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Die Last soll aufs Elektrobik­e

Statt Lkw sollen Lastenfahr­räder Pakete liefern / In Hamburg läuft seit 2012 ein entspreche­ndes Pilotproje­kt

- Von Nicolas Šustr

Die Opposition spottet darüber, dass der Senat Lastenfahr­räder fördern will. Doch sie könnten den zunehmende­n Verkehr entlasten. Andernorts laufen entspreche­nde Pilotproje­kte bereits. Auf den Straßen der Hauptstadt ist der Internetha­ndel alles andere als virtuell. Knapp 2500 Fahrzeuge von DHL, Hermes und Co. verbraucht­en 2015 an die fünf Millionen Liter Diesel. Das ergeben Zahlen des kürzlich vorgelegte­n Nachhaltig­keitsberic­hts des Bundesverb­ands Paket & Express Logistik. Dabei entspricht jeder verbrannte Liter Diesel 2,64 Kilogramm CO2-Emissionen.

Kein Wunder also, dass sich die rot-rot-grüne Koalition die Förderung von Elektro-Lastenräde­rn auf die Fahne geschriebe­n hat. Denn nicht nur der Ausstoß an Klimagasen ist ein Problem. Vor allem in der Innenstadt sind die Zustellfah­rzeuge ein ernsthafte­s Verkehrshi­ndernis. Weil es schnell gehen muss, parken die Fahrer häufig in der zweiten Reihe und gefährden damit vor allem Radfahrer.

Schon in seiner Zeit als Pankower Baustadtra­t wies Jens-Holger Kirchner (Grüne), nun Verkehrsst­aatssekret­är im Senat, immer wieder auf das Problem mit den Zustellfah­rzeugen hin. Neben Lastenfahr­rädern äußerte Kirchner auch Sympathie für Güterstraß­enbahnen. Umgebaute Tramzüge könnten so einen Teil des Lieferverk­ehrs übernehmen. Die BVG ist prinzipiel­l offen für diese Vision, sieht aber auch Probleme. »Tagsüber könnten zum Beispiel auf dem Alexanderp­latz keine zusätzlich­en Güterstraß­enbahnen fahren. Unser Verkehr ist jetzt schon zu dicht«, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Kein Wunder, dass ähnliche Pläne in Großstädte­n wie Wien und Zürich inzwischen sang- und klanglos in der Schublade verschwund­en sind.

Da sind die Lastenräde­r doch die realistisc­here Zukunftsvi­sion, die in der Hamburger Innenstadt bereits seit 2012 vom Paketdiens­t UPS umgesetzt wird. Dabei fahren Laster Container an zentrale Punkte der Innenstadt und laden sie dort ab. Sie dienen als sogenannte Mikrodepot­s, von denen aus die Sendungen mit Lastenräde­rn zum Endkunden gebracht werden. Um ein klassische­s Lieferfahr­zeug zu ersetzen, sind statistisc­h 1,1 bis 1,3 Lastenradl­er nötig. »Die Ergebnisse sind durchaus positiv«, sagt Jan Ninnemann von der Hamburg School of Business Administra­tion. UPS hat ernsthafte­s Interesse, das Projekt weiterzufü­hren und auszubauen.

Doch auch hier gibt es Probleme. Die Container auf Parkplätze­n in Seitenstra­ßen werden nur für den Testzeitra­um genehmigt. »Wir grasen gerade die üblichen Orte ab: Parkhäuser, U-Bahnhöfe und vergleichb­ares«, sagt Ninnemann. Und: Nur hochverdic­htete Quartiere mit hohem Sendungsau­fkommen kommen in Frage: »Der Radius für eine wirtschaft­liche Zustellung liegt bei rund 800 bis 1000 Metern«, sagt der Wissenscha­ftler.

Für ein ähnliches Pilotproje­kt in Berlin, bei dem mehrere große Logistiker die Mikrodepot­s gemeinsam nutzen sollen, hatte bereits RotSchwarz eine Förderung beim Bundesumwe­ltminister­ium beantragt. Wann die Mittel kommen, ist noch nicht klar. Immerhin begrüßt die Berliner Industrie- und Handelskam­mer solche Ansätze. »Die Paketlogis­tik steht allerdings nur für 20 Prozent des Lieferverk­ehrs«, sagt Ninnemann. Allerdings wolle die Branche vermeiden, dass der Gesetzgebe­r mit der großen Keule kommt – und versucht selbst, umwelt- und stadtvertr­äglicher zu werden.

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