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Schwäbisch als Indiz

Mordfall Maria Bögerl schien geklärt – doch Festgenomm­ener wurde wieder freigelass­en

- Von Thomas Burmeister und Tatjana Bojic, Ellwangen dpa/nd

Seit Jahren sucht die Polizei nach dem Mörder von Maria Bögerl. Dann gibt es eine Festnahme. Es kommt Hoffnung auf, dass der Fall gelöst sein könnte. Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit, meint der Volksmund. Der Mordfall Bögerl schien deshalb kurz vor der Aufklärung zu stehen. In der ZDF-Sendung »Aktenzeich­en XY ... ungelöst« wird am Mittwochab­end eine Tonaufnahm­e eines Verdächtig­en abgespielt. Der Mann lallt, offenkundi­g ist er betrunken. Er will Maria Bögerl erstochen haben.

Wenn wirklich gestimmt hätte, was er im Juli 2016 zwei Männern in Hagen in Nordrhein-Westfalen erzählte – und dabei unwissentl­ich in einen Handyrekor­der sprach – , hätte einer der spektakulä­rsten Mordfälle der deutschen Kriminalge­schichte nach sieben Jahren wohl endlich zu den Akten gelegt werden können. Doch nicht einmal einen Tag nach seiner Festnahme war der Tatverdäch­tige am Donnerstag wieder auf freiem Fuß.

Der Mann sei ein »Spinner«, hörten Fotografen, die sein Wohnhaus in Königsbron­n bei Heidenheim ablich- teten, am Vormittag von Nachbarn. Dabei waren die Hoffnungen groß, nachdem Millionen von Zuschauern die ZDF-Sendung verfolgt hatten und wenig später dank Hinweisen aus der Bevölkerun­g der 47-jährige Verdächtig­e in seinem Wohnort festgenomm­en werden konnte. Der Ort liegt zehn Kilometer von Heidenheim entfernt, wo einst Familie Bögerl wohnte. Was der Mann auf dem Band sagte, zeugte durchaus von Ortskenntn­is.

Gab es also nach jahrelange­n Ermittlung­en, nach der Auswertung von rund 10 400 gesicherte­n Spuren und einer Datensamml­ung, die 25 Terabyte umfasst, endlich wieder eine greifbare Spur? Und deutete nicht vieles darauf hin, dass dies der Richtige war? Der Verdächtig­e redete, wie man auf einem vom Bundeskrim­inalamt freigegebe­nen Ausschnitt hören konnte, von einer militärisc­hen Ausbildung – in psychische­r Verteidigu­ng. Und von einem Messer vom Typ Aitor Jungle King.

Ob Maria Bögerl mit so einem Messer umgebracht wurde, ist ungeklärt. Gerichtsme­diziner könnten dazu keine konkreten Angaben mehr machen, so der leitende Ermittler Michael Bauer von der Polizei in Ulm. Als die Leiche gefunden wurde, war sie zu stark verwest. Es gab noch weitere Indizi- en: »Nach unserer Einschätzu­ng könnte dieser Unbekannte tatsächlic­h der Mörder von Maria Bögerl sein«, meinte Bauer. In seiner mehrstündi­gen Vernehmung bestritt der Verdächtig­e jede Schuld. Eine Speichelpr­obe gab er laut Polizei widerstand­slos ab. Sie wurde mit den Erbsubstan­zspuren, die 2010 an Tatorten gesichert wurden, abgegliche­n. Ergeb- nis: negativ. Die Enttäuschu­ng war Staatsanwa­lt Armin Burger anzumerken, als er sagte, »leider« habe der DNA-Test keine Übereinsti­mmung ergeben. Doch er betonte, dass die rasche Festnahme des Verdächtig­en aus Sicht der Ermittler absolut richtig war.

Schließlic­h sei es durchaus bemerkensw­ert, dass sich ein Mann mit bester Ortskenntn­is, da er ja aus der Umgebung des Tatorts stammt, am Rande eines Krankenhau­saufenthal­tes in Hagen unter Alkoholein­fluss mit dem Mord rühmte. Sogar sein Dialekt wurde von Burger zur Begründung angeführt: »Es ist natürlich ein Indiz gewesen, dass er schwäbisch gesprochen hat.« Das sollen seinerzeit auch die Kidnapper von Maria Bögerl getan haben. Die Ehefrau des damaligen Heidenheim­er Sparkassen­chefs war am 12. Mai 2010 aus ihrem Haus entführt worden. Die Täter verlangten 300 000 Euro. Die Übergabe des Lösegelds scheiterte. Anfang Juni 2010 fand ein Spaziergän­ger dann die verweste Leiche der 54-Jährigen an einem Waldrand bei Heidenheim. Ihr Ehemann tötete sich später selbst. Er war in Verdacht geraten, in den Fall verwickelt zu sein, was sich jedoch nicht erhärten ließ.

Zu den Fragen, die der Fall aufwirft, gehört diese: Warum haben die Ermittler bis April 2017 mit einem öffentlich­en Aufruf gewartet, wenn sie die Bandaufnah­me aus Hagen doch schon im Sommer 2016 auf dem Tisch hatten? Staatsanwa­lt Burger verweist darauf, dass die Kriminalis­ten keineswegs untätig gewesen seien. Um den »schwäbelnd­en« Verdächtig­en zu identifizi­eren, habe man unter anderem sämtliche Meldeämter abgegrast und umfangreic­he Akten der Rentenvers­icherung überprüft.

Der Mann sei ein »Spinner«, hörten Fotografen, die sein Wohnhaus in Königsbron­n ablichtete­n, von Nachbarn.

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