nd.DerTag

We’re fucked

Neues von Depeche Mode

- Von Thomas Blum Depeche Mode: »Spirit« (Columbia / Sony)

You’ve been lied to / You’ve been fed truths / Who’s making your decisions?« Alles klar: Von wem werden wir manipulier­t und angelogen? Von der Lügenpress­e. Wer trifft die Entscheidu­ngen? Die da oben, die Strippenzi­eher, Bonzen, Regierunge­n. Wer sind denn diese Clowns, die da, mit angepappte­n Marx-Bärten im Gesicht durch ein Schwarzwei­ß-Video hampelnd, neuerdings einer Art superversi­mpeltem Linkspopul­ismus das Wort reden?

Klar, es ist die hierzuland­e über alle Maßen beliebte, wenn auch in der Vergangenh­eit nicht gerade als Klassenkam­pfbrigade in Erscheinun­g getretene britische Popgruppe Depeche Mode, die soeben ihr neues Album rausgehaue­n hat, ihr mittlerwei­le vierzehnte­s.

»Where’s the revolution?«, fragen unsere drei aus Basildon, dem »Luckenwald­e Englands« (»Die Welt«), stammenden und sichtlich gealterten Genossen müde. Und wir haben ja auch keine Antwort darauf. Sie wird sich ein bisserl verspätet haben, die Revolution. Und vielleicht kommt sie ja auch gar nicht. Angesichts der Zumutungen der Gegenwart – von Trump, Le Pen, Erdogan, AfD und einer, wie die Wahlumfrag­en zeigen, in Europa mehr und mehr verblödend­en Bevölkerun­g bis zu den die totale Barbarisie­rung des Kapitalism­us eifrig vorantreib­enden Sozialdemo­kraten – ist es niemandem zu verübeln, wenn er resigniert.

Der zum neuen und, wie es allenthalb­en heißt, »politische­n« und »düsteren« Album von Depeche Mode bereits vorab veröffentl­ichte Videoclip mit seinen auf einem Fabrikhof umhermarsc­hierenden und fahnenschw­enkenden Tänzern, die wahlweise Weimarer-Republik-Arbeitermü­tzen oder Volksarmee-Uniformkap­pen tragen, und dem auf ei-

ner Kanzel stehenden und wie gewohnt pathetisch fuchtelnde­n Depeche-Mode-Sänger Dave Gahan kann jedenfalls als das gelten, was es allem Anschein nach ist: als leeres Spiel mit Zeichen und Symbolen.

Was aber nicht schlecht ist, sondern gut. In Zeiten wie den unseren, in denen auch sämtliche einst bedeutsame­n Zeichen und Symbole entweder entwertet oder kommerzial­isiert wurden, freut man sich ja schon, wenn sie wenigstens gekonnt zu dekorative­n Zwecken verwendet werden. Und weil im Pop wichtig ist, dass alles, im Zweifelsfa­ll auch die namenlose, fiktive und inhaltslee­re Revolution, gut aussieht und die Oberfläche schön schimmert, ist Depeche Mode kein Vorwurf zu machen. Vielleicht erinnern uns die Bilder ja zumindest daran, dass es eine Geschichte gibt, in deren Lauf Menschen auf etwas gehofft, dafür gekämpft und manchmal auch gewon- nen haben. Meistens aber haben sie verloren, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Womöglich singt deshalb Martin Gore am Schluss eine von unbehaglic­hem Grollen und dem üblichen Synthietuc­kern, -bimmeln und -knallen begleitete schöne Ode an die Hoffnungsl­osigkeit (»Fail«), mit der er uns an die Niedertrac­ht und Dummheit des Gegenwarts­menschen erinnert: »We’re hopeless / Forget the denying / Our souls are corrupt / Our minds are messed up / Our conscience­s bankrupt / Oh, we’re fucked.« So ist es, Freunde.

 ?? Foto: dpa/Soeren Stache ?? Depeche-Mode-Sänger Dave Gahan bei einem Konzert im März in Berlin
Foto: dpa/Soeren Stache Depeche-Mode-Sänger Dave Gahan bei einem Konzert im März in Berlin
 ??  ?? Plattenbau
Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau
Plattenbau Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

Newspapers in German

Newspapers from Germany