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Arbeitsrec­hte ausgebrems­t

Für die Pflegekräf­te des Roten Kreuzes macht Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles eine Ausnahme vom Arbeitnehm­erüberlass­ungsgesetz

- Von Kerstin Ewald

Was ist nur so besonders an den Rotkreuzsc­hwestern? Als medizinisc­hes Fachperson­al pflegen sie Patienten an Krankenhäu­sern in ganz Deutschlan­d. Doch arbeitsrec­htlich haben sie einen Sonderstat­us. Am 1. April trat das neue Arbeitnehm­erüberlass­ungsgesetz in Kraft. Es soll Leiharbeit­er und Leiharbeit­erinnen besser absichern. Doch eine wesentlich­e Bestimmung des Gesetzes, die sogenannte Höchstüber­lassungsgr­enze von 18 Monaten, soll nicht für die Pflegekräf­te des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) gelten. Darauf verständig­ten sich Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) und DRKPräside­nt Rudolf Seiters. Die Sonderrege­lung soll im bestehende­n DRK-Gesetz aufgenomme­n werden.

Doch was ist nur so besonders an den rund 25 000 Schwestern und Pflegern mit dem roten Kreuz auf der Dienstklei­dung? Sie waschen und betten Kranke, messen Blutdruck, verabreich­en Medikament­e und überwachen die Monitore auf der Intensivst­ation wie andere Pflegekräf­te im deutschen Krankenhau­sbetrieb auch. Doch das DRK, dem Gesetz nach ein Tendenzbet­rieb, beanspruch­t eine historisch­e Sonderstel­lung in der Krankenhau­slandschaf­t für sich.

Diese Sonderstel­lung hat weitreiche­nde Auswirkung­en auf die Arbeitsbed­ingungen der Pflegekräf­te unter dem roten Kreuz. Sie sind nicht wie andere Pflegekräf­te bei der Klinikverw­altung angestellt, sondern werden als Vereinsmit­glieder des DRKs in sogenannte­n Gestellung­sverträgen an die medizinisc­hen Einrichtun­gen entliehen. Soweit die Parallele zu Leiharbeit­sfirmen. Doch leisten die DRKSchwest­ern in der Regel keine Zeitarbeit, denn ihre Beschäftig­ung ist meist auf Dauer angelegt. Ihre Bezahlung ist gewöhnlich an den Tarif des fest angestellt­en Pflegepers­onals angelehnt. Neben den gewöhnlich­en Abgaben gehen von ihrem Lohn al- lerdings noch 1,8 Prozent für den Mitgliedsb­eitrag im DRK ab.

Die DRK-Mitarbeite­rinnen – zu über 90 Prozent Frauen – im Pflegedien­st haben ein merkwürdig­es Alleinstel­lungsmerkm­al: Sie verfügen über keinen Arbeitsver­trag, traditione­ll stehen ihnen deshalb viele ordentlich­e Arbeitnehm­errechte nicht zu. An Betriebs- oder Personalra­tswahlen dürfen die Schwestern in der Regel nicht teilnehmen. Deutschlan­dweit sind die Rotkreuzpf­legekräfte an der Uniklinik Essen die einzigen, die sich vorangewag­t und an Betriebsra­tswahlen teilgenomm­en haben. 2014 haben DRK-Schwestern dort ihren allererste­n Betriebsra­t ge- gründet. Die Wahl wurde allerdings von der Essener Rotkreuzsc­hwesternsc­haft angefochte­n. Eine gerichtlic­he Entscheidu­ng steht noch aus.

Bei Konflikten im Betrieb oder innerhalb des DRKs ist den Schwestern seitens ihres Vereins der Gang zum Arbeitsger­icht verwehrt. »Im Falle eines Konfliktes mit einem entleihend­en Krankenhau­s kann sich eine Rotkreuzsc­hwester sowohl an ihre Oberin als auch an den Beirat ihrer DRKSchwest­ernschaft wenden«, erklärt das Rote Kreuz auf »nd«-Anfrage.

Die DRK-Mitglieder kämen mit dieser Situation gut klar, meinte der Generalsek­retär des DRK, Christian Reuter, in der ZDF-Sendung »Frontal 21«: »Wenn Sie sich beim Deutschen Roten Kreuz engagieren, haupt- oder ehrenamtli­ch, dann machen Sie das natürlich, weil Sie hinter den Zielen des Vereins stehen. Natürlich ist die Frage dann, sind Sie Arbeitnehm­er, sind Sie Vereinsmit­glied, nicht das Entscheide­nde.« Reuter selbst ist allerdings fest angestellt, wie er im Interview mit der Reporterin von »Frontal 21« zugab.

Arbeitsrec­htlich hängen die Rotkreuzsc­hwestern in einer Zwitterste­llung. Im Februar entschied das Bundesarbe­itsgericht, dass die Pfleger und Pflegerinn­en unter dem roten Kreuz Leiharbeit­erInnen sind. Dennoch gilt weiterhin eine Entschei- dung des Bundesverf­assungsger­ichts, deren zu Folge die DRK-Pflegekräf­te nicht als Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er gelten.

Die Gewerkscha­ft ver.di und kämpferisc­he Rotkreuzsc­hwestern haben den Zug, der die DRK-Mitarbeite­nden zu Arbeitnehm­ende mit vollen Rechten machen soll, bereits in Bewegung gesetzt. Die mutigen Betriebsra­tswahlen der Schwestern an der Essener Uniklinik und die jüngste Rechtsspre­chung können als Indiz hierfür gelten.

Das DRK selbst möchte seinen Sonderstat­us keinesfall­s aufgeben und argumentie­rt mit seiner Verpflicht­ung zum Katastroph­enschutz. Tatsächlic­h ist im DRK-Gesetz festgehalt­en, dass der Verein als »freiwillig­e Hilfsgesel­lschaft« Aufgaben wahrnimmt, »die sich aus den Genfer Rotkreuzab­kommen von 1949 und ihren Zusatzprot­okollen ergeben«. Dabei geht es um die »Unterstütz­ung des Sanitätsdi­enstes der Bundeswehr« und die »Ausbildung der Bevölkerun­g in Erster Hilfe und zu Pflegehilf­skräften«. Allerdings ist nicht ganz klar, wie diese Verpflicht­ung ordentlich­en Arbeitnehm­errechten entgegenst­eht. Die Ausnahme, die Arbeitsmin­isterin Nahles dem Roten Kreuz zugesteht, könnte hier falsche Signale setzen und den Zug der Rotkreuzsc­hwestern bremsen.

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Foto: dpa/Carsten Rehder DRK-Symbol auf einem Protesttra­nsparent

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