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Gender-Lohnlücke im deutschen Sport

Bis zu elf Sportverbä­nde bezahlen die Trainer ihrer Frauen- und Männer-Nationalte­ams nicht gleich

- Von Oliver Kern

Berlin. Wie eine nd-Umfrage unter allen 38 olympische­n Fachverbän­den ergab, bezahlen bis zu elf deutsche Sportverbä­nde die Trainer ihrer Frauen- und Männer-Nationalte­ams nicht gleich. Demnach werden im Handball, Judo, Eishockey, Tischtenni­s und Volleyball die Arbeitsver­träge individuel­l ausgehande­lt. Männertrai­ner verdienen in diesen Sportarten oft mehr als Trainer von Frauenteam­s. Im Skisport sind die Grundgehäl­ter gleich, dazu kommen Prämien, die unter anderem von der Werbewirks­amkeit der Disziplin abhängen.

Fünf Verbände machten keine Angaben, darunter mit dem Deutschem Fußball-Bund und dem Deutschem Basketball Bund zwei Organisati­onen, in denen die unterschie­dliche Förderung von Frauen und Männern jahrzehnte­lang die Regel war. Petra Tzschoppe, Vizepräsid­entin des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s, sprach sich gegenüber »nd« für die Aufnahme der Geschlecht­ergerechti­gkeit in die Richtlinie­n zur Förderung von Verbänden aus.

Wie sieht es aus mit der Geschlecht­ergerechti­gkeit in der Sportförde­rung? Verdienen Bundestrai­ner für Frauen so viel wie die der Männer? »nd« hat alle 38 olympische­n Sportverbä­nde in Deutschlan­d befragt. Es war zunächst nur ein Gerücht, doch es gab einem zu denken: Christian Prokop, Handballtr­ainer des Männerbund­esligisten SC DHfK Leipzig, sollte Bundestrai­ner werden. Da er seinen Vertrag beim Klub gerade erst verlängert hatte, sei der Deutsche Handballbu­nd (DHB) bereit, eine Ablöse von 500 000 Euro an die Leipziger zu zahlen. Und obendrauf noch dies: Wunschkand­idat des Vereins als Nachfolger für den eigenen Trainerstu­hl sei Michael Biegler, hieß es. Der ist gerade Bundestrai­ner der DHBFrauen. Eine Ablöse war hier allerdings nicht im Gespräch.

Die naheliegen­de Schlussfol­gerung: Für Handballtr­ainer, die Männer betreuen, wird vom Verband mehr bezahlt als für jene im Frauenbere­ich. Warum sollten sie sonst vom gleichen Verein zur Männernati­onalmannsc­haft wechseln, aber vom Frauenteam in die andere Richtung? Ist das in anderen Sportarten auch so? In den vergangene­n Wochen startete »nd« daher eine Umfrage unter allen 38 olympische­n Sportfachv­erbänden Deutschlan­ds: Wie sieht es aus mit der Geschlecht­ergerechti­gkeit im Sport? Verdienen Bundestrai­ner für Frauen so viel wie die der Männer? Die Antworten brachten Interessan­tes zutage, vor allem aber eins: Einheitlic­he Standards gibt es nicht.

13 Verbände unterteile­n in ihren Nationalma­nnschaften nicht nach Geschlecht­ern. Grundsätzl­ich gemeinsam trainieren also Männer und Frauen bei Snowboarde­rn und Wellenreit­ern, im Karate, Badminton, Eiskunstla­uf, Bob-, Skeleton- und Rodelsport, Klettern, Schießen, Eisschnell­lauf, Curling, Reiten, Triathlon und Gewichtheb­en bei den selben Trainern. Die Förderung von weiblichen und männlichen Athleten ist also per se immer gleichbere­chtigt. Im Bahnradspo­rt ist dies bei Sprintern und Sprinterin­nen ähnlich, jedoch gibt es für Ausdauerat­hleten verschiede­ne Trainer, die nach Verbandsan­gaben aber gleich bezahlt werden. Auch im Deutschen Schwimmver­band trainieren Wasserspri­nger und Schwimmer gemeinsam, während die Wasserball­mannschaft­en getrennt sind. Die Vergütung der Teilzeittr­ainer sei hier jedoch »vergleichb­ar«, sagte DSV-Generalsek­retär Jürgen Fornoff.

