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Eine Aschenputt­el-Geschichte

Die deutschen Eishockeys­pielerinne­n erreichen unerwartet das Halbfinale der Weltmeiste­rschaft, in dem sie nun auf Gastgeber USA treffen

- Von Kirsten Opitz, Plymouth (USA) SID/nd

Nur knapp zwei Monate nach der verpassten Olympiaqua­lifikation sind die Eishockeyf­rauen besser denn je. Erstmals in der Geschichte zog ein deutsches Frauenteam in ein WM-Halbfinale ein.

Marie Delarbre wähnte sich in einem Märchen. »Es ist einfach fantastisc­h«, sagt die Stürmerin nach dem sensatione­llen Halbfinale­inzug der deutschen Eishockeys­pielerinne­n bei der WM in den USA. Die Aschenputt­elgeschich­te geht weiter.

USA-Legionärin Delarbre erzielte beim 2:1 (0:1, 1:0, 1:0) im Viertelfin­ale gegen Russland den Siegtreffe­r und trug dazu bei, dass das Team von Benjamin Hinterstoc­ker dem Turnier seinen Stempel aufdrückte. Nie zuvor war ein deutsches Frauenteam bei einer WM in die Runde der letzten Vier eingezogen. Am Donnerstag warten nun die Gastgeberi­nnen.

Die dürften allerdings gewarnt sein. »Cinderella Team« nennen die Amerikaner die Deutschen – und das vollkommen zurecht. Schließlic­h sorgten Delarbre und Co. mit dem Halbfinale­inzug für das bisher beste Ergebnis eines Aufsteiger­s bei einer WM und schlugen dabei so ganz nebenbei Kaliber wie den Olympiavie­rten Schweden (3:1) oder Tschechien (2:1).

Ein Sieg fehlt noch zur allererste­n Medaille – fast könnte man glauben, bei all dem Jubel gerate die verpasste Olympiaqua­lifikation im Februar bereits in Vergessenh­eit. Doch gerade das knappe Scheitern scheint das Team nun erst so richtig anzustache­ln.

»Wir waren alle ganz schön fertig. Aber das ist das Leben. Kopf hoch und weitermach­en, etwas anderes blieb uns nicht übrig«, sagt Delarbre. Franz Reindl drückt zu Hause die Daumen. »Die Ergebnisse jetzt zeigen, dass die Mannschaft bereit ist für mehr«, sagt der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB).

»Die Mädchen haben große Qualität, sie wollen sich verbessern. Wir haben zwölf Soldatinne­n bei der Bundeswehr, die unter Profibedin­gungen trainiert und geschult werden«, so Reindl. Gleich sieben Spielerinn­en stehen im Ausland unter Vertrag. Delarbre zum Beispiel ist für die Merrimack Warriors in der USCollegel­iga unterwegs.

»Ich hoffe, dass wir diesen Erfolg fortsetzen können«, formuliert Trainer Hinterstoc­ker ganz vorsichtig die Erwartunge­n an seine Schützling­e. Der 37-Jährige erntet in Plymouth die ersten Früchte einer mutigen Entscheidu­ng. Nach dem siebten Platz bei den Olympische­n Spielen in Sotschi machten die Verantwort­lichen einen radikalen Schnitt und beförderte­n alle 1996 geborenen Mädchen der U18Nationa­lmannschaf­t kurzerhand in die Frauenausw­ahl.

»Wir können jetzt sagen, dass wir damals den richtigen Entschluss gefasst haben. Die Mädchen brauchten die drei Jahre, um Erfahrung zu sammeln«, so Hinterstoc­ker: »Manchmal geht es schneller, und manchmal dauert es eben länger. Aber jetzt zeigen wir endlich, was in uns steckt.«

Gerade mental beweist das Team derzeit große Stärke. »Wir haben nie aufgegeben. Wir glauben einfach an uns. Nach dem guten Start ins Turnier haben wir nichts zu verlieren, der Gegner hat den ganzen Druck«, sagt Torhüterin Jennifer Harss (ERC Sonthofen).

Auch das Gegentor der Russinnen brachte die deutsche Auswahl nicht aus der Ruhe. Nach dem Ausgleich durch Kerstin Spielberge­r (35.) war Delarbre zur Stelle. Der Underdog schlug erneut zu. Nun scheint alles möglich.

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Foto: dpa/AP/Carlso Osorio Wie im Märchen: Andrea Lanzl

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