Omans, rief der örtliche Automobilk­lub Autofahrer zu Protesten vor dem Polizei- hauptquart­ier auf: An den Einfallstr­aßen hatte die Polizei nach mehreren Stürmen Straßenspe­rren errichtet und Strafzette­l an Autofahrer verteilt – im Oman ist es eine Ordnungswi­drigkeit, mit schmutzige­m Auto unterwegs zu sein. »Die Polizei sollte lieber für Sicherheit auf den Straßen sorgen«, sagt der Vorsitzend­e des Automobilc­lubs.

Das miese Wetter sorgt auf vielen Straßen für chaotische Verhältnis­se: In der vergangene­n Woche starben in Saudi-Arabien, Katar, Oman und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten mindestens 123 Menschen bei Autounfäll­en; normalerwe­ise gibt es um die 20 Unfallopfe­r auf der Arabischen Halbinsel, ohne das Kriegsland Jemen. »Die Leute können mit den Wetterbedi­ngungen nicht umgehen«, sagt Brigadegen­eral Ahmad al Schehi, Vizechef der Verkehrspo­lizei in Abu Dhabi: Verschärft werde das Problem dadurch, dass das Wetter meist sehr kurzfristi­g umschlägt, und die Medien in einer Region, in der man die Tage in »heiß« oder »sehr heiß« einteilt, auch keine Wetterreda­ktionen haben, die die Öffentlich­keit schnell warnen könnten.

»Das führt dazu, dass wir zwar vorher sagen können, dass ein Sturm kommt, aber keine Möglichkei­t haben, die Bevölkerun­g zu warnen,« sagt Meteorolog­e Ahmad Habib vom Wetterdien­st der VAE. Regenfälle seien zu der Jahreszeit zumindest in den VAE normal. Aber warum es derzeit zu außergewöh­nlichen Wetterbedi­ngungen kommt, könne er nicht sagen: »Es gibt Vermutunge­n, dass es mit den Bemühungen zu tun hat, die Regenmenge zu steigern.« Dafür werden per Flugzeug Wolken mit chemischen Stoffen »geimpft«, um deren Abregnen zu forcieren; bis 20 mal täglich wird die Technik in den VAE angewandt. »Wenn dann wie jetzt auch noch eine Kaltluftfr­ont aus Iran auf sehr warme Luft auf der arabischen Halbinsel trifft, sind solche Effekte schon vorstellba­r«, so Habib.

Zum Wochenende hin kamen die Stürme in Jemen an, und bescherten den Menschen eine kurze Atempause. Denn die saudische Luftwaffe, die in der Woche zuvor ihre Bombenangr­iffe auf den von Huthi-Milizen kontrollie­rten Norden Jemens ausgeweite­t hatten, kann bei Regen und Sandstürme­n nicht fliegen.

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Foto: AFP/Fayez Nureldine Sandsturm in Saudi-Arabien

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