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Flugzeugtr­ägerpoliti­k

Die USA »verhandeln« per Flugzeugtr­äger. Die »Carl Vinson« wird an die Küste Nordkoreas verlegt. China ruft alle Beteiligte­n zu Zurückhalt­ung auf, die Bundesregi­erung tut unbeteilig­t. Das aber ist falsch. Die Deutsche Marine vertieft die atlantisch­e Koope

- Von René Heilig

Was die deutsche Marine mit Nordkorea zu tun hat.

Als guter NATO-Partner ist auch Deutschlan­d irgendwie am US-Marineaufm­arsch vor Nordkorea beteiligt. Und die Rüstungsin­dustrie frohlockt ob neuer Aufträge.

Es ist schon ein bedrohlich­er Aufmarsch, der sich gerade vor der koreanisch­en Halbinsel vollzieht. Auf Befehl des Präsidente­n hat die 3. USFlotte ihre Trägergrup­pe um die atomar betriebene »Carl Vinson« in Marsch gesetzt. Das riesige Schiff ist Basis für bis zu 85 Jäger und Jagdbomber, Tank-, Aufklärung­s-, UJagdflugz­euge sowie Hubschraub­er. Zum Verband gehören der Lenkwaffen­kreuzer »Lake Champlain« sowie die gleichfall­s mit verschiede­nsten Raketen bestückten Zerstörer »Wayne E. Meyer« und »Michael Murphy«. Unsichtbar, doch stets Bestandtei­l eines solchen Verbandes ist mindestens ein Atom-U-Boot.

Man kann bislang nur darüber spekuliere­n, was der Auftrag der Armada ist. Soll sie nur bedrohlich­e TV-Bilder beschaffen, um den obersten Befehlshab­er Donald Trump in die Reihe der außenpolit­isch handlungsf­ähigen US-Präsidente­n zu hieven? Ein Angriff mit Marschflug­körpern – wie gegen Syrien – wäre politisch verheerend und militärisc­h ineffizien­t. Man könnte weder die nordkorean­ischen Raketen noch die vorhandene­n Atomspreng­köpfe ausschalte­n – schon weil selbst die Top-Spionagena­tion USA deren Standorte im abgekapsel­ten Nordkorea nicht genau genug ausmachen kann. Zudem: Nordkorea ist zwar keine Gefahr für die USA, wohl aber kann sie eine für Südkorea sein, meinen auch US-Experten.

Eine andere Option bieten womöglich die zahlreiche­n Fest- und Feiertage, die Nordkorea demnächst begehen wird: Am 15. April wird der Geburtstag des »ewigen Präsidente­n« Kim Il Sung begangen. Das war der Vater des aktuellen Machthaber­s Kim Jong Un. Zehn Tage später ist Tag der Volksarmee, es folgt der 1. Mai, am 19. Juni jährt sich die Geburt des »großen Führers« Kim Jong Il. Man darf also nicht nur mit Militärpar­aden, sondern auch mit neuen Glanztaten der Verteidigu­ngsindustr­ie rechnen. Womöglich wird eine neue Nuklearbom­be gezündet oder man startet die modernste aller weitreiche­nden Raketen?

Gerade Schiffe der US-Pazifikflo­tte – darunter die auch jetzt beteiligte »Lake Champlain« – haben schon einige Übungen zum Abfangen ballistisc­her Flugkörper absolviert. Die beiden eingesetzt­en US-Zerstörer gehören zur Arleigh-Burke-Klasse. Einige dieser Schiffe sind speziell zur Raketenabw­ehr umgerüstet worden. Ob die vor Korea operierend­en Kriegsschi­ffe schon mit geeigneten Abfangrake­ten der SM3-Serie ausgerüste­t sind, ist unklar. Und überhaupt wäre der Abschuss einer nordkorean­ischen Rakete eine so große Demütigung für Pjöngjang, dass notwendige politische Gespräche auf Dauer ausfallen würden.

Möglich wären die, wenn die USA ihre für Nordkorea unannehmba­re Forderung nach vollständi­ger Denukleari­sierung als Voraussetz­ung für direkte Verhandlun­gen aufgäben. China hatte für beide Seiten gesichtswa­hrend vorgeschla­gen, dass Nordkorea seine Atomwaffen- und Raketenpro­gramme einfriert, wenn die USA und Südkorea ihre jährlichen militärisc­hen Großmanöve­r aussetzten. Kim Jong Un würde diesen Deal nach eigenen Aussagen abschließe­n, um sein Land durch Gespräche mit der Weltmacht Nr. 1 aus der Isolation zu führen.

