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Die Genossen haben die Wahl

Werbetour um 60 000 Stimmen: Die Vorstandsk­ür bei der Bayern-SPD

- Von Christoph Trost, Landau an der Isar dpa/nd

Eigentlich gilt der Chefposten bei den bayerische­n Sozialdemo­kraten nicht als vergnügung­ssteuerpfl­ichtig. Trotzdem konkurrier­en nun fünf Männer und eine Frau darum. Jetzt darf abgestimmt werden.

Eines ist sicher: Dies ist die teuerste Vorstandsk­ür in der Geschichte der Bayern-SPD. 150 000 Euro lassen sich die Sozialdemo­kraten die Mitglieder­befragung kosten, die gerade begonnen hat und nun bis zum 11. Mai läuft. Alle knapp 60 000 SPD-Mitglieder im Freistaat dürfen abstimmen, wer Noch-Landeschef Florian Pronold nachfolgen soll. Auf sieben Vorstellun­gskonferen­zen haben sich die sechs Kandidaten den Mitglieder­n präsentier­t. Aber wer hat nun die besten Chancen – und wer ist eher Außenseite­r?

Freitagabe­nd in der Stadthalle in Landau an der Isar, grelles Scheinwerf­erlicht. Zum letzten Mal stehen die Kandidaten nun auf der Bühne, erst jeder allein zu einer zehnminüti­gen Vorstellun­gsrede, nachher gemeinsam, um sich Dutzenden Fragen aus dem Publikum zu stellen. Drei von ihnen sind schon Berufspoli­tiker, drei nicht.

Generalsek­retärin NATASCHA KOHNEN ist Pronolds Wunsch-Nachfolger­in – er hatte sie vorgeschla­gen. Sie gilt als Favoritin – wird aber als langjährig­e »Mitarbeite­rin« Pronolds auch für die wenig grandiose Lage der Bayern-SPD mitverantw­ortlich macht. Die 49-Jährige ist die Einzige, die an diesem Abend frei spricht. »Es ist Zeit für Gerechtigk­eit«, sagt sie, und dass die SPD für die Menschen »fühlbar sein« müsse. »Wir müssen eine Sprache sprechen, die die Menschen verstehen.« Kohnen erzählt von ihrem großen Ziel, aus einer jungen »Generation der Angst« eine »Generation der Zuversicht« zu machen.

Der Landtagsab­geordnete FLORIAN VON BRUNN sagt, er wolle die Bayern-SPD »wieder auf Erfolgskur­s bringen«. »Wir brauchen eine Vision, die wir den Menschen wieder verständli­ch rüberbring­en.« Und dafür brauche man »keine neuen Redewendun­gen, sondern einen echten Neustart«. Von Brunn fordert – anders als Kohnen – den ständigen Frontalang­riff auf die regierende CSU, wirft der bisherigen Parteispit­ze fehlendes Selbstvert­rauen vor. Man müsse »so angreifen, dass die CSU ständig un- seren heißen Atem im Nacken spürt«, sagt er.

Auch der scheidende Bundestags­abgeordnet­e KLAUS BARTHEL fordert eine Modernisie­rung der Bayern-SPD. Er spricht in Landau aber vor allem, und das fundiert, über Armut und Reichtum, über Arbeitsmar­ktund Rentenpoli­tik. Und weil ihm ab und an die Redezeit knapp wird, verweist er auf seine DinA4-Broschüre, die er draußen ausgelegt hat.

Die drei weiteren Kandidaten haben allenfalls Außenseite­r-Chancen, einer noch eher als die beiden anderen: Geht man nach dem Applaus in der Halle, ist MARKUS KÄSER von der SPD-Initiative »Zeit für die Mutigen« vielleicht so etwas wie der Kandidat der Herzen. Er steht im Pulli auf der Bühne, berichtet locker von seinen Erfahrunge­n in der Kommunalpo­litik – auch wenn nicht so richtig klar wird, wie sich das auf Bayern übertragen ließe. Käser verlangt einen kompletten Neuanfang. Der Sprecher der Münchner Tafel, GREGOR TSCHUNG, fordert vor allem einen Kampf gegen Armut im Freistaat. Der Kommunalpo­litiker ULI ASCHENBREN­NER aus Niederbaye­rn sagt: »Wer will, dass die Bayern-SPD so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt.« Die beiden wirken an dem Abend allerdings ziemlich nervös und fahrig.

Also wer wird das Rennen machen? Hört man sich in der SPD um, so gilt Kohnen nach wie vor als Favoritin. Aber nicht so klar, wie vielleicht mancher anfangs gedacht hätte – obwohl Kohnen den Großteil der Frauen hinter sich haben dürfte. Von Brunn sei der aussichtsr­eichste Gegenkandi­dat, sagt einer. Und auch Käser komme bei den Leuten an.

Das Ergebnis der Mitglieder­befragung soll am 12. Mai bekanntgeg­eben werden, ausgezählt von 100 Freiwillig­en. Offiziell gewählt wird der oder die neue Vorsitzend­e aber erst auf einem Parteitag am 20. Mai.

Zwei Varianten sind denkbar: Wenn einer oder eine von den sechs bei der Mitglieder­befragung auf mehr als 50 Prozent der Stimmen kommt, muss er oder sie auf dem Parteitag eigentlich nur noch formal bestätigt werden – spontane Gegenkandi­daten auf dem Parteitag hätten da keinerlei Chance. Kommt dagegen keiner auf mehr als 50 Prozent, gibt es auf dem Parteitag eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzi­erten. Dann würde es dort noch mal so richtig spannend.

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