Mord mit Aussicht
Amnesty zählte ein Drittel weniger Hinrichtungen weltweit – 1031 Todesurteile vollstreckt
Die Zahl der Hinrichtungen ist weltweit erstmals seit langem gesunken. Amnesty International spricht von einer großen Dunkelziffer – wegen fehlender Angaben aus China.
Zwischen dem 17. und 27. April sollen im US-Bundesstaat Arkansas acht zum Tode verurteilte Häftlinge hingerichtet werden. Die hohe Zahl erklärt sich damit, dass bei einem der Mittel für die Giftspritze das Haltbarkeitsdatum abläuft. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International rief zu einer »Urgent Action« auf, um die Hinrichtungen zu stoppen. Der Aufruf ist nicht mit einer Rechtfertigung der Taten zu verwechseln, für die die Todeskandidaten verurteilt sind, sondern nährt sich aus der grundsätzlichen Ablehnung der Todesstrafe.
Aus dem gleichen Grund legt Amnesty regelmäßig Untersu- chungen über die Häufigkeit von Hinrichtungen vor. An diesem Dienstag ist es wieder soweit. Weltweit, so der Befund des Jahres 2016, sank die Zahl der Hinrichtungen um über ein Drittel auf 1031. 87 Prozent der Hinrichtungen fanden in vier Ländern statt: Iran (567), Saudi-Arabien (154), Irak (88) und Pakistan (87).
Spitzenreiter ist jedoch mutmaßlich China, das keine offiziellen Zahlen herausgibt. Vermutlich wurden in China auch 2016 wieder mehr Menschen hingerichtet, als im Rest der Welt zusammengenommen, heißt es in dem Bericht. Amnesty kritisierte die »Verschleierungspolitik« der chinesischen Regierung und spricht von tausenden Fällen. »Informationen zur Todesstrafe in China stehen per Gesetz als Staatsgeheimnis unter Verschluss«, erklärte Alexander Bojcevic, Experte bei Amnesty in Deutschland.
Die USA sind dem Bericht zufolge nicht länger unter den fünf Staaten mit den meisten Hinrichtungen – zum ersten Mal seit 2006. Demnach ging die Zahl der Exekutionen um fast 30 Prozent auf 20 zurück. Grund dafür seien teilweise Anfechtungsklagen, die dazu führten, dass Hinrichtungs- vorschriften für die Giftspritze geändert wurden, sowie Probleme mancher Bundesstaaten, sich die Chemikalien für Giftinjektionen zu beschaffen. In Arkansas etwa werden nach dem 30. April vorerst keine Todeskandidaten mehr hingerichtet werden. Nachdem Delaware im vergangenen Jahr die Todesstrafe abgeschafft hat, nehmen nun noch fünf US-Bundesstaaten Hinrichtungen vor.
2015 lag die Zahl der weltweit registrierten Hinrichtungen bei 1634. Das war eine Rekordzahl. Dem aktuellen Jahresbericht zufolge wird die Todesstrafe inzwischen in 141 Staaten nicht mehr angewendet: In 104 Ländern ist sie vollständig abgeschafft, sieben Staaten sehen die Todesstrafe nur noch für außergewöhnliche Straftaten wie Kriegsverbrechen oder Vergehen nach Militärrecht vor. In 30 Ländern ist die Todesstrafe in der Praxis, aber nicht im Gesetz abgeschafft.
Auch die Zahl der Länder, in denen Todesurteile gesprochen wurden, sank laut Amnesty im Vergleich zum Vorjahr von 61 auf 55. Allerdings stieg gleichzeitig die Gesamtzahl der Todesurteile drastisch auf 3117, nach 1998 im Jahr 2015. Dies ist auf einige wenige Staaten wie Nigeria, Kamerun, Sambia und Somalia zurückzuführen.
Dem Jahresbericht zufolge wird die Todesstrafe in 141 Staaten nicht mehr angewendet.