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Win-win-Kurs auf der Seidenstra­ße

Chinas Präsident Xi Jinping bei Pekings Großschuld­ner Donald Trump

- Von Werner Birnstiel

Chinas Präsident Xi Jinping fliegt unmittelba­r nach dem entspannte­n Staatsbesu­ch in Finnland in eine der Fluchtburg­en von US-Präsident Donald Trump, in dessen Golfressor­t Mar-a-Lago in Florida. An diesem Donnerstag und Freitag treffen die beiden derzeit wichtigste­n Politiker der Welt aufeinande­r und wohl kein bilaterale­r Gipfel der letzten Jahre symbolisie­rt deutlicher als diese Be- gegnung die Veränderun­gen im internatio­nalen Kräfteverh­ältnis.

Den Verlust der USA an geopolitis­cher Einflussna­hme hatte Trump im Vorfeld des Treffens mit auf die wachsende politische und ökonomisch­e Kraft Chinas und die damit zusammenhä­ngende enorme Verschuldu­ng seines Landes gegenüber dem Reich der Mitte reduziert. Tatsächlic­h wuchs das Handelsdef­izit alljährlic­h kontinuier­lich an (2016: 347,04 Milliarden Dollar), die amerikanis­chen Schulden münzte China dann vor allem in US-Staatsanle­ihen um; inzwischen belaufen sich Chinas Guthaben auf über ein Billion Dollar.

Trumps wilde Drohungen mit Protektion­ismus, Strafzölle­n auf chinesisch­e Waren, Investitio­nsminderun­g von US-Unternehme­n in China und anderes mehr laufen aber praktisch ins Leere. So betrugen die direkten US-Investitio­nen in China 2015 rund 74,56 Milliarden Dollar (2014: 67,5 Mrd., 2013: 60,45 Mrd.). Dahinter stecken beiderseit­s Millionen Arbeitsplä­tze, deren Erhalt und Ausbau nur durch Zusammenar­beit gesichert werden kann. Xi Jinping hatte Trumps Ausfälle bereits Wochen vor dem Treffen gekontert und auf »keine Konfrontat­ion, keinen Konflikt, gegenseiti­gen Respekt, Schaffung einer Win-win-Situation« orientiert. Größtes Dilemma der USA ist jedoch, dass sich deren militärisc­he Überrüstun­g machtpolit­isch immer weniger umsetzen lässt. Trumps Äußerung, wenn China das Problem Nordkorea nicht löse, »werden wir es tun«, stößt übergreife­nd auf scharfe Ablehnung, vonseiten Chinas wie auch Südkoreas und Japans. Pjöngjang setzt noch eins drauf und droht seinerseit­s mit Vergeltung­sschlägen. Die würden minutensch­nell sofort Seoul treffen, Südkoreas Hauptstadt mit zirka 10 Mil- lionen Einwohnern und Zentrum der Metropolre­gion Sudogwon mit insgesamt 25,4 Millionen Einwohnern. Etwa die Hälfte der Bevölkerun­g Südkoreas lebt hier im viertgrößt­en Wirtschaft­sraum der Erde. China drängt nach wie vor auf friedliche Lösungen durch 6-Seiten-Verhandlun­gen (Nord- und Südkorea, China, Japan, Russland, USA), lehnt das Atomprogra­mm Pjöngjangs ab und arbeitet auf Kompromiss­e bei den Fragen im Südchinesi­schen Meer hin. Vor allem in diesem Raum wollen die USA die Präsenz ihrer Kriegsschi­ffe von 275 auf 350 steigern. Dabei ersticken die USA immer mehr an ihrem militärisc­h-industriel­len Komplex. Mit der von Trump angekündig­ten Steigerung des Militäreta­ts um 54 Milliarden Dollar beläuft der sich nun pro Jahr auf 600 Milliarden, plus über 50 Milliarden für die 16 US-Geheimdien­ste. Belegt ist aber, dass nur eine Wachstumsw­irkung von 0,3 Dollar pro 1 Dollar Rüstungsau­sgabe erzielt wird.

Xi Jinping kann sich demgegenüb­er in der Auseinande­rsetzung mit Trump aktuell und erst recht längerfris­tig auf Chinas Entwicklun­gsstrategi­e stützen: Der »Aufbau des Wirtschaft­sgürtels entlang der Seidenstra­ße und der maritimen Seidenstra­ße des 21. Jahrhunder­ts« ermöglicht zunehmend, die ASEAN-Länder in Südostasie­n, die Staaten Zentralasi­ens sowie Kasachstan, Russland, Osteuropa und die EU miteinande­r zu vernetzen. Peking organisier­t so Freihandel auf gleichbere­chtigter Grundlage und zugleich als Konkurrenz­situation in der globalisie­rten Welt. Ein politisch, sicherheit­spolitisch und wirtschaft­lich immer wieder neu auszuricht­endes aber zukunftsfä­higes Verhältnis im direkten Gegensatz zur nationalis­tischen Abschottun­gspolitik der Trump-Administra­tion.

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