Gender-Lohnlücke im deutschen Sport
Bis zu elf Sportverbände bezahlen die Trainer ihrer Frauen- und Männer-Nationalteams nicht gleich
Berlin. Wie eine nd-Umfrage unter allen 38 olympischen Fachverbänden ergab, bezahlen bis zu elf deutsche Sportverbände die Trainer ihrer Frauen- und Männer-Nationalteams nicht gleich. Demnach werden im Handball, Judo, Eishockey, Tischtennis und Volleyball die Arbeitsverträge individuell ausgehandelt. Männertrainer verdienen in diesen Sportarten oft mehr als Trainer von Frauenteams. Im Skisport sind die Grundgehälter gleich, dazu kommen Prämien, die unter anderem von der Werbewirksamkeit der Disziplin abhängen.
Fünf Verbände machten keine Angaben, darunter mit dem Deutschem Fußball-Bund und dem Deutschem Basketball Bund zwei Organisationen, in denen die unterschiedliche Förderung von Frauen und Männern jahrzehntelang die Regel war. Petra Tzschoppe, Vizepräsidentin des Deutschen Olympischen Sportbundes, sprach sich gegenüber »nd« für die Aufnahme der Geschlechtergerechtigkeit in die Richtlinien zur Förderung von Verbänden aus.
Wie sieht es aus mit der Geschlechtergerechtigkeit in der Sportförderung? Verdienen Bundestrainer für Frauen so viel wie die der Männer? »nd« hat alle 38 olympischen Sportverbände in Deutschland befragt. Es war zunächst nur ein Gerücht, doch es gab einem zu denken: Christian Prokop, Handballtrainer des Männerbundesligisten SC DHfK Leipzig, sollte Bundestrainer werden. Da er seinen Vertrag beim Klub gerade erst verlängert hatte, sei der Deutsche Handballbund (DHB) bereit, eine Ablöse von 500 000 Euro an die Leipziger zu zahlen. Und obendrauf noch dies: Wunschkandidat des Vereins als Nachfolger für den eigenen Trainerstuhl sei Michael Biegler, hieß es. Der ist gerade Bundestrainer der DHBFrauen. Eine Ablöse war hier allerdings nicht im Gespräch.
Die naheliegende Schlussfolgerung: Für Handballtrainer, die Männer betreuen, wird vom Verband mehr bezahlt als für jene im Frauenbereich. Warum sollten sie sonst vom gleichen Verein zur Männernationalmannschaft wechseln, aber vom Frauenteam in die andere Richtung? Ist das in anderen Sportarten auch so? In den vergangenen Wochen startete »nd« daher eine Umfrage unter allen 38 olympischen Sportfachverbänden Deutschlands: Wie sieht es aus mit der Geschlechtergerechtigkeit im Sport? Verdienen Bundestrainer für Frauen so viel wie die der Männer? Die Antworten brachten Interessantes zutage, vor allem aber eins: Einheitliche Standards gibt es nicht.
13 Verbände unterteilen in ihren Nationalmannschaften nicht nach Geschlechtern. Grundsätzlich gemeinsam trainieren also Männer und Frauen bei Snowboardern und Wellenreitern, im Karate, Badminton, Eiskunstlauf, Bob-, Skeleton- und Rodelsport, Klettern, Schießen, Eisschnelllauf, Curling, Reiten, Triathlon und Gewichtheben bei den selben Trainern. Die Förderung von weiblichen und männlichen Athleten ist also per se immer gleichberechtigt. Im Bahnradsport ist dies bei Sprintern und Sprinterinnen ähnlich, jedoch gibt es für Ausdauerathleten verschiedene Trainer, die nach Verbandsangaben aber gleich bezahlt werden. Auch im Deutschen Schwimmverband trainieren Wasserspringer und Schwimmer gemeinsam, während die Wasserballmannschaften getrennt sind. Die Vergütung der Teilzeittrainer sei hier jedoch »vergleichbar«, sagte DSV-Generalsekretär Jürgen Fornoff.