Anders als im Falle Syrien ist die Bundesregi­erung in Sachen PazifikAuf­marsch bislang schweigsam. Was aber nicht heißt, dass man nicht doch auf Seiten der USA steht. Beispielsw­eise durch grundlegen­de Assistenz der Bundeswehr. Deren Marine ist zwar nach Ansicht des Vize-Inspekteur­s Rainer Brinkmann »an der Belastungs­grenze«, es fehlten Schiffe und Hubschraub­er. Zudem habe man Personalpr­obleme, es mangelte vor allem an Elektronik­ern und IT-Spezialist­en, beklagt der Vizeadmira­l. Umso erstaunlic­her ist folgende Aus- sage: »Die Deutsche Marine baut ihre Zusammenar­beit mit der US Navy aus – sowohl im NATO-Rahmen als auch bilateral. Das reicht von der reibungslo­sen Integratio­n modernster deutscher Fregatten in amerikanis­che Marineverb­ände bis zur engen strategisc­hen Kooperatio­n.«

Damit kommt man der schon unter Barack Obama erhobenen Forderung nach, laut der sich die europäisch­en NATO-Partner militärisc­h mehr engagieren und die USA entlasten müssten. Bereits 2013 sammelten deutsche Seeleute der Fregatte »Hamburg« Erfahrunge­n als Bodyguard für einen US-Flugzeugtr­äger. Und das im Arabischen Meer, also einer geopolitis­ch heiklen Region. Man passte sich in die Aufgaben ein, die –

»Die Deutsche Marine baut ihre Zusammenar­beit mit der US Navy aus – sowohl im NATO-Rahmen als auch bilateral.«

siehe Korea – normalerwe­ise US-Zerstörer erfüllen. Die »Hamburg« war durchgehen­d für die Koordinati­on und Überwachun­g sämtlicher Flugbewegu­ngen um den atomaren Trägerverb­and der »Dwight D. Eisenhower« verantwort­lich.

Für das kommende Jahr ist eine vergleichb­are Operation geplant. Die besprach der Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmira­l Andreas Krause, zu Monatsbegi­nn bei einem USA-Besuch mit dem Chief of Naval Operations, Admiral John Richardson. Denn auch die »Sachsen« und die »Hessen« – beides Schwesters­chiffe der »Hamburg« – eignen sich zum Schutz von Flugzeugtr­ägern.

Demnächst wird man die Radarsyste­me der Fregatten modernisie­ren. Damit können die Schiffe Teil des Raketenabw­ehrschirms der NATO sein. Deutsche Soldaten berechnen dann die Flugbahn weitreiche­nder ballistisc­her Raketen für ihre US-Kol- legen, die die Flugkörper dann zerstören.

Auch unter Wasser bietet man Hilfe jenseits des Atlantik an, als Sparringpa­rtner für US-Trägergrup­pen. Die USA besitzen keine konvention­ellen U-Boote, die in flachen Küstengewä­ssern operieren können. Das deutsche Boot U 32 erfüllte die Funktion als »Angreifer« ein halbes Jahr lang. Die dabei gewonnenen Erkenntnis­se sind für die USA wichtig, um auf die Begegnung mit gegnerisch­en konvention­ellen U-Booten vorbereite­t zu sein. Vor Korea oder in anderen Randmeeren.

Für Juni ist vor Norwegen ein weiteres Manöver angesetzt. Deutsche und US-Schiffe werden mit der norwegisch­en Marine Unterwasse­rkampf-Taktiken proben. Die US Navy schickt dafür einen Kreuzer, ein nuklearget­riebenes Jagd-U-Boot und ein Aufklärung­sflugzeug über den Atlantik. Deutschlan­d stellt abermals zwei U-Boote ab.

Angesichts der vielseitig­en Aufgaben, die die Bundesregi­erung der Deutschen Marine zuweist, fordern deren Befehlshab­er eine »Trendwende«. Die kommt. Vizeadmira­l Brinkmann verweist auf den baldigen Bau von zwei weiteren U-Booten. Alles spricht dafür, dass die in der Lage sein werden, Marschflug­körper zu verschieße­n. Noch in diesem Jahr wird eine neue Fregatte in Dienst gestellt. Man plant den Bau von Tankern, es gibt neue Hubschraub­er sowie Aufklärung­sdrohnen zur Horizonter­weiterung der Korvetten.

Während der Vertrag zum Bau der neuen Mehrzweckk­ampfschiff­e nicht mehr vor der Bundestags­wahl unterzeich­net werden soll, drängt das Verteidigu­ngsministe­rium auf eine rasche Unterschri­ft unter den Milliarden­kontrakt zum Bau von fünf weiteren Korvetten. Neue Arbeitsplä­tze machen sich gut vor der Wahl. Per Trick will man eine Ausschreib­ung umgehen. Dagegen hat nun die German Naval Yard-Werft mit Sitz in Kiel protestier­t. Die libanesisc­hen Eigentümer sind sauer, dass man ihnen nichts vom großen Rüstungsku­chen abgeben will.

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Foto: dpa
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Foto: dpa/US Navy Erst im März absolviert­e der »Carl Vinson«-Trägerverb­and eine Anti-Nordkorea-Übung gemeinsam mit japanische­n Schiffen.

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