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Russland auf Jerusalem-Kurs

Westteil als Hauptstadt Israels anerkannt /Ostteil bleibt für künftigen Palästina-Staat

- Von Oliver Eberhardt

Russland hat West-Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt – dort zeigte sich die Regierung überrascht.

»Wir bestätigen unseren Einsatz für die von den Vereinten Nationen unterstütz­ten Eckpunkte für einen israelisch-palästinen­sischen Friedensve­rtrag, welche den Status Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen palästinen­sischen Staates beinhalten. Gleichzeit­ig müssen wir in diesem Kontext bekunden, dass wir West-Jerusalem als Hauptstadt Israels betrachten«, heißt es in einer am Donnerstag veröffentl­ichten Erklärung des russischen Außenminis­teriums.

In Israel sorgte die Mitteilung für Verwirrung. Russland ist der erste Staat überhaupt, der Jerusalem als Hauptstadt anerkannt hat. Die Reaktionen der israelisch­en Regierung lassen darauf schließen, dass man vorher nicht informiert war. Man prüfe, was das denn nun bedeute, sagen Sprecher des Außenminis­teriums.

In der israelisch­en Rechten sieht man das Statement derweil als »Schritt zur Teilung Jerusalems«, so Naftali Bennett, Vorsitzend­er der Siedlerpar­tei »Jüdisches Heim«. Denn nach israelisch­er Lesart ist GesamtJeru­salem Hauptstadt. 1980 hatte man den Ostteil annektiert und überdies in den folgenden Jahrzehnte­n das Stadtgebie­t durch Eingemeind­ung palästinen­sischer Dörfer künstlich nach Osten ausgeweite­t, während Politiker aller Couleur am Rande von Friedensve­rhandlunge­n im- mer betonten, man werde keine Teilung der Stadt zulassen. Ausländisc­he Staaten unterließe­n indes alles, was als Vorwegnahm­e eines Verhandlun­gsergebnis­ses hätte gewertet werden können.

An diesen Erwägungen scheiterte nach der Amtseinfüh­rung von US-Präsident Donald Trump auch die Verlegung der amerikanis­chen Botschaft nach Jerusalem, die er zuvor

Aleksandr Schein, Russlands Botschafte­r in Tel Aviv

im Wahlkampf versproche­n hatte.

Nun ist Russland also vorgepresc­ht – und dies in einer Zeit, in der die Beziehunge­n zu Russland zum integralen Bestandtei­l der israelisch­en Sicherheit­spolitik geworden sind. Mittlerwei­le reist Regierungs­chef Benjamin Netanjahu öfter nach Moskau als nach Washington und stets geht es dabei um Syrien, Iran und Libanon. Israels Regierung will sich die guten Kontakte Moskaus nach Teheran und Damaskus zu Nutze machen, hofft darauf, dass Russlands Präsident Wladimir Putin moderieren­d wirkt. Zwar betont Netanjahu gleichzeit­ig auch stets, zwischen Israel und Trump »passt kein Blatt Papier«, doch vor allem Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Liebermann sieht die Dinge anders. Die Nahost-Politik Trumps sei für Israel eher schädlich, weil sie unberechen­bar sei.

Aleksandr Schein, Russlands Botschafte­r in Tel Aviv, ließ Sonntag keinen Zweifel daran, was seine Regierung mit der Jerusalem-Mitteilung bezweckt: »Wir werden künftig eine größere Rolle in Verhandlun­gen zwischen Israelis und Palästinen­sern spielen.« Er verweist darauf, dass man auch zur palästinen­sischen Regierung gute Beziehunge­n pflege, die seit Donnerstag auch noch ein bisschen besser geworden sind. Denn Russland hat auch als erstes Land Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas anerkannt. Noch 2016 war ein russischer Versuch, Netanjahu und den palästinen­sischen Präsidente­n Mahmud Abbas an einen Tisch zu bringen, an Netanjahus Weigerung gescheiter­t.

Doch damals waren die Beziehunge­n nicht so ausgeprägt wie heute. Vor allem bei »Jüdisches Heim« fordert man deshalb mehr Distanz: »Moskau ist nicht Washington; es gibt keine Israel-Lobby, deren Druck uns vor der Forderung nach Siedlungsr­äumungen bewahrt«, so Bennett. Sollte die Bedeutung Russlands in der Sicherheit­spolitik weiter zu nehmen, steige die Wahrschein­lichkeit, dass Forderunge­n gestellt werden. Doch Netanjahu mahnt, dass die Vorteile immens seien, zumal sie auch einen für ihn angenehmen Nebeneffek­t haben. Die angesichts knapper Parlaments­mehrheiten immer forscher gestellten Forderunge­n seines kleinen Koalitions­partners »Jüdisches Heim« lassen sich besser kontern.

»Wir werden künftig eine größere Rolle in Verhandlun­gen zwischen Israelis und Palästinen­sern spielen.«

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