Die Wiege stand in Gera
Warenhäuser sind noch längst nicht Geschichte
Das deutsche Kaufhaus hat seine Wiege im Osten – genauer gesagt in Gera. Hier eröffnete der Kaufmann Oscar Tietz am 1. März 1882 sein »Garn-, Knopf-, Posamentier-, Weiß- und Wollwarengeschäft«. Entgegen damaliger Gepflogenheiten gab es hier ein vielfältiges Warenangebot aus unterschiedlichen Produktgruppen, feste Preise und Kunden konnten auch nicht anschreiben lassen. Was damals supermodern war, wirkt heute altbacken: Die Musik spielt nun in Shopping-Centern mit ihren zahllosen kleinen Spezialgeschäften und zunehmend auch im Onlinehandel. Die großen Kaufhäuser haben heute nur noch einen Anteil von 2,2 Prozent am Einzelhandelsumsatz – in den 1960er Jahren zu den Hochzeiten der innerstädtischen Konsumtempel waren es um die zehn Prozent.
Vor allem im Zuge der vorübergehenden Insolvenz von Karstadt 2009 war viel vom Niedergang oder gar dem Aussterben der großen Warenhäuser die Rede. Das Problem für Stadtväter: Wenn ein großes Warenhaus schließt, entsteht eine innerstädtische Riesenbrache, die auch umliegende Geschäfte negativ tangiert. Vor allem die Schließung aller HertieHäuser schuf vielerorts Probleme.
Allerdings wird schon seit den 1970er Jahren immer wieder vor der Verödung der Innenstädte gewarnt – offenbar voreilig: Immerhin ließ sich die kanadische Hudson’s Bay Company die Übernahme von Kaufhof im Jahr 2015 fast drei Milliarden Euro kosten. Die Zukunftserwartungen scheinen also groß zu sein. Und auch bei Hauptkonkurrent Karstadt geht es unter Führung des österreichischen Immobilienunternehmers René Benko wieder aufwärts. Seit 2009 hat die Zahl der Kaufhäuser laut der Internetplattform handelsdaten.de auch nur noch leicht abgenommen: von 200 auf 180.
Vorbei ist indes die Zeit der Konsumtempel, in denen es einfach alles in großer Auswahl zu kaufen gibt. Multimedia- und Lampenabteilungen finden sich kaum noch, das gilt auch für Heimwerkerbedarf oder Weiße Ware. Die Kaufhauskonzerne setzen auf Bekleidung im mittleren bis gehobenen Preissegment, auf Accessoires, aber auch auf Onlinehandel. Und sie betreiben kleinere Filialen in Shopping-Centern.
Auch international geht der Trend hin zu Differenzierung. Während einige Innenstädte einen trostlosen Eindruck machen, geht es andernorts immer luxuriöser zu. Große Kaufhäuser mit besonderer Architektur und noblem Ambiente, die ein besonderes »Kauferlebnis« versprechen, sind erfolgreicher denn je, wie auch das Beispiel der Kadewe-Gruppe zeigt. Auch neue Shopping-Center werden nicht mehr am Stadtrand, sondern in Innenstädten errichtet.
Auch in Gera ist das Warenhaus nicht Geschichte: Mit Woolworth und Kaufhof gibt es zwei davon.