Farbenspiele
Bernd Zeller über die Notwendigkeit eines durchdacht besetzten Gremiums für die Beleuchtung des Brandenburger Tors
Unser heutiger Bericht beschäftigt sich mit den Möglichkeiten, die das Brandenburger Tor für das Setzen von Zeichen und Signalen durch Anstrahlen mit Farben bietet. Wie man sich vielleicht erinnert, wurde solches vorgenommen nach Terrorakten, um den Ländern, in denen sie geschahen, zu zeigen, dass man mitdenkt. Ausnahmsweise hat man es zuletzt im Fall von Russland unterlassen; wenn man schon während der Blockade von Leningrad darauf verzichtet hat, wäre es jetzt beim Anschlag in der U-Bahn irgendwie unverhältnismäßig erschienen.
Dagegen hätte es Nachrichtenwert, wenn das Brandenburger Tor in der Flagge der USA erstrahlte, weil die es gerade so schlimm haben mit Trump. Ein bizarres Wahlrecht hat bewirkt, dass statt Hillary Clinton, der das Amt zugestanden hätte, jemand Präsident wurde, von dem man bislang nur wusste, dass er es sich zutraut. Er war sozusagen der erste, der von einem später so bezeichneten Schulz-Effekt profitiert hat. Die Farben Mexikos wären genauso passend und noch aussagekräftiger; Berlin distanziert sich von jeder Art des Mauerbaus zwischen souveränen Staaten, so würde die Botschaft verstanden. Aber wer erkennt schon die mexikanischen Nationalfarben.
Anstehende Wahlen können auch in Frankreich schlimm ausgehen, Frankreich war aber schon mal dran, da müsste der Berliner Senat eine äußerst durchdacht besetzte Arbeitsgruppe einsetzen, der eine solche Entscheidung obliegt und die eine trifft, mit der alle zufrieden sein können oder die dann schon nicht mehr gebraucht wird, wenn sie irgendwann doch noch gefunden sein sollte.
Es darf schließlich auch nicht zur Routine werden. Journalisten brau- chen Bilder. Die für das Brandenburger Tor Verantwortlichen würden mit einem Beschluss für oder gegen Beleuchtung nicht nur Solidarität ausdrücken, sondern ihrerseits dem Anlass eine mediale Wichtigkeit geben oder versagen, wenn die Redaktionen die Relevanz davon ablesen, ob das Tor aktualitätsbezogen leuchtet oder nicht. Allerdings würde damit ein schöner Brauch entstehen, eine touristische Attraktion, noch dazu eine, wo die Touristen nicht allzu sehr das Berliner Leben stören. Man geht zum Brandenburger Tor und schießt ein Selbstfoto von sich, wie man darauf wartet, dass es, beispielsweise, die britische Flagge zeigt als Signal für das bedauerliche Ausscheiden der Briten aus der Europäischen Union oder die EU-Flagge aus demselben Grund, und stellt sich mitsamt dem Kommentar darüber in die digitale Sphäre. Journalisten wüssten, wohin sie sich begeben könnten, um Originalstimmen einzufangen, oder auf welche Seiten sie gucken, um sich über ungebührliche Äußerungen zu empören.
Völlig ungeklärt ist bislang, wie man vorgehen wollte bei einem solidaritätsrelevanten Ereignis, das sich in Deutschland zutrüge. Man müsste im Falle einer Entscheidung für eine Beleuchtung die Farben des betroffenen Bundeslandes wählen. Die Verwirrung wäre absehbar, kaum jemand kennt überhaupt noch die Bundesländer, und den internationalen Touristen wäre kaum zuzumuten, sich mit Lokalkolorit zu beschäftigen. Schwarz-Rot-Gold dürfte ja wohl niemand ernsthaft vorschlagen.
Hier zeigt sich eine strukturelle Schwäche des Konzepts. Der Bezug zum Nationalen ist ein konstruierter. Wir wissen gar nicht, ob sich eine ganze Landesbevölkerung angegriffen fühlt wegen eines Anschlags in einer Stadt. Schon eher fühlen sich alle Männer mit psychischen Problemen einem Generalverdacht ausgesetzt oder alle Lkw-Fahrer, aber wie drückt man so was in einem Farbenspiel aus, das ans Brandenburger Tor projiziert wird? Es dürfte einige Zeit dauern, bis die soziologischen Institute der Hochschulen sich auf einheitliche Standards geeinigt haben.
In Anbetracht der Schlappe der Grünen bei Wahlen und Umfragen würde es sich anbieten und geradezu aufdrängen, das Brandenburger Tor grün aufleuchten zu lassen.