Falsch oder Fake?
Netzwoche
Es gibt Fake News und es gibt Falschmeldungen. Den Begriff »Fake News« aus dem Englischen ins Deutsche mit »Falschmeldung« zu übersetzen, träfe seine Bedeutung nämlich nicht richtig. Fake News bedeutet genau genommen »Gefälschte Meldung«. Falschmeldungen in großer Masse gab es schon im Zeitalter vor Erfindung des Internets. In Umlauf gesetzt haben sie Journalisten, Politiker, ja, sogar ganz profan jeder, der etwas aufgeschnappt hat, dies für wahr hielt und weiterverbreitete.
Es ist also falsch (!), wenn von vielen Medien dieser Tage die Meldung verbreitet wird, dass die ARD jetzt mit einem eigenen Portal – dem Faktenfinder ( faktenfinder.tagesschau.de) – »gegen gezielt gestreute Falschmeldungen vorgehe«. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, die ARD hat sich mit dem Faktenfinder das Ziel gesetzt, gefälschten Nachrichten eigene Recherchen entgegenzustellen und die Lüge zu entlarven. Zurzeit finden sich auf dem Portal etwa die Recherchen zu einer in den sozialen Netzwerken verbreiteten Meldung, im niedersächsischen Gifhorn sei ein Mann von Flüchtlingen niedergestochen worden. Die örtliche Polizei habe aber, so die ARD-Kollegen, die Nachricht längst dementiert. In der Folge hätten sich mehrere Personen gemel- det und sich dafür entschuldigt, dass sie die Meldung verbreitet haben. Für diese Personen gilt wiederum: Sie haben eine gefälschte Meldung verbreitet und damit eine Falschmeldung erzeugt!
Beim Online-Portal nordbuzz.de hält man die Idee der ARD grundsätzlich für gut und verweist auf ähnliche Faktencheck-Projekte anderer Medien (#ZDFcheck17, BR-Verifikation). Man zweifelt aber am Erfolg solcher Projekte und stellt sich die Frage: »Erreicht die geballte Ladung Aufklärung und Medienkompetenz auch die richtigen Adressaten? Denn wer schon ›Lügenpresse‹ und ›Systemmedien‹ krakeelt, wird sich wohl kaum vom didaktischen Angebot auf einer ARD-Homepage eines Besseren belehren lassen.«
Dass Fake News nicht gleich Falschmeldung ist, darauf weist auch Stephan Russ-Mohl auf der Journalisten-Plattform ejo.de hin. Das Problem solle besser unter dem Stichwort »Desinformation« verhandelt werden, weil es eben nicht um frei erfundene Nachrichten gehe, meint er. Der Medienwissenschaftler macht das u.a. an der Karriere eines Zitates von Niklas Luhmann fest. Ein von Medienforschern und Journalisten häufig zitierter Aphorismus des 1998 verstorbenen Großmeisters der Systemtheorie lautet folgendermaßen: »Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.« Das sei nicht falsch, schreibt RussMohl. Das Zitat sei jedoch unvollständig. Es erhalte einen ganz anderen Sinn, wenn man es um den fehlenden Teil ergänze. Der zweite Satz bei Luhmann laute nämlich so: »Andererseits wissen wir so viel über die Massenmedien, dass wir diesen Quellen nicht trauen können.« Ganz klar: Das halbierte Luhmann-Zitat ist keine Fake News, wohl aber eine Falschmeldung.