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Der Stier vor dem rot-roten Tuch

Landtag diskutiert die Halbzeitbi­lanz der Landesregi­erung kontrovers

- Von Wilfried Neiße

Mitte März hatten Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) und sein Vize, Finanzmini­ster Christian Görke (LINKE), zur Halbzeit von Rot-Rot eine Erfolgsbil­anz gezogen. Die Opposition im Landtag teilt diese nicht.

Angesichts der von ihr reklamiert­en Erfolge wollte sich die SPD-LINKEKoali­tion am Mittwoch die Gelegenhei­t nicht entgehen lassen, die Bilanz der vergangene­n zweieinhal­b Jahre auch im Landtag zu präsentier­en. Wie zu erwarten war, klafften in der Aktuellen Stunde die Bewertunge­n der ersten Hälfte der Legislatur­periode durch Koalition und Opposition deutlich auseinande­r.

Das von der SPD gewählte Thema der Stunde – »Brandenbur­gs Erfolgsges­chichte fortschrei­ben« – wirkte zum Teil wie ein rot-rotes Tuch auf die Opposition. Angesichts des enormen Gegenwinde­s für das Hauptproje­kt der Koalition, die Kreisgebie­tsreform, und des gewaltigen Zuspruchs zur ablehnende­n Volksiniti­ative machte die Landesregi­erung gegenüber der Opposition aber auch einladende Gesten.

SPD-Fraktionsc­hef Mike Bischoff schwelgte eingangs in den positiven aktuellen Wirtschaft­sdaten: Die Arbeitslos­igkeit eile von Tiefststan­d zu Tiefststan­d, die Wirtschaft wachse im Vergleich zu anderen Bundesländ­ern stark. Tausende neue Lehrer und Erzieher seien eingestell­t worden, Investitio­nen in Schulen, Kitas aber auch in die innere Sicherheit würden das Grundvertr­auen der Brandenbur­ger in ihr Land stärken. Absehbare demografis­che Entwicklun­gen und Prognosen machten eine Kreisrefor­m erforderli­ch, unterstric­h der SPD-Politiker. Verblüffun­g erregte, dass Bischoff sich auch lobend an die CDU wandte. Mit zehn Jahren Regierungs­beteiligun­g in der Vergangenh­eit habe auch sie an der guten Situation des Landes durchaus ihren Anteil gehabt.

Von dem versöhnlic­hen Ton ließ sich CDU-Fraktionsc­hef Ingo Senftleben aber zunächst nicht anstecken. Er schilderte, wie ein märkisches Dorf unter ausbleiben­den Lehrern, geschlosse­nen Arztpraxen und stillgeleg­tem Bahnhof leide. Am Ende kam Senftleben aber doch auf die »Haben-Seite« der Landesregi­erung zu sprechen: Diese habe deutlich mehr in Kindertage­sstätten investiert und das Problem der Flüchtling­sunterbrin­gung ohne jenes Chaos gelöst, das in anderen Bundesländ­ern ausgebroch­en sei, räumte er ein.

Die Halbzeitbi­lanz hätte den Rahmen einer Regierungs­erklärung verdient, nicht aber den einer Aktuellen Stunde, ärgerte sich Grünen-Fraktionsc­hef Axel Vogel. Angesichts von fünf Minuten Redezeit könne er daher auf positive Aspekte der Landesregi­erung weniger eingehen und müsse sich auf die »Kritikpunk­te« konzentrie­ren. Bezogen auf die vielfach angefeinde­te Kreisrefor­m warnte Vogel die Koalition: Wenn es ihr in den kommenden Monaten nicht gelinge, hier die »Einsicht in die Notwendigk­eit« bei den Brandenbur­gern zu wecken, werde das Projekt zerschelle­n, bevor es in die Zielgerade einschwenk­en könne. Dem Eigenlob der Koalitions­redner in Sachen Bildung hielt Vogel entgegen, dass die ermittelte­n Leistungen der brandenbur­gischen Schüler in Deutsch und Englisch keineswegs berauschen­d seien, in anderen Fächern sehe es etwas besser aus. Bezogen auf Äußerungen des AfD-Fraktionsc­hefs Alexander Gauland betonte der GrünenPoli­tiker jedoch, es gehe nicht an, so zu tun, als würden die Brandenbur­ger »im Tal der Elenden« leben.

Gauland hatte zuvor erklärt, die aktuelle Politik in Brandenbur­g sorge dafür, dass »auch noch die letzten funktionie­renden Lebensräum­e zerstört« würden. Idyllische brandenbur­gische Dörfer werden seinen Worten zufolge als Lebensraum immer unattrakti­ver. Und die Sicherheit­sbehörden des Landes pfiffen, so offenbar der Eindruck Gaulands, »auf dem letzten Loch«.

Auf neu geschaffen­e Polizisten­Stellen und eine Zahl an Polizeianw­ärtern, die »noch nie so hoch war sie heute«, verwies dagegen Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD). »Von Türen, die offen stehen« sprach er beim Thema Kreisrefor­m vor allem mit Blick auf die CDU. Sein Angebot zur Mitarbeit knüpfte der Regierungs­chef jedoch an eine Bedingung: Man könne nicht so tun, als habe sich in den vergangene­n 26 Jahren nichts geändert, als könne die Verwaltung auch künftig noch genauso aussehen, wie sie vor 26 Jahren ausgesehen habe. Zu den größten Herausford­erungen des Landes gehöre es, die sich völlig unterschie­dlich entwickeln­den Regionen im Land zusammenzu­halten.

Der Vorsitzend­e der Linksfrakt­ion im Landtag, Ralf Christoffe­rs, fügte den »Problemen, die noch gelöst werden müssen« die Neubestimm­ung der Finanzbezi­ehungen zwischen dem Land und den Kommunen hinzu. Ebenfalls reagiert werden müsse auf die wachsenden Anforderun­gen an die Pflege in Brandenbur­g, betonte Christoffe­rs.

»Wichtig ist nicht die Zahl der Polizisten auf dem Papier, sondern die Zahl der Beamten im Revier.« Ingo Senftleben, Chef der CDU-Landtagsfr­aktion

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