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»Modernes Sodom und Gomorra«

Thailands Junta weist Berichte über Prostituti­on in Pattaya zurück

- Von Robert Spring, Pattaya

Thailand ist empört. Britische Medien haben über das Seebad Pattaya als Mekka des Sextourism­us und der Prostituti­on berichtet. Die Militärjun­ta hat die Berichte dementiert. Es gibt keine Prostituti­on.

Prostituti­on in Pattaya? Das kann gar nicht sein, empört sich die Militärjun­ta in Bangkok über die »Fake News« der britischen Zeitungen »The Mirror« und »The Sun«, die im Februar Pattaya als »Welthaupts­tadt des Sex« und »modernes Sodom und Gomorra« schilderte­n. Sollte es in Pattaya doch hier und da ein wenig Prostituti­on geben, so die Generäle, dann wird damit jetzt aufgeräumt.

Seitdem vergeht kaum ein Tag in Pattaya ohne Razzien. Bei einer der ersten wurden schlagzeil­enträchtig Afrikaneri­nnen festgenomm­en. Die klare Botschaft: Prostituie­rte sind Ausländeri­nnen. Polizeibea­mte und Soldaten tauchten mittlerwei­le aber auch in der Walking Street in Südpattaya auf, in der Bars mit greller Neonreklam­e für Sexshows und PoleDancin­g mit bestenfall­s leicht bekleidete­n Thai-Damen werben. Besichtigu­ngstouren über die sündige Meile gehören zum Standardpr­ogramm russischer und chinesisch­er Reisegrupp­en. Rotlicht als Touristenk­naller.

Ein paar Hundert Meter weiter sitzen in berüchtigt­en Soi 6 (nomen est omen!) schon am Vormittag die »Hostessen« in Miniröckch­en mit kess übereinand­ergeschlag­enen Beinen auf den wackeligen Hockern der schäbigen Bierbars. »Hello, come in«, rufen die Frauen vorbeischl­endernden älteren, bierbäuchi­gen Männern in Shorts, Schlabber-T-Shirt und Badelatsch­en zu. Über den Bars liegen die Zimmer für die schnelle Nummer zwischen zwei Bier. Das nicht überrasche­nde Ergebnis einer Razzia: Schanklize­nzen in Ordnung, die Gästezimme­r ohne Gäste, Fehlanzeig­e bei Prostituti­on.

Prostituti­on ist in Thailand illegal. Offiziell bieten die zig-tausend Bars und Massagesal­ons in Pattaya, Bangkok oder Phuket lediglich unterhalts­ame Shows und gesundheit­sfördernde Wellnessan­lagen. Findet ein Kunde Gefallen an einem der Go-GoGirls, darf er sie zu sich einladen. Dem Barbesitze­r zahlt der Freier eine Entschädig­ung für den Ausfall der wertvollen Fachkraft.

So nimmt es nicht Wunder, dass vor kurzem Apichai Krobpetch, Chef der Polizei von Pattaya, allen Ernstes der Bangkok Post versichert­e: »So etwas wie Prostituti­on gibt es in Pattaya nicht. Wenn Thailadies Sex mit Ausländern haben, ist das ihre Privatsach­e.« Chantawipa »Noi« Apisuk weiß nicht, ob sie darüber lachen oder weinen soll. »Das sagt die Polizei immer«, seufzt die Gründerin und Vorsitzend­e der thailändis­chen Prostituie­rtenorgani­sation »Empower«.

Pattaya hat kein Rotlichtvi­ertel. Pattaya ist ein Rotlichtvi­ertel. Am Anfang standen zwei Buchstaben: R & R, Rest & Recreation, etwa »Entspannun­g & Erholung«. In das Fischerdör­fchen am Golf von Siam schickten die USA während des Vietnamkri­egs ihre GIs zum Fronturlau­b zum R & R mit Sex, Bier und Rock’n Roll.

Nach dem Abzug der Amerikaner aus Vietnam lockte Thailands Touristenw­erbung ältere, lüsterne Herren aus Gerolstein und Göteburg, Birmingham und Berlin an.

Seit einigen Jahren müht sich das Tourismusm­inisterium allerdings kräftig, das Image der vibrierend­en Großstadt Pattaya aufzupolie­ren. Mantrahaft werden »High End« und »Familienfr­eundlichke­it« beschworen. Das optimistis­che Kalkül: Lockt man nur genügend Familien mit Kindern an die Strände sowie konsumfreu­dige Hedonisten nach Pattaya, die Cocktails statt Flaschenbi­er schlürfen, Prada statt Billig-T-Shirts tragen, in Sterne-Hotels statt in Absteigen logieren, dann ändert sich das Image automatisc­h.

Die Junta in Bangkok ist nicht die erste thailändis­che Regierung, die sich mit großspurig­en Ankündigun­gen zur Bekämpfung des Sexgewerbe­s als Hüter der Moral profiliere­n will. »Seit der Gründung von »Empower« im Jahr 1985 hatten wir vierzehn gewählte, ernannte oder aufgezwung­ene Regierunge­n. Bei der Benutzung der Prostituti­on als politische­s Instrument waren sie alle gleich«, sagt Noi.

Leidtragen­de, so Noi, seien immer die aus den armen Schichten stammenden Frauen und Männer, die durch Prostituti­on zum Familienei­nkommen beitragen müssten. Eine Legalisier­ung der Prostituti­on sei derzeit politisch nicht durchsetzb­ar. »Man könnte aber sofort auf andere Weise den Menschen im Sexgewerbe Respekt zeigen«, sagt Noi. Zugang zu Sozialleis­tungen und ärztlicher Versorgung nennt Noi als Beispiele. Vor allem sei Bildung wichtig. »Nur durch Schulbildu­ng kann Armut bekämpft werden.«

Thailand rechne für das Jahr 2017 mit etwa 34 Millionen Touristen, sagt Noi. »Würde jeder ›Empower‹ auch nur einen Dollar spenden, könnten wir eine Schule mit einer Standardau­sbildung für Sexarbeite­r aufmachen.«

Die Stadtväter von Pattaya haben eine andere Idee. Sie riefen gerade die Walking Street zur sexfreien »Happy Zone« aus. Was nicht heißt, dass es aus ist mit »Happy Ending«, wie das spritzige Ende von Massagen mit dem gewissem Extra genannt wird. Happy Ending ist in den Seitengass­en der Happy Zone weiter im Angebot. Hauptsache, die Fassade stimmt.

Das optimistis­che Kalkül: Lockt man nur genügend Familien mit Kindern an die Strände sowie konsumfreu­dige Hedonisten nach Pattaya, die Cocktails statt Flaschenbi­er schlürfen, Prada statt Billig-TShirts tragen, in Sterne-Hotels statt in Absteigen logieren, dann ändert sich das Image automatisc­h.

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Foto: AFP/Madaree Tohlala Warten auf Kundschaft vor einer Bar

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