Getrennte Trainingsgruppen mit gleicher Bezahlung finden sich im Baseball und Softball, Ringen und Rugby. Grundsätzlich gleich vergütet wird auch im Rudern, Turnen, dem Modernen Fünfkampf, der Leichtathletik, Tennis, Fechten und Kanu. Hier sind die Gehälter jedoch oft auch von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig, können sich also voneinander unterschieden, jedoch nicht wegen des Geschlechts der Trainierten. »Gender Equality gehört zur Grundphilosophie unseres Verbandes und wird in allen Bereichen, auch außerhalb des olym- pischen Sports umgesetzt«, sagte etwa Thomas Konietzko, Präsident des Deutschen Kanu-Verbands.
Wenn es weitere Unterschiede gibt, resultieren sie bei einigen Verbänden aus erfolgsabhängigen Prämien. »Zur Grundvergütung gibt es noch eine Prämienzahlung, die unter anderem auch von der Werbewirksamkeit der jeweiligen Disziplinen abhängt«, sagte Stefan Schwarzbach, Sprecher des Deutschen Skiverbands, dem »nd«. Das habe aber keinesfalls mit einer geschlechtsspezifischen Unterscheidung zu tun. Zumindest die Werbewirksamkeit der Skispringer ist jedoch bei Weitem höher als die der Skispringerinnen, so dass davon auszugehen ist, dass Männertrainer Werner Schuster mehr verdient als Frauentrainer Andreas Bauer.
Auch im Judo ist offenbar ein Markt nicht unerheblich für die Gehaltshöhen: »Bei uns gibt es keine Unterschiede hinsichtlich der Bezahlung von Trainern bei Männer und Frauen. Allerdings gibt es Unterschiede in der Akzeptanz von Männerjudo und Frauenjudo. Manchmal ist es schwieriger, also teurer, den Wunschkandidaten zu bekommen«, erklärte Reinhard Nimz, Geschäftsführer des Deutschen JudoBunds. Ähnlich argumentiert auch der Handballbund.
Die Verbände Volleyball, Tischtennis und Eishockey teilten mit, ihre Trainerverträge würden individuell ausgehandelt. Sie machen demnach zwar keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen, doch sind auch in diesen Sportarten höhere Gehälter bei Männertrainern üblich, was die »individuellen Vertragsverhandlungen« mit großer Sicherheit beeinflussen dürfte.
Fünf Fachverbände wollten gegenüber »nd« gar keine Angaben machen. Darunter sind Hockey, Boxen und Taekwondo, aber auch der Deutsche Fußball-Bund sowie der Deutsche Basketball Bund, zwei große und reiche Verbände also, in denen die unterschiedliche Ausstattung der Männer- und Frauenbereiche seit vielen Jahrzehnten Tradition hat.
Im Gegensatz zu den USA (siehe Kasten) existiert in Deutschland kein Gesetz, das die öffentliche Förderung des Sports gleichwertig auf Männer und Frauen verteilen würde. Dabei wird auch hier der Sport mit Hunderten Millionen Euro von Bund, Ländern und Kommunen unterstützt. Lisa Häger, Sprecherin des Hauptgeldgebers Bundesministerium des Innern (BMI), ist der Auffassung, dass das BMI nicht vorschreiben könne, wie viel Geld an einzelne Trainer oder Trainerinnen zu zahlen sei: »Das ist Sache der Sportverbände.«
Dabei ist der Staat oft gar nicht so zahnlos, wie Häger ihn darstellt. Seit vielen Jahren gibt es »Richtlinien des BMI zur Förderung von Bundessportfachverbänden«. Dort findet sich eine Tabelle, in der »für die berücksichtigungsfähige Vergütung folgende Höchstwerte als jährliche Bruttobezüge« für Sportdirektoren und Bundestrainer aufgelistet werden. Diese bewegten sich 2015 je nach Funktion zwischen 74 000 und 104 000 Euro.