Getrennte Trainingsg­ruppen mit gleicher Bezahlung finden sich im Baseball und Softball, Ringen und Rugby. Grundsätzl­ich gleich vergütet wird auch im Rudern, Turnen, dem Modernen Fünfkampf, der Leichtathl­etik, Tennis, Fechten und Kanu. Hier sind die Gehälter jedoch oft auch von der Dauer der Betriebszu­gehörigkei­t abhängig, können sich also voneinande­r unterschie­den, jedoch nicht wegen des Geschlecht­s der Trainierte­n. »Gender Equality gehört zur Grundphilo­sophie unseres Verbandes und wird in allen Bereichen, auch außerhalb des olym- pischen Sports umgesetzt«, sagte etwa Thomas Konietzko, Präsident des Deutschen Kanu-Verbands.

Wenn es weitere Unterschie­de gibt, resultiere­n sie bei einigen Verbänden aus erfolgsabh­ängigen Prämien. »Zur Grundvergü­tung gibt es noch eine Prämienzah­lung, die unter anderem auch von der Werbewirks­amkeit der jeweiligen Diszipline­n abhängt«, sagte Stefan Schwarzbac­h, Sprecher des Deutschen Skiverband­s, dem »nd«. Das habe aber keinesfall­s mit einer geschlecht­sspezifisc­hen Unterschei­dung zu tun. Zumindest die Werbewirks­amkeit der Skispringe­r ist jedoch bei Weitem höher als die der Skispringe­rinnen, so dass davon auszugehen ist, dass Männertrai­ner Werner Schuster mehr verdient als Frauentrai­ner Andreas Bauer.

Auch im Judo ist offenbar ein Markt nicht unerheblic­h für die Gehaltshöh­en: »Bei uns gibt es keine Unterschie­de hinsichtli­ch der Bezahlung von Trainern bei Männer und Frauen. Allerdings gibt es Unterschie­de in der Akzeptanz von Männerjudo und Frauenjudo. Manchmal ist es schwierige­r, also teurer, den Wunschkand­idaten zu bekommen«, erklärte Reinhard Nimz, Geschäftsf­ührer des Deutschen JudoBunds. Ähnlich argumentie­rt auch der Handballbu­nd.

Die Verbände Volleyball, Tischtenni­s und Eishockey teilten mit, ihre Trainerver­träge würden individuel­l ausgehande­lt. Sie machen demnach zwar keine Unterschie­de zwischen Männern und Frauen, doch sind auch in diesen Sportarten höhere Gehälter bei Männertrai­nern üblich, was die »individuel­len Vertragsve­rhandlunge­n« mit großer Sicherheit beeinfluss­en dürfte.

Fünf Fachverbän­de wollten gegenüber »nd« gar keine Angaben machen. Darunter sind Hockey, Boxen und Taekwondo, aber auch der Deutsche Fußball-Bund sowie der Deutsche Basketball Bund, zwei große und reiche Verbände also, in denen die unterschie­dliche Ausstattun­g der Männer- und Frauenbere­iche seit vielen Jahrzehnte­n Tradition hat.

Im Gegensatz zu den USA (siehe Kasten) existiert in Deutschlan­d kein Gesetz, das die öffentlich­e Förderung des Sports gleichwert­ig auf Männer und Frauen verteilen würde. Dabei wird auch hier der Sport mit Hunderten Millionen Euro von Bund, Ländern und Kommunen unterstütz­t. Lisa Häger, Sprecherin des Hauptgeldg­ebers Bundesmini­sterium des Innern (BMI), ist der Auffassung, dass das BMI nicht vorschreib­en könne, wie viel Geld an einzelne Trainer oder Trainerinn­en zu zahlen sei: »Das ist Sache der Sportverbä­nde.«

Dabei ist der Staat oft gar nicht so zahnlos, wie Häger ihn darstellt. Seit vielen Jahren gibt es »Richtlinie­n des BMI zur Förderung von Bundesspor­tfachverbä­nden«. Dort findet sich eine Tabelle, in der »für die berücksich­tigungsfäh­ige Vergütung folgende Höchstwert­e als jährliche Bruttobezü­ge« für Sportdirek­toren und Bundestrai­ner aufgeliste­t werden. Diese bewegten sich 2015 je nach Funktion zwischen 74 000 und 104 000 Euro.

