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Zuerst ist Karlsruhe am Zug

Sachsen-Anhalt braucht ein neues Kita-Gesetz, will aber auf Vorgaben vom Bundesverf­assungsger­icht warten

- Von Dörthe Hein, Magdeburg dpa/nd

Sachsen-Anhalt hat ein exzellente­s Netz von Kitas mit langen Betreuungs­zeiten. Um die Finanzieru­ng und die Zuständigk­eiten wird aber gestritten – über letzteres am Mittwoch in Karlsruhe.

Sachsen-Anhalts Sozialmini­sterin Petra Grimm-Benne (SPD) warnt davor, bei der Überarbeit­ung des Kinderförd­erungsgese­tzes nur auf die Finanzen und Zuständigk­eiten zu schauen. Sie setzt vielmehr auch auf den Faktor Qualität. »Wir dürfen nicht zulassen, dass die anderen Bundesländ­er uns mit der Qualität und im Bereich der Gebührenfr­eiheit abhängen. Denn die gehen jetzt ganz forsch ran. Damit wir bestehen, müssen wir Qualitätss­tandards einhalten«, sagte Grimm-Benne in Magdeburg. Ihr gehe es dabei vor allem um das Betreuungs­verhältnis von Erziehern und Kindern.

An diesem Mittwoch wird sich das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe mit den Zuständigk­eiten für die Kitas in Sachsen-Anhalt befassen. Diese waren 2013 von den Gemeinden auf die Landkreise und kreisfreie­n Städte übertragen worden. Ursprüngli­ch sollten die Gemeinden trotzdem zur Hälfte die Kosten tragen – diese Regelung hatte das Landesverf­assungsger­icht aber bereits im Oktober 2015 gekippt. In Karlsruhe geht es noch um die Frage, ob die Neuordnung zu stark in das grundgeset­zlich verankerte Selbstverw­altungsrec­ht der Kommunen eingreift. Grimm-Benne, die selbst vor dem Verfassung­sgericht sprechen wird, sieht die damalige Entscheidu­ng nach wie vor als richtig an.

Die Urteilsfin­dung der Karlsruher Richter, die erfahrungs­gemäß einige Monate in Anspruch nimmt, wird den Gesetzgebu­ngsprozess in SachsenAnh­alt nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich beeinfluss­en. »Ich fände es sehr fahrlässig, wenn wir den Gesetzentw­urf erarbeiten, ohne die richterlic­he Entscheidu­ng abzuwarten«, sagte Grimm-Benne. Und auch der Wahlkampf bis zur Bundestags­wahl im September spiele eine Rolle: »In der Koalition haben wir uns entschiede­n, dass wir den Gesetzentw­urf erst nach der Bundestags­wahl vorlegen.« Ursprüngli­ch war das schon für das Frühjahr geplant.

Die Ministerin sagte weiter: »Wir müssen das Zwei-Lesungs-Prinzip im Landtag einhalten und wir hoffen, dass wir es im Dezember durch den Landtag bekommen.« Auf jeden Fall gelte: »Wir wollen die Fristen so einhalten, wie sie uns vorgegeben sind.« Das Landesverf­assungsger­icht hat dem Land bis Ende 2017 eine Neuregelun­g des KiFöG aufgetrage­n.

Zur Novellieru­ng sagte GrimmBenne: »Wir werden nichts machen, was zu weiteren Gebührenan­hebungen führt. Wir halten die Qualitätsk­riterien, die jetzt im Gesetz stehen, und wollen darum kämpfen, dass der Betreuungs­schlüssel tatsächlic­h eingehalte­n wird.« Bislang seien die Zeiten nicht einkalkuli­ert, in denen Erzieherin­nen krank sind, in Weiterbild­ung oder im Urlaub. »Wir überlegen verschiede­nste Varianten, wie man das nach und nach umsetzen kann.« Es gehe darum, dass tatsächlic­h – wie auf dem Papier – eine Krippenerz­ieherin auf fünf Kinder kommt, bei den über Dreijährig­en dann auf zwölf Kinder.

Einer möglichen Gebührenfr­eiheit erteilte die Ministerin für Sachsen-Anhalt vorerst eine Absage: »Die Wünsche nach der Gebührenfr­eiheit sind in der Gesellscha­ft verankert. Auch im politische­n Raum könnte man einen Konsens bekommen. Dann kommt das große Aber der Finanzieru­ng. Und da muss man ganz ehrlich sagen: Wir können das nicht schaffen ohne den Bund.« Eine Deckelung der Kosten für die Eltern auf der Höhe des Kindergeld­es peile sie an.

Grimm-Benne erwartet, dass es auch eine Diskussion über den Ganztagsan­spruch von bis zu zehn Stunden täglich für alle Kinder geben wird. »Die Vereinbark­eit von Familie und Beruf muss möglich sein. Das setzt Öffnungsze­iten voraus, die dem Anspruch Genüge tun, wenn die Eltern mehr Stunden brauchen.«

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