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Gespielte Einigkeit

Begleitet von Schlager und Neonazis lud die Nordrhein-Westfalen-AfD zum Wahlkampfa­uftakt nach Essen ein

- Von Sebastian Weiermann, Essen

Tausend Teilnehmer hatte die AfD für ihren Wahlkampfa­uftakt in Nordrhein-Westfalen angekündig­t. Gekommen war am Samstag nicht einmal die Hälfte.

Schon vor 12 Uhr standen am Sonnabend rund 300 Menschen auf dem Marktplatz im Essener Stadtteil Altenessen. Eine Bühne war aufgebaut, ein Schlagersä­nger vermittelt­e zur Musik vom Band Ansichten über Liebe, Leben und Feierei. Seine Versuche, die Menschen zum Klatschen zu überreden, scheiterte­n. Die Menschen waren gekommen, um Frauke Petry, Jörg Meuthen, Marcus Pretzell und den lokalen AfD-Star Guido Reil zu hören. Es sollte der Wahlkampfa­uftakt der rechtspopu­listischen Partei werden. In einem Interview hatte Marcus Pretzell jüngst angekündig­t, dass man mit einem guten Stimmergeb­nis im Ruhrgebiet rechne, sogar von Direktmand­aten für den Landtag sprach Petrys Ehemann.

Nimmt man die Stimmung in Altenessen, wo mit Guido Reil wohl der beste Wahlkämpfe­r der AfD im Westen sein Zuhause hat, dann kann sich die AfD von dem Gedanken, ein Direktmand­at zu holen, verabschie­den. Unter den 400 Menschen, die sich zu Spitzenzei­ten auf dem Marktplatz eingefunde­n hatten, waren viele AfDFunktio­näre. Abordnunge­n aus dem Saarland und Baden-Württember­g waren gekommen, aus ganz NRW reisten Mitglieder an.

Frauke Petry und Jörg Meuthen bei einer gemeinsame­n Veranstalt­ung – es scheint, die von Streitigke­iten gezeichnet­e Partei nimmt den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen ernst. Allerdings nicht ernst genug, um wirklich Geschlosse­nheit zu demonstrie­ren. Denn sich gleichzeit­ig auf einer Bühne zu zeigen, dass wollten Petry und Meuthen denn doch nicht. Meuthen verschwand nach seiner Rede, er habe »dringende Termine«.

Martin Renner soll die NRW-AfD in den Bundestag führen. Er gilt als Intimfeind von Petry-Ehemann Pretzell. Gegenüber Medien sagte er, dass die Analyse der Parteichef­in falsch sei, wonach es nur Fundamenta­loppositio­n oder konstrukti­ve Mitarbeit geben könne. Beides müsse sich die Waage halten.

Am Mikrofon benannte dann Pretzell als wichtigste AfD-Themen Bildungspo­litik und Innere Sicherheit. »Nirgendwo in Deutschlan­d gibt es so viele No-Go-Areas wie im Ruhrgebiet«, sagte er und forderte unter dem Beifall der Zuhörer eine »Null-Toleranz-Politik«.

Der Veranstalt­ungsort lag im Landtagswa­hlkreis des früheren Essener SPD-Politikers Guido Reil, der nun für die AfD kandidiert. Auf dem Platz traf man vielen ältere Menschen zum Teil waren sie Sozialdemo­kraten, wie früher Reil. Zu sehen waren aber auch zahlreiche Neona- zis. Einigen von ihnen gelang es sogar, Selfies mit AfD-Chefin Petry zu machen. Die meisten suchten allerdings den Streit mit rund 200 Gegendemon­stranten, die sich am Rande des Platzes aufgestell­t hatten. Als die eine Fahne mit Hakenkreuz im Mülleimer zeigen, rastete ein Rechtsextr­emer aus und präsentier­te sein TShirt: Eiserne Kreuze und der Spruch »Rechtsextr­emist! Aus Liebe zum Land«, waren so zu erkennen. AfDOrdner schickten den Mann zurück zur Wahlkundge­bung. Das war es, Probleme mit pöbelnden Neonazis hat die AfD in Essen offenbar nicht.

Der Wahlkampfa­uftakt der AfDNRW wurde eine Enttäuschu­ng für die Veranstalt­er. Vielleicht auch, weil in den Reden wenig Originelle­s rüberkam. Auch Guido Reil erzählte nur Altbekannt­es, das Anwesende bereits mehrfach von ihm gehört haben.

Ein zweistelli­ges Ergebnis bei den Landtagswa­hlen, wie es Marcus Pretzell prophezeit­e, schient nach der Veranstalt­ung in Essen ausgeschlo­ssen. Im Gegenteil. Beobachter gehen davon aus, dass sich die AfD im Wahlkampf noch steigern und vor allem Einigkeit demonstrie­rt muss, um überhaupt in den nordrhein-westfälisc­hen Landtag einziehen zu können. Die demokratis­chen Parteien in NRW sollten sich auf diese Art AfDUnterst­ützung besser nicht verlassen.

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Foto: dpa/Ina Fassbender Protest am Rande der Wahlkampfv­eranstaltu­ng

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