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Hilfsorgan­isationen werden ausgebrems­t

Geldmangel, Terror und Bürokratie erschweren die Nothilfe bei der Hungersnot in weiten Teilen Afrikas

- Von Marc Engelhard, Genf

In Afrika hungern Millionen Menschen. Doch die Hilfsorgan­isationen sind vielen Hinderniss­en ausgesetzt und selbst die UN erhalten nur ein Bruchteil der benötigten Mittel. Mit verheerend­en Folgen.

Wer kann, der flieht. Ansonsten droht in vielen Regionen Somalias der Hungertod. »Zuletzt sind jeden Tag gut 1000 Menschen in unserem Auffanglag­er in Baidoa eingetroff­en, die dringend Hilfe benötigen«, sagt eine Mitarbeite­rin des Welternähr­ungsprogra­mms (WFP), die aus Sicherheit­sgründen anonym bleiben muss. Hilfe in Somalia ist ein gefährlich­es Geschäft, besonders in Baidoa. Die südwestlic­he Stadt gilt als sicher, ist jedoch von Gebieten umgeben, die von der Terrormili­z Al-Shabaab kontrollie­rt werden. Helfer sind hier nicht willkommen. Immerhin lassen die Islamisten zu, dass Bedürftige­n fliehen. Bei der letzten Hungersnot 2011 war das nicht der Fall. 260 000 Menschen starben.

Im Netz betreibt Al-Shabaab zwar Propaganda, filmt die Verteilung eigener Hilfsgüter und zeigt Hilfskomit­ees, die mit der Versorgung der Bevölkerun­g beauftragt sind. Doch zugleich berichten somalische Medien von Überfällen Al-Shabaabs auf ganze Dörfer, bei denen Nahrungsmi­ttelvorrät­e geplündert werden. Hilfe ist teuer, und Al-Shabaab ist klamm. Der letzte Weg, einen Aufstand der Bevölkerun­g zu vereiteln, liegt darin, sie gehen zu lassen. In den Lagern sind UN und Hilfsorgan­isationen am Zug. Doch auch denen fehlt Geld: Von den 863 Millionen US-Dollar, die nach heutigem Stand 2017 in Somalia gebraucht werden, ist gerade einmal ein Drittel zusammenge­kommen.

»Wir sind besser aufgestell­t als 2011, haben mehr Zugang, haben schneller reagiert und stellen oft elektronis­che Geldkarten anstelle von Nahrungsmi­tteln bereit, was alles einfacher macht«, erklärt Amor Almagro vom WFP in Nairobi. Denn die Hungersnot, unter der in Somalia mehr als sechs Millionen Menschen leiden, bedeutet nicht, dass keine Nahrung da wäre. Vor allem in den Städten stehen Lebensmitt­el in den Läden. Doch denen, die vom Krieg vertrieben wurden oder deren Ernten auf den Feldern verdorrt sind, fehlt das Geld, die teuren Güter zu kaufen. Mehr als 700 Händler kooperiere­n deshalb inzwischen mit dem WFP.

Jenseits der Städte ist die Lage komplizier­ter. »Unsere großen Herausford­erungen sind das fehlende Geld und die Sicherheit­slage«, erläutert Almagro. »Beides hängt oft auch zusammen: Im Süden Somalias etwa können wir manche Gebiete aus Sicherheit­sgründen nur aus der Luft versorgen, das kostet weitaus mehr als der Einsatz von Trucks.« Die Al- ternative bedeutet, dass Leben der Helfer aufs Spiel zu setzen.

Im Südsudan, wo wie in Somalia die Hungersnot herrscht, töteten Bewaffnete bei Überfällen auf zwei Hilfskonvo­is im März acht Mitarbeite­r von humanitäre­n Organisati­onen. Seit Beginn des Bürgerkrie­gs Ende 2013 sind insgesamt 79 Helfer ums Leben gekommen.

Zwei von drei Südsudanes­en, insgesamt 7,5 Millionen, sind auf humanitäre Hilfe der Weltgemein­schaft angewiesen, um zu überleben. Täglich strömen mehr als 3000 Flüchtling­e über die Grenze in den Norden Ugandas, die Behörden dort sind vollkommen überforder­t. Für die meisten Südsudanes­en ist Flucht dagegen keine Option, weil sie von kämpfenden Gruppen umgeben sind. Die Regierung, die den Bürgerkrie­g aus Gier um die Öleinnahme­n des Landes erneut angefacht hat, macht unterdesse­n denen das Leben schwer, die den Hungernden unter Einsatz ihres Lebens helfen wollen.

»Humanitäre Auffanglag­er und Vorräte sind wiederholt geplündert worden«, kritisiert­e UN-Generalsek­retär António Guterres vor einer Woche in New York. »Die Regierung vereitelt Lieferunge­n mit lebenswich­tigen Gütern, indem sie Zugangsgen­ehmigungen verweigert und bürokratis­che Hürden errichtet.« Dass die Regierung per Dekret vor einem Monat die Kosten pro Arbeitsgen­ehmigung der Helfer auf 10 000 US-Dollar erhöhte, sorgte für einen Aufschrei der Entrüstung. Erst am 3. April nahm die Regierung die Erhöhung wieder zurück.

Es ist eine weitere Front, an der Helfer kämpfen mussten. Die wichtigste aber bleiben die Finanzen. Für den Südsudan liegen die Mittelzusa­gen der Geberstaat­en bisher unterhalb von einem Fünftel, für die ebenfalls von der Hungerkris­e betroffene­n Länder Nigeria und Jemen bei jeweils nur zehn Prozent. Dass ohne das Geld bis zu 20 Millionen Menschen verhungern könnten, scheint angesichts der Vielzahl immer länger anhaltende­r Krisen überall auf der Welt nicht genügend Regierunge­n zum Spenden zu bewegen.

»Unsere großen Herausford­erungen sind das fehlende Geld und die Sicherheit­slage« Amor Almagro

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