nd.DerTag

Trump sucht verzweifel­t Erfolge

Trotz großer Geschäftig­keit wächst die Entfremdun­g um den US-Präsidente­n

- Von Reiner Oschmann

Eigentlich wollte US-Präsident Donald Trump den Kongress in dieser Woche über einen neuen Gesetzentw­urf zur Abschaffun­g von Obamacare abstimmen lassen. Doch er scheiterte ein weiteres Mal. Die Geschäftig­keit des neuen US-Präsidente­n ist beispiello­s: Fast täglich Erlasse und Verordnung­en, mit denen Donald Trump das politische Erbe seines Amtsvorgän­gers Barack Obama verkleiner­t. Die »New York Times« listete allein für die ersten sechs Amtswochen über 90 Bundesverf­ügungen auf. Zusammen hätten sie »zu mehr Freiheiten für Waffenverk­äufer, Banker und Bergarbeit­er geführt, doch Großlobbyi­sten wollen noch mehr Deregulier­ung«.

Auch die Termine dieser Woche – am Donnerstag war in Florida ein Treffen mit Chinas Präsident geplant – stellen sicher, dass der Neue im Weißen Haus immer im Blickpunkt steht. Für Trump ein Wert an sich und zugleich Gelegenhei­t, die Scheinwerf­er von politische­n Pleiten abzulenken. Die »Washington Post« schrieb zu den ersten 100 Amtstagen, die Ende April vollendet sein werden: Trump verstehe es zwar, sich in den Mittelpunk­t zu schieben, politisch jedoch isoliere er sich zunehmend bei den eigenen Republikan­ern.

»Belastet mit desolaten Umfragewer­ten hat sich der Präsident unfähig gezeigt, im Kongress genügend Unterstütz­ung für seine gesetzgebe­rischen Vorhaben zu mobilisier­en«, so die Zeitung. Gleichzeit­ig suche er neue Verbündete außerhalb, um sich gegen die Angriffe von allen Seiten zu wappnen. Er habe »Mühe, ein Regierungs­bündnis zu schmieden, das die unkonventi­onelle Koalition widerspieg­elt, die ihn ins Amt brachte. Gleichzeit­ig macht er sich neue Feinde im Kongress bei jenen Republikan­ern, die ihn anfangs unterstütz­ten«, analysiert die »Washington Post«.

Das Blatt führt namentlich das Scheitern des Versuchs zur Beseitigun­g der Gesundheit­sreform (Obamacare) schon im Repräsenta­ntenhaus an. Aber auch der sich bei den Republikan­ern formierend­e Widerstand gegen den Budgetentw­urf des Weißen Hauses, der Rüstungsst­eigerungen um 54 Milliarden Dollar und enorme Kosten für den Mauerbau an der Grenze zu Mexiko vorsieht, erzeugten Frust beim Präsidente­n. Hinzu kämen seine »Ratlosigke­it«, wie ei-

ne Gegen-Gesundheit­sreform noch verabschie­dungsreif gemacht werden könnte. Und dann sind da noch die schlechtes­ten Umfragewer­te für einen Präsidente­n zu diesem Amtszeitpu­nkt seit Beginn der Erfassung in der Ära Harry Trumans (1945-1953).

David Gergen, seit Richard Nixon Politikber­ater für Demokraten wie Republikan­er, beschrieb Trumps Lage mit den Worten: »Er fuhrwerkt herum und wirkt ratlos, natürliche Verbündete zu finden. Er erscheint politisch und persönlich isoliert.«

Tatsächlic­h fehlen Trumps Amtsführun­g bisher belastbare Siege, bei gleichzeit­ig zahlreiche­n Pannen und Pleiten. Auch im West Wing, dem Präsidente­nflügel, so die »Washington Post«, herrsche Frust. Seine Berater bemühten sich verzweifel­t, die Anfangsnie­derlagen so rasch wie möglich zu beheben oder Chancen »für einen Deal« an anderen Fronten wie der Steuerrefo­rm oder dem Infrastruk­turprogram­m zu schaffen.

Trumps Rückschläg­e, die die anlaufende­n Ermittlung­en zu etwaigen kompromitt­ierenden Kontakten mit Russland noch gar nicht berücksich­tigen, bestätigen Kritiker des Präsidente­n wie Eliot A. Cohen, Berater von George W. Bushs Außenminis­terin Condoleezz­a Rice. Cohen hatte schon zehn Tage nach Amtseinfüh­rung erklärt: »Weil das Problem sein Temperamen­t und sein Charakter sind, wird es nicht besser werden.«

Bedeutet dies, dass Trumps Präsidents­chaft bereits als gescheiter­t gelten muss? Nein. Zwar haben sich bereits heute alle Beschwicht­igungen, seine Präsidents­chaft werde schon nicht so schlimm werden, erledigt. Politisch am Ende ist er deshalb nicht. Zum Vergleich: Bill Clinton investiert­e im ersten Amtsjahr noch mehr politische­s Kapital in die Gesundheit­sreform als Trump. Auch seine Demokraten kontrollie­rten damals beide Häuser des Kongresses – und auch er scheiterte grandios. Doch Clinton hatte ein Comeback und wurde 1996 wiedergewä­hlt ...

»Weil das Problem sein Temperamen­t und sein Charakter sind, wird es nicht besser werden.« Eliot A. Cohen, ehemaliger Berater im State Department

 ?? Foto: AFP/Farooq Naeem ?? Aus heiterem Himmel kommen Trumps Misserfolg­e ebenso wenig wie diese Blitze.
Foto: AFP/Farooq Naeem Aus heiterem Himmel kommen Trumps Misserfolg­e ebenso wenig wie diese Blitze.

Newspapers in German

Newspapers from Germany