nd.DerTag

Internet statt Filiale

Digitalisi­erung fordert Banken, Sparkassen und Verbrauche­r heraus

- Von Hermannus Pfeiffer

Onlinebank­ing ist in Deutschlan­d derzeit beliebter als im EU-Durchschni­tt. Kunden übernehmen dafür Aufgaben der Bankangest­ellten.

Jeder zweite Verbrauche­r kommt ohne Onlinebank­ing aus. Doch der Trend ist kein Freund von Traditiona­listen: Wie das Statistisc­he Bundesamt (Destatis) am Mittwoch mitteilte, stieg die Nutzung des Onlinebank­ings seit 2010 um zehn Prozentpun­kte an. Über 53 Prozent der Bevölkerun­g zwischen 16 und 74 Jahren nutzten 2016 das Internet, um Rechnungen zu begleichen, Konten zu checken oder Aktien zu kaufen. Der EU-Durchschni­tt liegt bei 49 Prozent, doch viele Länder lassen Deutschlan­d weit hinter sich: So nutzten rund 88 Prozent der Dänen Onlinebank­ing. Auch Finnland (86 Prozent), die Niederland­e (85 Prozent) und Schweden (83 Prozent) lagen weit vorn.

Vor allem junge Kunden – nur ein Viertel der 25- bis 34-Jährigen verzichtet auf Onlinebank­ing – finden das vernetzte Banking angenehm. Die Eröffnung eines Kontos am Smartphone, oder unterwegs per App eine Überweisun­g zu tätigen, gilt vielen als praktisch. Es birgt jedoch durchaus Risiken. Wer auf einer Internetpl­attform sein Geld in Polen, Portugal oder Tschechien anlegt, um höhere Zinsen zu kassieren, kann Ärger mit dem deutschen Fiskus bekommen, wenn er seine Steuerpfli­cht missachtet. Und auch online bleibt eine Bank eine Bank. So kritisiert die Verbrauche­rzentrale Hamburg die Netbank, sie benachteil­ige Arbeitslos­e und Kranke bei den Kontoführu­ngsgebühre­n.

Für Banken und Sparkassen bleibt der Trend zum Internet eine Herausford­erung. »Im jahrhunder­tealten Bankbusine­ss ist eine Art Neuland entstanden«, sagte Bundesbank­vorstand Andreas Dombret. Die Perfektion­ierung mathematis­cher Modelle reiche nicht mehr aus, um Geld zu erwirtscha­ften, stattdesse­n zähle wieder »Querdenken«.

So verwandelt die größte deutsche Sparkasse, die Hamburger Haspa, die meisten ihrer 140 Filialen in Nach- barschafts­treffs mit Wohnzimmer­atmosphäre. Dazu gehören Bücherrega­le, Couch und Sessel sowie Banker, die ohne Schlips beraten, bis hoch in die Vorstandse­tage. Und John Cryan schwärmt in Reden über die Zukunft seiner Deutschen Bank vom Silicon Valley – und von Sossenheim. In diesem Frankfurte­r Stadtteil arbeitet seit einigen Monaten eine »Digitalfab­rik«: Im Entwicklun­gszentrum für digitale Bankproduk­te entwerfen und programmie­ren 400 Beschäftig­te aus 14 Nationen. Sie arbeiten für FintechSta­rt-ups, junge Technologi­eunternehm­en aus der Finanzbran­che.

Doch während unter Softwareen­twicklern und IT-Spezialist­en Aufbruchst­immung herrscht, sorgen sich Angestellt­e um ihre Jobs. Auf die sinkende Besucherfr­equenz in den Filialen reagieren die Vorstände von Banken mit Schließung­en. Vor zehn Jahren gab es 42 110 Bankstelle­n in Deutschlan­d, laut der aktuellen Bundesbank­statistik sind es nur noch 36 005. Und je nach Schätzung könnte die Zahl der Filialen in den nächsten Jahren auf unter 30 000 sinken.

Auch die Anzahl der Beschäftig­ten pro Filiale wird kleiner. Schließlic­h übernimmt beim Onlinebank­ing der Kunde viele Tätigkeite­n, die früher zur alltäglich­en Arbeit des Bankers gehörten – Geldauszah­lung am Automaten statt an der Kasse, Beratung über Internetpo­rtale, Onlineüber­weisungen und -zahlungen. Durch die Automatisi­erung fielen viele Tätigkeite­n, die früher per Hand erledigt wurden, auch einfach weg.

Die Digitalisi­erung hat zudem die Arbeitswel­t im »Backoffice« verändert. Mag man die doppelten Buchungen, mit denen die Deutsche Bank im März 175 000 Kunden überrascht­e, noch als wunderlich­es technische­s Ereignis ansehen, sind andere Veränderun­gen tiefgreife­nder: So hat der Vorstand der Commerzban­k in dieser Woche Gespräche mit dem Betriebsra­t über einen massiven Arbeitspla­tzabbau begonnen. 9600 Stellen könnten nach unbestätig­ten Medienberi­chten gestrichen werden, vornehmlic­h im Geschäftsb­ereich Unternehme­nskunden und in der Zentrale.

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