Als Dauertherapie nicht geeignet
Magensäurehemmer verursachen bei jahrelangem Einsatz mehr Nebenwirkungen als bisher bekannt
Magensäurehemmer werden zu oft bei nur leichten Beschwerden eingenommen. Ob sie wirklich helfen, ist wissenschaftlich nicht belegt.
Sodbrennen, saures Aufstoßen, Magenschmerzen – gegen solche Beschwerden sollen sogenannte Protonenpumpen-Inhibitoren oder Magensäureblocker helfen. Ärzte verordnen Präparate wie Nexium, Pantozol, Antra Mups oder Generika inzwischen drei Mal so häufig wie vor zehn Jahren. Laut der Barmer Krankenkasse nahmen im Jahr 2015 etwa 13,4 Millionen Patienten diese Medikamente ein – jeder sechste Einwohner Deutschlands.
Die Beliebtheit der Mittel wundert Joachim Mössner, Klinikdirektor am Universitätsklinikum Leipzig, nicht. In einem im letzten Jahr veröffentlichten Überblicksartikel im »Deutschen Ärzteblatt« betont er: Magensäureblocker »gehören zu den wirksamsten Medikamenten in der The- rapie säureassoziierter Erkrankungen«. Sie lassen gutartige Magengeschwüre schnell abheilen. Sie helfen auch gegen Refluxerkrankungen. Bei diesen gelangt Magensäure in die Speiseröhre. Das erzeugt Sodbrennen und kann die Schleimhaut der Speiseröhre beschädigen. Die Tabletten hemmen die Säureproduktion.
Klinikdirektor Mössner merkt allerdings kritisch an: Magensäureblocker »werden zu häufig unkritisch auch bei Beschwerden eingesetzt, denen keine säureassoziierte Erkrankungen zugrunde liegen«. Laut Thomas Rosemann, Professor für Hausarztmedizin an der Universität Zürich, setzen viele Kliniken die Medikamente »fast schon routinemäßig« ein, etwa als »Magenschutz«, wenn sie Schmerzmittel geben.
Viele Kliniken würden ihre Patienten trotz unklarer Diagnose auch mit einem Rezept für die Dauertherapie entlassen. Christoph Gubler, Chefarzt Gastroenterologie am Kantonsspital Winterthur, weiß aus Erfahrung, dass »viele anfangs sinn- volle Therapien jahrelang ohne Hinterfragen weiterlaufen«. Laut älteren Studien leidet fast jeder zweite, der Säurehemmer nimmt, nicht an einer schweren Refluxkrankheit.
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten weist in einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme darauf hin, dass viele Konsumenten die Tabletten wegen eher leichter Beschwerden wie Reizmagen, Völlegefühl, Sodbrennen oder Übelkeit nehmen. Ob die Tabletten hier helfen, sei wissenschaftlich nicht belegt. Viele der Beschwerden treten ohnehin nur auf, weil die Patienten zu fett essen, zu viel Alkohol trinken, rauchen oder Übergewicht haben.
Die Gesellschaft für Gastroenterologie warnt vor der langfristigen Einnahme der Tabletten ohne eindeutige Diagnose: »In jüngster Zeit mehren sich die Hinweise, dass der Dauerkonsum mehr Nebenwirkungen verursachen könnte, als bislang bekannt« sei. Er begünstige Osteoporose und Knochenbrüche und erhöht laut einer im letzten Jahr im US-Fachmagazin »JAMA« veröffentlichten Studie das Risiko von Nierenversagen um 75 Prozent. Mehr Darminfekte und Magnesiummangel kämen hinzu.
Dänische Forscher stellten fest, dass Menschen, die diese Tabletten nehmen, häufiger Schlaganfälle erleiden als Nichtnutzer. Zudem kommt man nur schwer von ihnen los: Setzt man sie abrupt ab, schießt die Magensäureproduktion erst einmal in die Höhe. Viele Patienten haben dann mehr Beschwerden als am Anfang der Therapie. Sie greifen erneut zu den Tabletten. Medizinprofessor Thomas Rosemann fordert: »Wer Medikamente auf Dauer nimmt, sollte mit seinem Arzt einmal im Jahr überprüfen, ob er sie noch braucht.« Falls nein, gelte es, langsam die Dosis zu reduzieren.