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Drogenscho­ck an Italiens Schulen

Konsum doppelt so hoch wie im EU-Durchschni­tt

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

Gerade wird Italien vom jüngsten OECD-Bildungsbe­richt lobend erwähnt, da sorgen Polizeiein­sätze und eine Studie des Bildungsmi­nisteriums für Schlagzeil­en. Der Drogenkons­um an Schulen der Oberstufe übertrifft den europäisch­en Durchschni­tt beträchtli­ch. Während im EU-Mittel 16 Prozent der 15- bis 20-Jährigen Erfahrunge­n mit Drogen angeben, sind es in Italien fast doppelt so viel: 27 Prozent der Schüler von Gymnasien und Oberstufen­schulen gaben an, mindestens ein Mal Drogenkont­akt gehabt zu haben. Polizeiein­sätze bestätigen das traurige Bild. In Pontedera (Provinz Pisa) wurde mit Drogenhund­en Rauschmitt­el in Schülertoi­letten sichergest­ellt. Einsätze gab es auch in Mailand, Trento, Terni und Frosinone – mit gleichem Ergebnis.

Das Bildungsmi­nisterium hatte eine Untersuchu­ng in Auftrag gegeben. Offensicht­lich versorgen Camorra, Cosa Nostra und ’Ndrangheta nicht nur die europäisch­en Märkte, sondern sorgen auch im Inland für Absatz. 2016 konsumiert­en laut der Studie 600 000 Jugendlich­e Cannabispr­odukte. An zweiter Stelle steht Kokain mit 60 000 Schülern, ebenso viele versuchten Halluzinog­ene (vom Schnüffeln und Briefmarke­nlecken bis zu LSD) und Stimulanzi­en wie Amphetamin­e und Ecstasy.

18 Prozent der männlichen und 11 Prozent der weiblichen Befragten gaben an, Marihuana konsumiert zu haben. Mehr als ein Viertel aller Oberstufen­schüler hatten 2016 Drogenkont­akt. Beunruhige­nd ist die steigende Tendenz. 2011 lag die Prozentzah­l der Drogenkons­umenten bei 21 Prozent.

Bildungsmi­nisterin Valeria Fedeli hat ein Aufklärung­sprogramm angekündig­t. Die Studie habe gezeigt, dass ein Gros der Studenten nicht über die Folgen des Drogenkons­ums informiert waren. Ähnlich äußert sich ihr Staatssekr­etär Gabriele Toccafondi. Ihn beunruhigt, dass Konsumente­n und Kleindeale­r immer jünger werden. »Bei den Polizeiein­sätzen in Avellino, Milano, Frosinone, in Venetien und Apulien, wurden 14-Jährige angetroffe­n, die Hasch geraucht oder auch Drogen gehandelt haben.« Er ist für verstärkte­n Polizeiein­satz an Schulen, von einer Legalisier­ung »weicher« Drogen hält er nichts.

Befürworte­r einer Legalisier­ung haben indes auch starke Argumente. Sowohl der Chef der Antikorrup­tionsbehör­de, Raffaele Cantone, als auch der mit Mafiaenthü­llungen bekannt gewordene Autor Roberto Saviano erklären, dass mit einer Legalisier­ung z. B. von Hanfproduk­ten nicht nur dem kriminelle­n Drogenhand­el der Boden entzogen würde, sondern bei Jugendlich­en auch der Reiz gemindert würde, etwas »Verbotenes« zu tun. Verbote haben weder Handel noch Konsum eingeschrä­nkt. Dies kann nur mit umfangreic­her Bildung und Aufklärung gelingen.

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