Auf dem Fahrrad
Berlin schafft ein eigenes Gesetz für die Radinfrastruktur.
Der Senat macht ernst mit dem Projekt Fahrradstadt: Ein neues Gesetz soll mehr Berliner aufs Rad bringen. Die Opposition befürchtet, dass Radler und Autofahrer gegeneinander ausgespielt werden. Das Radeln in Berlin soll attraktiver, schneller und vor allem sicherer werden. Das ist der Kerngedanke des von der rot-rot-grünen Koalition geplanten Fahrradgesetzes. Am Donnerstag wurden die Eckpunkte des Vorhabens im Abgeordnetenhaus vorgestellt. »Erstmals wurden gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und den Fraktionen Eckpunkte für ein Radgesetz erarbeitet, in dem der Ausbau der Radinfrastruktur verbindlich festgeschrieben wird«, erklärte Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne). Immer mehr Menschen würden das Fahrrad für ihre täglichen Wege nutzen. Deswegen forderten sie auch zu recht, dass das Radeln sicherer und bequemer werde, so die Verkehrssenatorin.
Das Gesetz sieht vor, in den kommenden Jahren an allen Hauptstraßen und Verkehrsknotenpunkten si- chere und bis zu zwei Meter breite Radwege zu bauen. Diese können auf der Fahrbahn mit Pollern abgetrennt oder getrennt vom Autoverkehr verlaufen. Zusätzlich sollen 100 Kilometer Radschnellwege und 100 000 neue und diebstahlsichere Abstellmöglichkeiten insbesondere an Bahnhöfen geschaffen werden. An besonders wichtigen Verbindungen sollen Radfahrer Vorrang vor dem motorisierten Verkehr bekommen.
»Die verbindliche Fixierung von Fahrradstraßen und sicheren Radstreifen unterstreichen die Ziele des Projekts Fahrradstadt Berlin. Der Radverkehr wächst – zukünftig auch wegen der Politik des Senats«, sagte Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Mit dem neuen Radgesetz will der Senat den Anteil des Radverkehrs an allen Wegen bis 2025 auf mindestens 20 Prozent steigern. Bisher stellen Radler rund 13 Prozent aller Verkehrsteilnehmer.
»Das Fahrradgesetz ist ein Riesenschritt, um mehr Menschen aufs Rad zu bringen«, sagte Frank Masurat vom Vorstand des Berliner Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC). Es müsse jetzt darum gehen, das Gesetz schnellstmöglich zu verabschieden und die jährlich geplanten 51 Millionen Euro ab 2019 auch tatsächlich zu verbauen. Wenn alles gut läuft, könnte das Gesetz noch in diesem Oktober verabschiedet werden, wie Verkehrssenatorin Günther erklärte. Zunächst müssten aber noch einige Detailfragen geklärt werden.
»Das Radgesetz wird einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Berliner Klimaziele leisten«, sagte Harald Wolf (LINKE). Mit den beschlossenen Eckpunkten werde ein überfälliger Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik eingeleitet.
Die Grundlage für das Gesetz wurde gemeinsam in einem Dialogprozess vom rot-rot-grünen Senat, den Initiatoren des Volksentscheids Fahrrad, dem ADFC-Berlin und dem BUND erarbeitet. »Wenn das Gesetz in Kraft tritt, hat der Volksentscheid Fahrrad sein Ziel erreicht«, sagte Heinrich Strößenreuther von der Volksentscheidsinitiative.
Das Fahrradgesetz soll Teil des vom Senat geplanten Mobilitätsgesetzes zur Verkehrswende werden. »Das Gesetz ist eine Win-win-Situa- tion für alle Verkehrsteilnehmer. Wenn mehr Berliner auf das Rad umsteigen, werden Staus minimiert«, sagte Verkehrssenatorin Günther. Auch wenn durch die geplanten Maßnahmen Parklätze wegfallen würden – wie viele genau, könne derzeit nicht gesagt werden –, sei das Radgesetz nicht autofeindlich, ist Günther überzeugt.
Das sieht die Opposition im Abgeordnetenhaus selbstverständlich anders. »Was wir von Rot-Rot-Grün zur Verkehrspolitik hören, ist eine Bankrotterklärung«, sagte Florian Graf (CDU) in der Aktuellen Stunde des Parlaments. Das Radgesetz sei unausgewogen und spiele Autofahrer und Radler gegeneinander aus. Graf sprach von einer an »Klientelinteressen orientierten Verkehrspolitik« und einem »ideologischen Feldzug«, den Rot-Rot-Grün gegen die Autofahrer führe.
Henner Schmidt von der FDPFraktion stimmte in die Kritik mit ein: »Die Konzentration neuer Fahrradwege auf Hauptstraßen dient keinem: Sie nimmt dem Autoverkehr Fahrspuren weg und setzt die Radfahrer den Abgasen und dem Lärm des dichtesten Autoverkehrs aus.«
Ein Prüfstein, an dem Rot-Rot-Grün sich messen lassen will, ist die Verkehrspolitik. Das bundesweit erste Radgesetz könnte dazu ein Schritt sein. Auf dieser Seite beleuchten wir die Vorhaben – und die Kritik.