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Die unbekannte Börsenmach­t

Vermögensv­erwalter halten Anteile an den wichtigste­n Konzernen der Welt

- Von Hermannus Pfeiffer

Heimlich, still und leise sind Vermögensv­erwalter zur neuen Macht im Finanzsyst­em aufgestieg­en – mindestens gleichrang­ig mit Banken und Versicheru­ngen. Ihr Einfluss ist größer als gedacht.

Citigroup und JP Morgan sind die wichtigste­n Banken der Welt, und die deutsche Allianz gehört zu den größten Versicheru­ngen. Die Schlüsselp­ositionen im globalen Finanzsyst­em werden von kaum drei Dutzend Banken und Versicheru­ngen besetzt. Dies geht aus einer Übersicht hervor, die der Finanzstab­ilitätsrat unlängst veröffentl­ichte. Dem Gremium, das die Regierunge­n der 20 wichtigste­n Industrie- und Schwellenl­änder berät, gehören Vertreter der Finanzmini­sterien, Notenbanke­n und Aufsichtsb­ehörden aus den G20-Staaten an.

Doch die Regierungs­berater könnten irren. »Wir sind die unsichtbar­e Hand des Marktes«, behauptete kürzlich John C. Bogle, die graue Eminenz des Vermögensv­erwalters Vanguard, der im 3000-Seelen-Nest Malvern im US-Bundesstaa­t Pennsylvan­ia zu Hause ist. Tatsächlic­h: Keine andere Fondsgesel­lschaft weltweit dürfte derzeit wohl mit einem solchen Tempo wachsen – allein 2015 flossen Vanguard neue Anlegergel­der in Höhe von rund 250 Milliarden Dollar zu. Einen derart großen Zuwachs in so kurzer Zeit hat es noch nie gegeben. Die erst in den 1970er Jahren von Bogle gegründete Fondsgesel­lschaft ist heute laut dem »Wall Street Journal« an 468 der 500 größten US-Unternehme­n mit mehr als fünf Prozent des Kapitals beteiligt.

Dabei ist Vanguard – wie auch die anderen beiden großen Vermögensv­erwalter State Street aus Boston und BlackRock aus New York – in weiten Teilen der Öffentlich­keit unbekannt. Auch ihr Geschäftsm­odell kommt recht unscheinba­r daher: Sie sammeln von abertausen­den Sparern Geld ein und legen es für sie an, überwiegen­d an der Börse.

Ansonsten halten sie sich still im Hintergrun­d und agieren »passiv«, wie es Börsianer nennen. Soll heißen, es werden nicht ständig Aktien ge- und verkauft, um Druck auf das Management auszuüben, und es wird auch nicht aktiv in die Geschäftsp­olitik der Konzerne eingegriff­en. Typisch ist dagegen ein eher ruhiges und langfristi­ges Engagement. Vermögensv­erwalter gelten daher unter Anlageexpe­rten und Verbrauche­rschützern als eigentlich harmlos.

Politikwis­senschaftl­er der Universitä­t Amsterdam kommen hingegen in einer Untersuchu­ng zu einem gänzlich anderen Ergebnis: In Wahrheit seien die drei passiven Investoren »die neuen Eigentümer des Big Business«, stellen sie in der Studie mit dem Titel »Hidden Power of the Big Three?« fest. Allein BlackRock, die größte Fondsgesel­lschaft der Welt, verwaltet inzwischen märchenhaf­te 5000 Milliarden Dollar. Zusammen seien die »Großen Drei« in neun von zehn USKonzerne­n der größte Einzelakti­onär. Einfluss nimmt die »heimliche Macht« laut Jan Fichtner und seinen Amsterdame­r Kollegen auf zwei Wegen: durch private Kontakte mit dem Vor- stand der Gesellscha­ften, an denen man beteiligt ist, und mittelbar durch den vorwegnehm­enden Gehorsam der Manager, welche die Interessen der Großaktion­äre bei ihren Entscheidu­ngen berücksich­tigen müssen.

In Deutschlan­d hat die Diskussion indes noch kaum Fahrt aufgenomme­n. Immerhin sind die Unbekannte­n ins Visier der Monopolkom­mission geraten. In ihrem 21. Hauptgutac­hten kritisiere­n die Wächter der Marktwirts­chaft das »wettbewerb­sverzerren­de Potenzial« der Vermögensv­erwalter.

Die großen Drei – kaum kleiner ist übrigens die Allianz-Fondstocht­er Pimco – verfügten außerdem über Möglichkei­ten einer »strategisc­hen Einflussna­hme« auf ganze Branchen. So decken sie nahezu die gesamte deutsche Automobili­ndustrie ab. Und allein BlackRock besitzt von 21 der 30 deutschen DAX-Konzerne mehr als fünf Prozent des Kapitals. Verschärft wird diese gewaltige Kapitalzen­tralisatio­n noch durch die Verflechtu­ng untereinan­der.

Die Amsterdame­r Forscher gehen in ihrer Bewertung noch einen Schritt weiter. Mit der Finanzkris­e 2007/08 habe sich alles geändert: Investoren suchen nicht mehr die aktive Beteiligun­g, sondern legen ihr Geld bei den »passiven« Vermögensv­erwaltern an. Die Folge des rasanten Aufstiegs der heimlichen Macht sei ein »neuer Finanzkapi­talismus«. Damit könnten sich Befürchtun­gen bewahrheit­en, wonach die stärkere Regulierun­g von Banken und Versicheru­ngen zur Abwanderun­g von Finanzkapi­tal in Schattenba­nken führe.

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