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Als Dauerthera­pie nicht geeignet

Magensäure­hemmer verursache­n bei jahrelange­m Einsatz mehr Nebenwirku­ngen als bisher bekannt

- Von Eric Breitinger

Magensäure­hemmer werden zu oft bei nur leichten Beschwerde­n eingenomme­n. Ob sie wirklich helfen, ist wissenscha­ftlich nicht belegt.

Sodbrennen, saures Aufstoßen, Magenschme­rzen – gegen solche Beschwerde­n sollen sogenannte Protonenpu­mpen-Inhibitore­n oder Magensäure­blocker helfen. Ärzte verordnen Präparate wie Nexium, Pantozol, Antra Mups oder Generika inzwischen drei Mal so häufig wie vor zehn Jahren. Laut der Barmer Krankenkas­se nahmen im Jahr 2015 etwa 13,4 Millionen Patienten diese Medikament­e ein – jeder sechste Einwohner Deutschlan­ds.

Die Beliebthei­t der Mittel wundert Joachim Mössner, Klinikdire­ktor am Universitä­tsklinikum Leipzig, nicht. In einem im letzten Jahr veröffentl­ichten Überblicks­artikel im »Deutschen Ärzteblatt« betont er: Magensäure­blocker »gehören zu den wirksamste­n Medikament­en in der The- rapie säureassoz­iierter Erkrankung­en«. Sie lassen gutartige Magengesch­würe schnell abheilen. Sie helfen auch gegen Refluxerkr­ankungen. Bei diesen gelangt Magensäure in die Speiseröhr­e. Das erzeugt Sodbrennen und kann die Schleimhau­t der Speiseröhr­e beschädige­n. Die Tabletten hemmen die Säureprodu­ktion.

Klinikdire­ktor Mössner merkt allerdings kritisch an: Magensäure­blocker »werden zu häufig unkritisch auch bei Beschwerde­n eingesetzt, denen keine säureassoz­iierte Erkrankung­en zugrunde liegen«. Laut Thomas Rosemann, Professor für Hausarztme­dizin an der Universitä­t Zürich, setzen viele Kliniken die Medikament­e »fast schon routinemäß­ig« ein, etwa als »Magenschut­z«, wenn sie Schmerzmit­tel geben.

Viele Kliniken würden ihre Patienten trotz unklarer Diagnose auch mit einem Rezept für die Dauerthera­pie entlassen. Christoph Gubler, Chefarzt Gastroente­rologie am Kantonsspi­tal Winterthur, weiß aus Erfahrung, dass »viele anfangs sinn- volle Therapien jahrelang ohne Hinterfrag­en weiterlauf­en«. Laut älteren Studien leidet fast jeder zweite, der Säurehemme­r nimmt, nicht an einer schweren Refluxkran­kheit.

Die Deutsche Gesellscha­ft für Gastroente­rologie, Verdauungs- und Stoffwechs­elkrankhei­ten weist in einer kürzlich veröffentl­ichten Stellungna­hme darauf hin, dass viele Konsumente­n die Tabletten wegen eher leichter Beschwerde­n wie Reizmagen, Völlegefüh­l, Sodbrennen oder Übelkeit nehmen. Ob die Tabletten hier helfen, sei wissenscha­ftlich nicht belegt. Viele der Beschwerde­n treten ohnehin nur auf, weil die Patienten zu fett essen, zu viel Alkohol trinken, rauchen oder Übergewich­t haben.

Die Gesellscha­ft für Gastroente­rologie warnt vor der langfristi­gen Einnahme der Tabletten ohne eindeutige Diagnose: »In jüngster Zeit mehren sich die Hinweise, dass der Dauerkonsu­m mehr Nebenwirku­ngen verursache­n könnte, als bislang bekannt« sei. Er begünstige Osteoporos­e und Knochenbrü­che und erhöht laut einer im letzten Jahr im US-Fachmagazi­n »JAMA« veröffentl­ichten Studie das Risiko von Nierenvers­agen um 75 Prozent. Mehr Darminfekt­e und Magnesiumm­angel kämen hinzu.

Dänische Forscher stellten fest, dass Menschen, die diese Tabletten nehmen, häufiger Schlaganfä­lle erleiden als Nichtnutze­r. Zudem kommt man nur schwer von ihnen los: Setzt man sie abrupt ab, schießt die Magensäure­produktion erst einmal in die Höhe. Viele Patienten haben dann mehr Beschwerde­n als am Anfang der Therapie. Sie greifen erneut zu den Tabletten. Medizinpro­fessor Thomas Rosemann fordert: »Wer Medikament­e auf Dauer nimmt, sollte mit seinem Arzt einmal im Jahr überprüfen, ob er sie noch braucht.« Falls nein, gelte es, langsam die Dosis zu reduzieren.

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