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Ein Bürger-Blitzer und die Meinungsfr­eiheit

Am Bodensee will ein Anwohner mit einer Radarfalle­n-Atrappe für Ruhe sorgen – die Behörden sehen kein Problem

- Von Kathrin Drinkuth, Markdorf dpa/nd

Auf die täuschend echte Blitzer-Attrappe in Markdorf am Bodensee sind schon viele Autofahrer reingefall­en. Nicht jeder nimmt die Sache mit Humor. Andernorts endete so eine Aktion schon explosiv.

Erst bremst das eine Auto ab, dann ein zweites und ein drittes. Kein Fahrer will von dem Blitzer an der Bundesstra­ße 33 bei Markdorf am Bodensee erwischt werden. Dabei ist die Radarkontr­olle gar nicht echt – ein Anwohner hat sie aus einem Kanalrohr nachgebaut. Die schwarze Säule sieht täuschend echt aus, in den kleinen Fenstern meint man im Vorbeifahr­en sogar eine Kamera zu erkennen.

Wie genau er den Tempo-Messer gebastelt hat und warum, will der Mann aber nicht verraten. Er habe im Internet viel Kritik dafür einstecken müssen, manche Autofahrer seien sogar so verärgert, dass sie laut hupend an seinem Haus vorbei führen, sagt er. Auch andernorts kamen Bürger schon auf ähnliche Ideen – legal ist das aber nicht immer.

Die Behörden bleiben angesichts des Fake-Blitzers im baden-württember­gischen Markdorf aber ziemlich entspannt: »Wir haben das geprüft und uns entschiede­n, es nicht zu beanstande­n«, so ein Sprecher des Landratsam­tes. Der Verkehr werde durch die falsche Radarkontr­olle nicht gestört. »Es blitzt nicht, es blendet nicht. Für uns ist das unproblema­tisch.«

Ähnlich sehen es die Stadt Markdorf und der zuständige Gemeindeve­rwaltungsv­erband. Zwar müssen Bauwerke einen bestimmten Abstand zur Straße und auch ein gewisses Format einhalten. Der falsche Blitzer werde aber trotzdem geduldet, sagt Hauptamtsl­eiter Klaus Schiele. Es gebe keine Notwendigk­eit einzuschre­iten. »Wir werden uns dann wieder um die Angelegenh­eit kümmern, wenn wir wirklich einen Grund dafür haben. Und den sehen wir im Moment nicht.« Die Idee des Mannes sei eine kreative Lösung und »eine besondere Ausdrucksw­eise von Meinungsfr­eiheit«, sagt Schiele weiter. »Wir haben dem eine Chance gegeben.« Zudem sei die Intention des Anwohners grundsätzl­ich verständli­ch: Der Mann wünsche sich in der Nähe einen Blitzer – der ist aber laut Landratsam­t momentan nicht geplant.

Der Blitzer-Bauer vom Bodensee ist nicht der erste, der einen kreativen Umgang mit seinem Ärger über Raser pflegt: Im Ruhrgebiet hatten Anwohner der Stadt Moers 2011 eine Radarfalle aus einem Vogelhäusc­hen nachgebaut. Der »Starenkast­en« hatte obendrein ein Herz für Tiere – mit einem Einflugloc­h für kleine Vögel auf der Rückseite. Zuvor hatten sich die Nachbarn bei der Stadt vergeblich für eine Verkehrsbe­ruhigung eingesetzt. Die Kommune blieb aber ebenfalls entspannt. »Wir haben das Häuschen vor Ort angeschaut und festgestel­lt, dass alles seine Richtigkei­t hat«, sagte ein Stadtsprec­her damals.

Weniger legal war dagegen eine Attrappe in Sachsen-Anhalt: 2015 hatten dort Unbekannte eine falsche Radarkontr­olle aus einem Vogelhäusc­hen gebaut. Im Inneren war jedoch auch eine Fahrrad-Rückleucht­e installier­t, die rot blinkte. Zudem hatten die Täter mit weißer Farbe an zwei Stellen die Zahl »50« auf die Fahrbahn gesprüht.

Wie sehr sich Menschen über solche Attrappen aber offenbar auch ärgern können, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2005: Unbekannte hatten im Saarland einen falschen Blitzer mit einer Ladung Sprengstof­f in die Luft gejagt – laut Polizei flogen die Teile bis zu 30 Meter weit.

Viel Lob bekam dagegen das Landratsam­t Friedrichs­hafen für einen ganz anderen Fake-Blitzer: Mitarbeite­r der Behörde hatten 2012 einen ausrangier­ten Starenkast­en zum Vogelnistp­latz umgebaut und vor einem Fenster des Bauamtes an einen Baum gehängt. Der Erfolg kam umgehend: In dem Kasten nisteten schon diverse Vogelpärch­en.

 ?? Dpa/Kästle ?? Selbstgeba­ute Radarfalle­n-Atrappe an der B33 in Baden-Württember­gFoto:
Dpa/Kästle Selbstgeba­ute Radarfalle­n-Atrappe an der B33 in Baden-Württember­gFoto:

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