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Roma protestier­en gegen Abschiebep­raxis

Rund 100 Menschen gedachten am Welt-Roma-Tag der Verfolgung von Mitglieder­n der Minderheit

- Von Josephine Schulz

Die Asylanträg­e von Roma, die aus den Balkanländ­ern nach Deutschlan­d fliehen, werden meist als »offensicht­lich unbegründe­t« abgelehnt. Am Samstag demonstrie­rten sie gegen die Abschiebep­raxis.

Hinter einem großen Transparen­t mit der Aufschrift »Alle bleiben« läuft in vorderster Reihe eine Gruppe Roma. Dahinter Unterstütz­er, vor allem junge Menschen aus der antirassis­tischen Szene. Die winken mit Schildern mit Sprüchen wie »Erst kolonisier­en, dann abschieben«.

Rund einhundert Menschen demonstrie­rten am Samstag gegen Abschiebun­gen in sogenannte sichere Herkunftss­taaten. Sie forderten eine sichere Bleibepers­pektive für Roma in Deutschlan­d. Dazu aufgerufen hatte ein Bündnis aus Roma-Organisati­onen und antirassis­tischen Vereinen. Anlass war der internatio­nale Roma- Tag, zu dem jedes Jahr am 8. April in zahlreiche­n Ländern an die Verfolgung der Minderheit erinnert wird. Gleichzeit­ig wird die Bürgerrech­tsbewegung gewürdigt, die am 8. April 1971 mit dem Welt-Roma-Kongress in London ihren Anfang nahm. Dort ersetzten Vertreter der Minderheit aus 23 Staaten unter anderem die als abwertend empfundene Bezeichnun­g »Zigeuner« durch die Selbstbeze­ichnung »Roma« und legten eine internatio­nale Hymne und Flagge der Bewegung fest.

Nizaqete Bislimi, Vorsitzend­e des Bundesroma­verbandes und Anwältin für Asylrecht, sieht eine zunehmend restriktiv­ere Politik gegenüber Roma in Deutschlan­d. »Ihre Asylanträg­e werden im Schnellver­fahren abgehandel­t, sie kommen in Sonderlage­r und werden abgeschobe­n. Oder man legt ihnen nahe, unter einem gewissen Druck freiwillig auszureise­n.« Die sogenannte freiwillig­e Ausreise favorisier­t auch der neue rot-rot-grüne Senat, Abschiebun­gen sollen die Ultima Ratio sein. Nach Afghanista­n etwa finden von Berlin derzeit keine Rückführun­gen statt. In die Balkanstaa­ten gehen jedoch auch von der Hauptstadt aus Charterflü­ge mit abgelehnte­n Asylbewerb­ern.

Laut der Organisati­on Amaro Foro, die antizigani­stische Vorfälle in Berlin dokumentie­rt, finden diese in nahezu allen Lebensbere­ichen statt. Für das Jahr 2015 kam die Organisati­on auf rund 120 gemeldete Fälle, wobei von einer weit höheren Dunkelziff­er ausgegange­n wird. Ein wichtiger Aspekt ist demnach Diskrimini­erung beim Zugang zu Sozialleis­tungen, etwa durch außergewöh­nliche Verschlepp­ung der Antragsbea­rbeitung, ebenso Benachteil­igungen in der Bildung und auf dem Wohnungsma­rkt.

Im vergangene­n Jahr sprachen zum Welt-Roma-Tag vor dem Brandenbur­ger Tor Bundespoli­tiker wie der Bundespräs­ident Joachim Gauck und die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung Aydan Özoğuz. Sie bekräftigt­en die Verantwort­ung, sich für Schutz und Teilhabe der Roma in allen Staaten einzusetze­n. In diesem Jahr ist die Bühne vor dem Brandenbur­ger Tor kleiner, es sprechen vor allem Aktivisten aus der Community, die die Zusicherun­gen der Politiker nicht eingelöst sehen.

Der Berliner Senat hat sich in seinem Koalitions­vertrag zu stärkerem Engagement gegen Antizigani­smus verpflicht­et, seit Anfang des Jahres ist ein Rahmenvert­rag mit Selbstvert­retungsorg­anisatione­n der Roma im Gespräch. Die Landesvors­itzende der LINKEN, Katina Schubert, erklärt: »Die unterschie­dlichen Gruppen müssen in Berlin eine stärkere Stimme bekommen.« In den nächsten Monaten werde man mit Initiative­n beraten, wie höchstmögl­iche Teilhabe organisier­t werden könne.

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