Russland auf Jerusalem-Kurs
Westteil als Hauptstadt Israels anerkannt /Ostteil bleibt für künftigen Palästina-Staat
Russland hat West-Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt – dort zeigte sich die Regierung überrascht.
»Wir bestätigen unseren Einsatz für die von den Vereinten Nationen unterstützten Eckpunkte für einen israelisch-palästinensischen Friedensvertrag, welche den Status Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen palästinensischen Staates beinhalten. Gleichzeitig müssen wir in diesem Kontext bekunden, dass wir West-Jerusalem als Hauptstadt Israels betrachten«, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung des russischen Außenministeriums.
In Israel sorgte die Mitteilung für Verwirrung. Russland ist der erste Staat überhaupt, der Jerusalem als Hauptstadt anerkannt hat. Die Reaktionen der israelischen Regierung lassen darauf schließen, dass man vorher nicht informiert war. Man prüfe, was das denn nun bedeute, sagen Sprecher des Außenministeriums.
In der israelischen Rechten sieht man das Statement derweil als »Schritt zur Teilung Jerusalems«, so Naftali Bennett, Vorsitzender der Siedlerpartei »Jüdisches Heim«. Denn nach israelischer Lesart ist GesamtJerusalem Hauptstadt. 1980 hatte man den Ostteil annektiert und überdies in den folgenden Jahrzehnten das Stadtgebiet durch Eingemeindung palästinensischer Dörfer künstlich nach Osten ausgeweitet, während Politiker aller Couleur am Rande von Friedensverhandlungen im- mer betonten, man werde keine Teilung der Stadt zulassen. Ausländische Staaten unterließen indes alles, was als Vorwegnahme eines Verhandlungsergebnisses hätte gewertet werden können.
An diesen Erwägungen scheiterte nach der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump auch die Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem, die er zuvor
Aleksandr Schein, Russlands Botschafter in Tel Aviv
im Wahlkampf versprochen hatte.
Nun ist Russland also vorgeprescht – und dies in einer Zeit, in der die Beziehungen zu Russland zum integralen Bestandteil der israelischen Sicherheitspolitik geworden sind. Mittlerweile reist Regierungschef Benjamin Netanjahu öfter nach Moskau als nach Washington und stets geht es dabei um Syrien, Iran und Libanon. Israels Regierung will sich die guten Kontakte Moskaus nach Teheran und Damaskus zu Nutze machen, hofft darauf, dass Russlands Präsident Wladimir Putin moderierend wirkt. Zwar betont Netanjahu gleichzeitig auch stets, zwischen Israel und Trump »passt kein Blatt Papier«, doch vor allem Verteidigungsminister Avigdor Liebermann sieht die Dinge anders. Die Nahost-Politik Trumps sei für Israel eher schädlich, weil sie unberechenbar sei.
Aleksandr Schein, Russlands Botschafter in Tel Aviv, ließ Sonntag keinen Zweifel daran, was seine Regierung mit der Jerusalem-Mitteilung bezweckt: »Wir werden künftig eine größere Rolle in Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern spielen.« Er verweist darauf, dass man auch zur palästinensischen Regierung gute Beziehungen pflege, die seit Donnerstag auch noch ein bisschen besser geworden sind. Denn Russland hat auch als erstes Land Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas anerkannt. Noch 2016 war ein russischer Versuch, Netanjahu und den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas an einen Tisch zu bringen, an Netanjahus Weigerung gescheitert.
Doch damals waren die Beziehungen nicht so ausgeprägt wie heute. Vor allem bei »Jüdisches Heim« fordert man deshalb mehr Distanz: »Moskau ist nicht Washington; es gibt keine Israel-Lobby, deren Druck uns vor der Forderung nach Siedlungsräumungen bewahrt«, so Bennett. Sollte die Bedeutung Russlands in der Sicherheitspolitik weiter zu nehmen, steige die Wahrscheinlichkeit, dass Forderungen gestellt werden. Doch Netanjahu mahnt, dass die Vorteile immens seien, zumal sie auch einen für ihn angenehmen Nebeneffekt haben. Die angesichts knapper Parlamentsmehrheiten immer forscher gestellten Forderungen seines kleinen Koalitionspartners »Jüdisches Heim« lassen sich besser kontern.
»Wir werden künftig eine größere Rolle in Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern spielen.«