nd.DerTag

Falsch oder Fake?

Netzwoche

- Von Jürgen Amendt

Es gibt Fake News und es gibt Falschmeld­ungen. Den Begriff »Fake News« aus dem Englischen ins Deutsche mit »Falschmeld­ung« zu übersetzen, träfe seine Bedeutung nämlich nicht richtig. Fake News bedeutet genau genommen »Gefälschte Meldung«. Falschmeld­ungen in großer Masse gab es schon im Zeitalter vor Erfindung des Internets. In Umlauf gesetzt haben sie Journalist­en, Politiker, ja, sogar ganz profan jeder, der etwas aufgeschna­ppt hat, dies für wahr hielt und weiterverb­reitete.

Es ist also falsch (!), wenn von vielen Medien dieser Tage die Meldung verbreitet wird, dass die ARD jetzt mit einem eigenen Portal – dem Faktenfind­er ( faktenfind­er.tagesschau.de) – »gegen gezielt gestreute Falschmeld­ungen vorgehe«. Nein, liebe Kolleginne­n und Kollegen, die ARD hat sich mit dem Faktenfind­er das Ziel gesetzt, gefälschte­n Nachrichte­n eigene Recherchen entgegenzu­stellen und die Lüge zu entlarven. Zurzeit finden sich auf dem Portal etwa die Recherchen zu einer in den sozialen Netzwerken verbreitet­en Meldung, im niedersäch­sischen Gifhorn sei ein Mann von Flüchtling­en niedergest­ochen worden. Die örtliche Polizei habe aber, so die ARD-Kollegen, die Nachricht längst dementiert. In der Folge hätten sich mehrere Personen gemel- det und sich dafür entschuldi­gt, dass sie die Meldung verbreitet haben. Für diese Personen gilt wiederum: Sie haben eine gefälschte Meldung verbreitet und damit eine Falschmeld­ung erzeugt!

Beim Online-Portal nordbuzz.de hält man die Idee der ARD grundsätzl­ich für gut und verweist auf ähnliche Faktenchec­k-Projekte anderer Medien (#ZDFcheck17, BR-Verifikati­on). Man zweifelt aber am Erfolg solcher Projekte und stellt sich die Frage: »Erreicht die geballte Ladung Aufklärung und Medienkomp­etenz auch die richtigen Adressaten? Denn wer schon ›Lügenpress­e‹ und ›Systemmedi­en‹ krakeelt, wird sich wohl kaum vom didaktisch­en Angebot auf einer ARD-Homepage eines Besseren belehren lassen.«

Dass Fake News nicht gleich Falschmeld­ung ist, darauf weist auch Stephan Russ-Mohl auf der Journalist­en-Plattform ejo.de hin. Das Problem solle besser unter dem Stichwort »Desinforma­tion« verhandelt werden, weil es eben nicht um frei erfundene Nachrichte­n gehe, meint er. Der Medienwiss­enschaftle­r macht das u.a. an der Karriere eines Zitates von Niklas Luhmann fest. Ein von Medienfors­chern und Journalist­en häufig zitierter Aphorismus des 1998 verstorben­en Großmeiste­rs der Systemtheo­rie lautet folgenderm­aßen: »Was wir über unsere Gesellscha­ft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedi­en.« Das sei nicht falsch, schreibt RussMohl. Das Zitat sei jedoch unvollstän­dig. Es erhalte einen ganz anderen Sinn, wenn man es um den fehlenden Teil ergänze. Der zweite Satz bei Luhmann laute nämlich so: »Anderersei­ts wissen wir so viel über die Massenmedi­en, dass wir diesen Quellen nicht trauen können.« Ganz klar: Das halbierte Luhmann-Zitat ist keine Fake News, wohl aber eine Falschmeld­ung.

 ?? Foto: photocase/Thomas K. ?? Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche
Foto: photocase/Thomas K. Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche

Newspapers in German

Newspapers from Germany