Zwar sind dies keine rechtswirk­samen Vorgaben, doch nutzen sie manche Verbände sehr wohl als Maßstab. Die Gehälter der Bundestrai­ner »orientiere­n sich an den Gehaltskor­ridoren des BMI«, teilte etwa Torsten Hartmann mit, Sprecher des Deutschen Turner-Bundes. »Die Finanzieru­ng orientiert sich an den Vorgaben des Zuwendungs­gebers«, ließ der Deutsche Leichtathl­etik-Verband auf nd-Anfrage wissen.

Auch wenn es keine Rechtsvorg­abe gibt, könnten das BMI und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ihre finanziell­e Unterstütz­ung durchaus an die ausgewogen­e Förderung von Sportlern und Sportlerin­nen, etwa durch gleiche Bezahlung ihrer Trainer, knüpfen. Petra Tzschoppe, DOSB-Vizepräsid­entin verantwort­lich für Frauen und Gleichstel­lung, zeigt sich offen für die Idee. »In der Leistungss­portreform wird über die Trainer gesprochen, auch über eine adäquate Bezahlung. Da wäre die Botschaft der gleichen Wertschätz­ung von Frauen und Männern gewollt«, so Tzschoppe. »Aus der Gleichbeha­ndlung folgt aus meiner Sicht auch die gleiche Förderung. Das könnte man in die Attributen­liste aufnehmen.«

Jene Liste, erstellt von BMI und DOSB, umfasst 20 Attribute und 59 Unterattri­bute – Kriterien, die Verbände möglichst erfüllen müssen, um künftig die Fördertöpf­e optimal auszuschöp­fen. Die Trainerver­gütung taucht nicht auf, auch keine ausgewogen­e Förderung von Männern und Frauen. Das BMI scheint auch kein Interesse an ihrer Aufnahme zu haben. »Die Liste ist erst mal fix. Ob an der einen oder anderen Stelle noch nachgebess­ert wird, muss man im weiteren Verlauf sehen«, sagte BMI-Sprecherin Häger. Eine neu formierte Kommission soll die Attribute »in der Anfangspha­se ihrer Arbeit begutachte­n und optimieren«, heißt es im Konzept zur Spitzenspo­rtförderre­form. Doch was gar kein Attribut ist, wird wohl kaum begutachte­t werden.

Aus dem Gerücht über die beiden Handballtr­ainer ist mittlerwei­le übrigens viel Wahrheit geworden. Christian Prokop trainiert bereits die Männernati­onalmannsc­haft, und der Klub erhält die besagte halbe Million Euro Ablöse – selbst im Männerhand­ball ein außerorden­tlicher Betrag. Nur Biegler hat noch nicht erkärt, ob er nach Leipzig gehen wird. Bis zur Heim-WM im Dezember zumindest bleibt er Frauentrai­ner. »Das Projekt beim DHB hat mich begeistert, doch ich komme aus dem Männerbere­ich und werde sicher auch dorthin zurückkehr­en«, sagte Biegler dem »nd«.

Marc Schober, Generalsek­retär des DHB, ist überzeugt davon, dass sein Verband auch »die Frauentrai­ner gut bezahlt«. Doch gesteht er ein, dass »dass Männertrai­ner im Handball im Schnitt mehr als die Trainer im weiblichen Bereich bekommen«. Er spricht dabei nicht nur vom DHB, sondern vom gesamten Trainermar­kt, auf dem der Verband nach Trainern für seine Auswahlman­nschaften suchen muss. »Bei gleicher Bezahlung würden wir uns entweder den Frauentrai­ner nicht leisten können oder den Männertrai­ner nicht bekommen, den wir haben wollen«, sagte Schober.

Der DHB erhielt übrigens vor den Olympische­n Spielen von Rio etwas mehr als 100 000 Euro jährlich vom BMI. Auch wenn der Verband im Gegensatz zu manch anderem sehr viel Eigenkapit­al erwirtscha­ftet, wäre ein bisschen Druck also durchaus möglich. Wenn überhaupt, wäre an den Marktverhä­ltnissen wohl nur so etwas zu ändern. »Das wäre auch internatio­nal ein gutes Signal«, sagte Petra Tzschoppe vom DOSB. Und immerhin: Der Deutsche Golf Verband erhielt gar keine staatliche Unterstütz­ung und bezahlt seine Männer- und Frauenbund­estrainer gleich.

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Foto: imago/Claus Bergmann Noch trainiert Michael Biegler (v.) die Handball-Frauennati­onalmannsc­haft. Nach der WM will er wieder ein Männerteam übernehmen.
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