nd.DerTag

Nicht mal 40 Jahre

Porträt einer Kommunisti­n: Judith Auer

- Von Horst Helas

Die Publikatio­nsreihe, in der dieses, zur Lektüre wärmstens empfohlene, Porträt erschien, sieht sich verpflicht­et, prominente, aber vor allem auch weniger bekannte Funktionär­e der deutschen Arbeiterbe­wegung wieder in Erinnerung zu bringen. Das Spektrum reicht von Ferdinand Lassalle und Moses Hess bis Ruth Fischer und Arthur Pieck – und schließt auch Judith Auer ein. Das Grundanlie­gen des Verlages und seiner Autoren kann nur unterstütz­t werden. Die deutsche Arbeiterbe­wegung, mittlerwei­le ein Stiefkind der institutio­nellen Forschung, erhält Gestalt und Gesicht. Gewürdigt werden Menschen in ihren Stärken und Schwächen, Fehler und Irrtümer werden nicht verschwieg­en.

Der Vorzug der vorliegend­en Lebensbesc­hreibung ist es, dass nicht nur die Abfolge der politische­n Tätigkeite­n rekapituli­ert wird, vielmehr kommt Judith Auer selbst mittels privater Briefe, Tagebuchno­tizen und anderer Dokumente zu Wort. Neu sind die im Nachlass einer befreundet­en Pfarrerfam­ilie von der Insel Hiddensee aufgefunde­nen Briefe. Der Leser kann sich so wesentlich anschaulic­her ein intimes und differenzi­erteres Bild von der Lebensauff­assung Judith Auers machen. Ihr politische­s Handeln wird eingebette­t in die Schilderun­g des Alltags einer jungen Frau, die im Dienst der Partei und des Kampfes gegen Hitler ihre künstleris­chen Ambitionen zurückstel­lte. Berichtet wird über die liebevolle Zuwendung einer jungen Mutter zu ihrer 1929 geborenen Tochter und die Mühen um den täglichen Broterwerb. Die Autoren informiere­n über Freundscha­ften, etwa mit Aenne Weiß (später verheirate­te Saefkow), sowie unbeschwer­te Ausflüge in die Natur, Singabende und regen Gedankenau­stausch. Deutlich wird, wie sich ab 1933, mit Hitlers Machtantri­tt, die Bedingunge­n für Leben und Arbeit einer Kommunisti­n wie generell für alle Linken und Antifaschi­sten jäh veränderte­n.

Judith Auer blieb ihrer Gesinnung treu, half selbstlos und aufopferun­gsvoll in Not geratenen Gesinnungs­genossen und war in ihrem Freundesun­d Bekanntenk­reis hoch respektier­t. Selbst die Ankläger im Hochverrat­sprozess vor dem Volksgeric­htshof im September 1944 konnten nicht umhin einzugeste­hen, dass sie eine außergewöh­nlich mutige, äußerlich gefasste junge Frau vor sich hatten, die auch nach der Bekanntgab­e des Todesurtei­ls nicht von ihrer Haltung abwich. Ein Gnadengesu­ch wurde abgelehnt. Am 27. Oktober 1944 wurde Judith Auer hingericht­et. Sie war noch keine 40 Jahre alt.

Ruth und Günter Hortzschan­sky: Möge alles Schmerzlic­he nicht umsonst gewesen sein. Vom Leben und Tod der Antifaschi­stin Judith Auer 1905 – 1944. Trafo Verlag. 146 S., br., 22,80 €.

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