»Die ›Afrikaner‹ Fillons stehen bereits im Wartestand!«
Bei drei derzeit als aussichtsreich gehandelten Präsidentschaftskandidaten wären die neokolonialen Interessen Frankreichs in »guten« Händen
Frankreich pflegt neokoloniale Beziehungen zu afrikanischen Staaten. Bei den rechten Präsidentschaftskandidaten ist das Thema präsent, bei den Linken kaum.
Frankreich pflegt nach wie vor eine »Sonderbeziehung« zu seinen ehemaligen Kolonien in Afrika – und dieses Verhältnis ist von einer faktischen Fortsetzung des Kolonialismus geprägt. Durch die Aufrechterhaltung von Militärbasen sowie die Kontrolle der Währungs- und Geldmengenpolitik von 14 Staaten durch die französische Zentralbank laufen immer noch viele Fäden in Paris zusammen.
Die in Frankreich anstehenden Präsidentschaftswahlen werden deshalb erhebliche Auswirkungen auf einen halben Kontinent haben. Wofür aber stehen die gewichtigsten KandidatInnen? Unfreiwillig brachte François Fillon etwas Licht ins Dunkel, als publik wurde, dass er sich von dem An- walt Robert Bourgi Anzüge im Wert von knapp 50 000 Euro schenken ließ. Bourgi ist libanesischer Herkunft und wurde im senegalesischen Dakar geboren. Libanesen kontrollieren Teile des Handels in mehreren Ländern Westafrikas. Unter der Präsidentschaft Nicolas Sarkozys (2007 bis 2012) war der Jurist Bourgi ein wichtiger Mittelsmann zwischen der Pariser Regierung und mehreren Autokraten in Afrika. Insbesondere zum 2009 verstorbenen Potentaten der Erdölrepublik Gabun, Omar Bongo, und zu seinem seitdem amtierenden Sohn Ali Bongo.
Anfang Januar bereits meldete die auf »Afrikathemen« spezialisierte und an französische Eliten gerichtete Publikation »La Lettre du Continent« (LdC): »Die ›Afrikaner‹ Fillons stehen bereits im Wartestand!« Eine Schlüsselrolle spielt dabei der frühere Verteidigungsminister unter Nicolas Sarkozy, Gérard Longuet. Der Mann, der seine Karriere bei der rechtsextremen gewalttätigen Studentengruppe Occident begann und 1973 das erste – knappe – Wirtschaftsprogramm der Front National (FN) verfasste, zählt heute zum rechten Flügel der Konservativen. Zugleich ist er Geschäftsführer der Gesellschaft Sea Invest France und Sea Invest Afrique, die bedeutende Interessen in den Häfen der westafrikanischen Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) – Abidjan und San Pedro – und im Rohstofftransport haben. Als Verteidigungsminister hatte Longuet im April 2011 den Einsatz befehligt, bei dem die französische Armee maßgeblich dabei half, ExPräsident Laurent Gbagbo ab- und das jetzige Staatsoberhaupt, Alassana Ouattara, einzusetzen. Heute ist Ouattara Longuets Ansprechpartner in kommerziellen Angelegenheiten.
Auch die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen pflegt Beziehungen in die neokoloniale Einflusssphäre Frankreichs in Afrika. Im März besuchte sie im Tschad Soldaten der französischen Streitmacht »Barkhane«. Die französische Armee ist dort seit 1986 stationiert. Le Pen machte während ihres Besuches auch dem Präsidenten Idriss Déby Itno ihre Aufwartung. Idriss Déby kam 1990 mit offener Billigung Frankreichs an die Macht, um seinen Vorgänger Hissène Habré zu stürzen. Der ist als Schlächter bekannt, während seiner Regentschaft »verschwanden« 40 000 Menschen. Allerdings war Idriss Déby die ganzen 1980er Jahre der Generalstabschef seines Vorgängers gewesen.
Der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der sich um ein linksliberales Profil bemüht, hat ebenfalls »Netzwerke« in Richtung Afrika ausgespannt. Dabei stützt er sich insbesondere auf Alain Dupouy, einen »Afrikaspezialisten« des vormaligen konservativen Premierministers und jetzigen Bürgermeisters von Bordeaux, Alain Juppé. Dupouy gründete im Januar einen auf Afrika- und Wirtschaftsthemen spezialisierten ThinkTank, den Club 02A. Ihm gehören circa 50 Personen an, darunter der frühere Chef der französischen Streit- macht Licorne, die zwischen 2002 und 2011 massiv in den Bürgerkrieg in der Côte d’Ivoire eingriff, und der General Bruno Clément-Bollée. Unter den Clubmitgliedern finden sich auch Mahamadou Sako, ein Vizechef der internationalen Abteilung des Arbeitgeberverbands Medef, und der frühere Botschafter des diktatorischen Regimes von Djibouti in Paris, Rachad Farah.
Bei den drei bis vor Kurzem aussichtsreichsten Kandidaten wären die neokolonialen Interessen Frankreichs in »guten« Händen. Unterbelichtet sind diese, der Öffentlichkeit verborgenen Aspekte der französischen internationalen Politik dagegen bislang beim Sozialdemokraten Benoît Hamon – dessen Kenntnisse zu Afrika eher gering sind – und, aus inhaltlichen Gründen, bei dem Linkssozialisten Jean-Luc Mélenchon. Zu hoffen bleibt, dass die Abwesenheit dieser Thematik in deren Wahlkampf auch Aussichten auf einen Bruch mit bisherigen Praktiken beinhaltet.