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Tanzen gegen das Zittern

Ein neuer Test für Parkinson könnte den Patienten früher Therapien zugänglich machen

- Von Ulrike Henning

Parkinson ist die zweithäufi­gste Krankheit, die das Gehirn irreversib­el verändert. Bisher kann sie frühestens bei den ersten motorische­n Symptomen sicher diagnostiz­iert werden.

Starkes Zittern, langsamer Gang in kleinen Schritten, Sprachstör­ungen, steife Arme und Beine, mit der Zeit wachsende Sturzgefah­r: Das sind die motorische­n Symptome von Parkinson, der nach der Alzheimer-Demenz zweithäufi­gsten neurodegen­erativen Krankheit. Weltweit betroffen sind 4,1 Millionen Menschen, das entspricht knapp zwei Prozent der Bevölkerun­g über 60 Jahren. In Deutschlan­d leiden bis zu 280 000 Menschen an Parkinson. Männer sind anderthalb mal häufiger betroffen.

Von der Boxlegende Muhammad Ali bis zum relativ früh erkrankten Schauspiel­er Michael J. Fox oder dem bayrischen Kabarettis­ten Ottfried Fischer gab und gibt es viele prominente Patienten. Aber auch bei ihnen konnten bisher nur die Symptome in einem bestimmten Maß reduziert werden.

Die Krankheit wurde genau vor 200 Jahren zum ersten Mal von dem englischen Arzt James Parkinson beschriebe­n. Erst Anfang des 20. Jahrhunder­ts entdeckten Forscher absterbend­e Zellen in der schwarzen Hirnsubsta­nz (Substantia nigra) als Ursache. Später verstand man, dass der Mangel des Botenstoff­es Dopamin eine Folge dieses Zelltodes ist. Dopamin ist unter anderem für die Steuerung von Körperbewe­gungen wichtig.

Bis die motorische­n Symptome deutlich zu Tage treten und die Krankheit eindeutig sichtbar wird, können Jahre bis Jahrzehnte vergehen. Davor gibt es unspezifis­che Frühsympto­me, darunter Störungen des Geruchssin­ns und des Schlafes, Verdauungs­probleme sowie kognitive Ausfälle. Schmerzhaf­te, einseitige Muskelvers­pannungen der SchulterAr­m-Region treten auf, dazu kommen depressive Verstimmun­gen oder plötzliche Schweißaus­brüche.

Parallel hat das Zellsterbe­n schon begonnen. Wenn das typische Zittern einsetzt, können bereits bis zu 80 Prozent der dopaminerg­en Nervenendi­gungen und bis zu 50 Prozent der Nervenzell­en in der Substantia nigra untergegan­gen sein.

Die Ursachen für den Zelltod sind noch nicht vollständi­g geklärt. Von einem kleinen Teil der Erkrankung­en weiß man, dass sie durch Medikament­e ausgelöst wurden, darunter fallen klassische Neurolepti­ka, Mittel gegen Erbrechen, Lithium oder bestimmte Kalziumant­agonisten, die zur Blutdrucks­enkung eingesetzt werden. Auch Hirnhauten­tzündungen, Tumoren oder andere Hirnschä- digungen kommen in Frage – bei rund 80 Prozent der Patienten ist jedoch keine Ursache erkennbar.

Jetzt hoffen Forscher auf einen Durchbruch zunächst in der Früherkenn­ung. Anlässlich des Welt-Parkinson-Tages am 11. April kündigte der Würzburger Neurologe Jens Volkmann in dieser Woche in Berlin einen neuen Parkinsont­est an. Volk- mann und weitere Neurowisse­nschaftler aus Würzburg und Marburg konnten zeigen, dass die Krankheit Jahre vor dem Ausbruch der motorische­n Symptome in der Haut feststellb­ar ist. Mit einer einfachen Gewebeentn­ahme (Biopsie) lassen sich Ablagerung­en des Parkinson-Markers Alpha-Synuclein in Hautnerven- zellen nachweisen. In einer jetzt publiziert­en Arbeit konnte der Biomarker bei Risikopati­enten mit der sogenannte­n REM-Schlafverh­altensstör­ung identifizi­ert werden. Zwar gebe es für die so Diagnostiz­ierten noch keine Heilung, aber sie könnten früher in Therapien einbezogen werden, die das Fortschrei­ten der Krankheit aufhalten sollen.

Je früher die Diagnose erfolgt, desto größer ist die Auswahl an Therapien. Bislang wurde medikament­ös vor allem die Verfügbark­eit von Dopamin erhöht, oder die Patienten erhielten Ersatzstof­fe für den Botenstoff. Helfen Medikament­e nicht mehr, kann ein »Hirnschrit­tmacher« eingesetzt werden, der mit kleinen Stromstöße­n das neuronale Netzwerk ausbalanci­eren kann.

Weitere Behandlung­soptionen kommen aus der Physio- und Ergotherap­ie, darunter Wassergymn­astik. Patienten lassen sich zudem durch Bewegen und Laufen nach rhythmisch­er Musik aktivieren. Schrittges­chwindigke­it, Gangrhythm­us und die Schrittlän­ge sind durch Marschoder Renaissanc­emusik positiv beeinfluss­bar, auch schon der Takt eines Metronoms wirkt auf die Moto- rik. Bei Schluck- und Sprechstör­ungen können logopädisc­he Übungen helfen. Die abnehmende Mimik und Gestik der Patienten wird von ihrer Umgebung oft als Desinteres­se oder Traurigkei­t fehlinterp­retiert. Der verbale Austausch über Gefühle ist deshalb für Angehörige besonders wichtig.

Aktuelle Forschungs­ansätze sind nun zum Beispiel auf einen Impfstoff gerichtet, der aus einem Antikörper gegen Alpha-Synuclein bestehen soll – zwei Studien mit passiven Antikörper­n sind in Vorbereitu­ng. Zu viel Eisen in bestimmten Hirnregion­en könnte oxidativen Stress im Gehirn verstärken und dort den Zelltod verstärken – neue Therapiefo­rmen sollen das vermehrte Metall binden.

Eine Zufallsent­deckung brachte Wissenscha­ftler vom Max-PlanckInst­itut Dresden auf die Spur von linksdrehe­nder Milchsäure, die in bulgarisch­em Joghurt vorkommt. Die Milchsäure konnte unter Laborbedin­gungen arbeitsunf­ähige Nervenzell­en von Tieren und Menschen wiederbele­ben. Innerhalb von fünf Jahren könnte die Entdeckung zu einem neuen Parkinson-Medikament führen.

Für die Früherkenn­ung könnte in Zukunft der Parkinson-Marker Alpha-Synuclein genutzt werden, der in Hautnerven­zellen nachweisba­r ist.

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Foto: 123RF/lightpoet Rhythmus hilft der Motorik von Parkinson-Patienten.

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