Zwar sind dies keine rechtswirksamen Vorgaben, doch nutzen sie manche Verbände sehr wohl als Maßstab. Die Gehälter der Bundestrainer »orientieren sich an den Gehaltskorridoren des BMI«, teilte etwa Torsten Hartmann mit, Sprecher des Deutschen Turner-Bundes. »Die Finanzierung orientiert sich an den Vorgaben des Zuwendungsgebers«, ließ der Deutsche Leichtathletik-Verband auf nd-Anfrage wissen.
Auch wenn es keine Rechtsvorgabe gibt, könnten das BMI und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ihre finanzielle Unterstützung durchaus an die ausgewogene Förderung von Sportlern und Sportlerinnen, etwa durch gleiche Bezahlung ihrer Trainer, knüpfen. Petra Tzschoppe, DOSB-Vizepräsidentin verantwortlich für Frauen und Gleichstellung, zeigt sich offen für die Idee. »In der Leistungssportreform wird über die Trainer gesprochen, auch über eine adäquate Bezahlung. Da wäre die Botschaft der gleichen Wertschätzung von Frauen und Männern gewollt«, so Tzschoppe. »Aus der Gleichbehandlung folgt aus meiner Sicht auch die gleiche Förderung. Das könnte man in die Attributenliste aufnehmen.«
Jene Liste, erstellt von BMI und DOSB, umfasst 20 Attribute und 59 Unterattribute – Kriterien, die Verbände möglichst erfüllen müssen, um künftig die Fördertöpfe optimal auszuschöpfen. Die Trainervergütung taucht nicht auf, auch keine ausgewogene Förderung von Männern und Frauen. Das BMI scheint auch kein Interesse an ihrer Aufnahme zu haben. »Die Liste ist erst mal fix. Ob an der einen oder anderen Stelle noch nachgebessert wird, muss man im weiteren Verlauf sehen«, sagte BMI-Sprecherin Häger. Eine neu formierte Kommission soll die Attribute »in der Anfangsphase ihrer Arbeit begutachten und optimieren«, heißt es im Konzept zur Spitzensportförderreform. Doch was gar kein Attribut ist, wird wohl kaum begutachtet werden.
Aus dem Gerücht über die beiden Handballtrainer ist mittlerweile übrigens viel Wahrheit geworden. Christian Prokop trainiert bereits die Männernationalmannschaft, und der Klub erhält die besagte halbe Million Euro Ablöse – selbst im Männerhandball ein außerordentlicher Betrag. Nur Biegler hat noch nicht erkärt, ob er nach Leipzig gehen wird. Bis zur Heim-WM im Dezember zumindest bleibt er Frauentrainer. »Das Projekt beim DHB hat mich begeistert, doch ich komme aus dem Männerbereich und werde sicher auch dorthin zurückkehren«, sagte Biegler dem »nd«.
Marc Schober, Generalsekretär des DHB, ist überzeugt davon, dass sein Verband auch »die Frauentrainer gut bezahlt«. Doch gesteht er ein, dass »dass Männertrainer im Handball im Schnitt mehr als die Trainer im weiblichen Bereich bekommen«. Er spricht dabei nicht nur vom DHB, sondern vom gesamten Trainermarkt, auf dem der Verband nach Trainern für seine Auswahlmannschaften suchen muss. »Bei gleicher Bezahlung würden wir uns entweder den Frauentrainer nicht leisten können oder den Männertrainer nicht bekommen, den wir haben wollen«, sagte Schober.
Der DHB erhielt übrigens vor den Olympischen Spielen von Rio etwas mehr als 100 000 Euro jährlich vom BMI. Auch wenn der Verband im Gegensatz zu manch anderem sehr viel Eigenkapital erwirtschaftet, wäre ein bisschen Druck also durchaus möglich. Wenn überhaupt, wäre an den Marktverhältnissen wohl nur so etwas zu ändern. »Das wäre auch international ein gutes Signal«, sagte Petra Tzschoppe vom DOSB. Und immerhin: Der Deutsche Golf Verband erhielt gar keine staatliche Unterstützung und bezahlt seine Männer- und Frauenbundestrainer gleich.