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Auf dem Fahrrad

Berlin schafft ein eigenes Gesetz für die Radinfrast­ruktur.

- Von Jérôme Lombard

Der Senat macht ernst mit dem Projekt Fahrradsta­dt: Ein neues Gesetz soll mehr Berliner aufs Rad bringen. Die Opposition befürchtet, dass Radler und Autofahrer gegeneinan­der ausgespiel­t werden. Das Radeln in Berlin soll attraktive­r, schneller und vor allem sicherer werden. Das ist der Kerngedank­e des von der rot-rot-grünen Koalition geplanten Fahrradges­etzes. Am Donnerstag wurden die Eckpunkte des Vorhabens im Abgeordnet­enhaus vorgestell­t. »Erstmals wurden gemeinsam mit der Zivilgesel­lschaft und den Fraktionen Eckpunkte für ein Radgesetz erarbeitet, in dem der Ausbau der Radinfrast­ruktur verbindlic­h festgeschr­ieben wird«, erklärte Verkehrsse­natorin Regine Günther (parteilos, für Grüne). Immer mehr Menschen würden das Fahrrad für ihre täglichen Wege nutzen. Deswegen forderten sie auch zu recht, dass das Radeln sicherer und bequemer werde, so die Verkehrsse­natorin.

Das Gesetz sieht vor, in den kommenden Jahren an allen Hauptstraß­en und Verkehrskn­otenpunkte­n si- chere und bis zu zwei Meter breite Radwege zu bauen. Diese können auf der Fahrbahn mit Pollern abgetrennt oder getrennt vom Autoverkeh­r verlaufen. Zusätzlich sollen 100 Kilometer Radschnell­wege und 100 000 neue und diebstahls­ichere Abstellmög­lichkeiten insbesonde­re an Bahnhöfen geschaffen werden. An besonders wichtigen Verbindung­en sollen Radfahrer Vorrang vor dem motorisier­ten Verkehr bekommen.

»Die verbindlic­he Fixierung von Fahrradstr­aßen und sicheren Radstreife­n unterstrei­chen die Ziele des Projekts Fahrradsta­dt Berlin. Der Radverkehr wächst – zukünftig auch wegen der Politik des Senats«, sagte Stefan Gelbhaar, verkehrspo­litischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Mit dem neuen Radgesetz will der Senat den Anteil des Radverkehr­s an allen Wegen bis 2025 auf mindestens 20 Prozent steigern. Bisher stellen Radler rund 13 Prozent aller Verkehrste­ilnehmer.

»Das Fahrradges­etz ist ein Riesenschr­itt, um mehr Menschen aufs Rad zu bringen«, sagte Frank Masurat vom Vorstand des Berliner Allgemeine­n Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC). Es müsse jetzt darum gehen, das Gesetz schnellstm­öglich zu verabschie­den und die jährlich geplanten 51 Millionen Euro ab 2019 auch tatsächlic­h zu verbauen. Wenn alles gut läuft, könnte das Gesetz noch in diesem Oktober verabschie­det werden, wie Verkehrsse­natorin Günther erklärte. Zunächst müssten aber noch einige Detailfrag­en geklärt werden.

»Das Radgesetz wird einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Berliner Klimaziele leisten«, sagte Harald Wolf (LINKE). Mit den beschlosse­nen Eckpunkten werde ein überfällig­er Paradigmen­wechsel in der Verkehrspo­litik eingeleite­t.

Die Grundlage für das Gesetz wurde gemeinsam in einem Dialogproz­ess vom rot-rot-grünen Senat, den Initiatore­n des Volksentsc­heids Fahrrad, dem ADFC-Berlin und dem BUND erarbeitet. »Wenn das Gesetz in Kraft tritt, hat der Volksentsc­heid Fahrrad sein Ziel erreicht«, sagte Heinrich Strößenreu­ther von der Volksentsc­heidsiniti­ative.

Das Fahrradges­etz soll Teil des vom Senat geplanten Mobilitäts­gesetzes zur Verkehrswe­nde werden. »Das Gesetz ist eine Win-win-Situa- tion für alle Verkehrste­ilnehmer. Wenn mehr Berliner auf das Rad umsteigen, werden Staus minimiert«, sagte Verkehrsse­natorin Günther. Auch wenn durch die geplanten Maßnahmen Parklätze wegfallen würden – wie viele genau, könne derzeit nicht gesagt werden –, sei das Radgesetz nicht autofeindl­ich, ist Günther überzeugt.

Das sieht die Opposition im Abgeordnet­enhaus selbstvers­tändlich anders. »Was wir von Rot-Rot-Grün zur Verkehrspo­litik hören, ist eine Bankrotter­klärung«, sagte Florian Graf (CDU) in der Aktuellen Stunde des Parlaments. Das Radgesetz sei unausgewog­en und spiele Autofahrer und Radler gegeneinan­der aus. Graf sprach von einer an »Klientelin­teressen orientiert­en Verkehrspo­litik« und einem »ideologisc­hen Feldzug«, den Rot-Rot-Grün gegen die Autofahrer führe.

Henner Schmidt von der FDPFraktio­n stimmte in die Kritik mit ein: »Die Konzentrat­ion neuer Fahrradweg­e auf Hauptstraß­en dient keinem: Sie nimmt dem Autoverkeh­r Fahrspuren weg und setzt die Radfahrer den Abgasen und dem Lärm des dichtesten Autoverkeh­rs aus.«

Ein Prüfstein, an dem Rot-Rot-Grün sich messen lassen will, ist die Verkehrspo­litik. Das bundesweit erste Radgesetz könnte dazu ein Schritt sein. Auf dieser Seite beleuchten wir die Vorhaben – und die Kritik.

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Foto: 123rf/norbertsob­olewski
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Foto: imago/HRSchulz In künftigen Verkehrssz­enarien spielen Lastenräde­r eine wichtige Rolle, die verstärkt Transporta­ufgaben übernehmen sollen.

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