Unüberhörbar, unübersehbar
Neue Untersuchung zum Kasseler NSU-Mord belastet Ex-Verfassungsschützer
Kassel. Im Münchner NSU-Prozess wollen die Nebenkläger des Kasseler NSU-Mordopfers Halit Yozgat voraussichtlich am 10. Mai neues Beweismaterial präsentieren. Es solle die bisherigen Aussagen des früheren hessischen Verfassungsschutzmitarbeiters Andreas Temme widerlegen, sagte Ayse Gülec von der »Initiative 6. April« am Donnerstag in Kassel. Yozgat war am 6. April 2006 in seinem Internetcafé von einem mutmaßlichen NSU-Täter erschossen worden.
Eine Untersuchung des Forschungslabors »Forensic Architecture« der Universität London zeige, dass Temme, der unmittelbar vor dem Mord am Tatort anwesend war, sowohl den tödlichen Schuss gehört als auch die Leiche von Halit Yozgat gesehen haben müsse, sagte Gülec. Temme hat bisher wiederholt bestritten, etwas gehört oder gesehen zu haben. Das Münchner Gericht stuft seine Aussagen bisher als glaubwürdig ein.
Bei der Untersuchung sei das Internetcafé komplett nachgebaut worden, sagte Christina Varvia von »Forensic Architecture«. Sowohl eine nachgestellte Kamerafahrt in Augenhöhe Temmes sowie ein Digitalmodell hätten eindeutig gezeigt, dass der V-Mann den kurz zuvor erschossenen Yozgat gesehen haben müsse. Auch der Schuss, der an Temmes Sitzplatz im Café mit einer Lautstärke von mindestens 86 Dezibel ankam, sei nicht zu überhören gewesen. Dies hätten auch vier andere Zeugen aus dem Café bestätigt.
Was tatsächlich am 6. April in dem Internetcafé geschah, sei aber nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen. »Wir wissen immer noch nicht, wer die Täter sind«, bilanzierte Gülec.