Landlust bei der Regierung
Sachsen-Anhalt denkt über neues Staatsziel nach
In der Landesregierung von Sachsen-Anhalt gibt es Überlegungen, die Rolle des ländlichen Raums in der Landesverfassung zu verankern. Denkbar sei, die »Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in der Stadt und im ländlichen Raum« als Staatsziel in der Verfassung festzuschreiben, sagte Claudia Dalbert, die Ministerin für Umwelt und Landwirtschaft, unlängst nach einer Sonderberatung des Kabinetts. Die Grünen-Politikerin verwies auf ähnliche Passagen in den Verfassungen Bayerns und Baden-Württembergs.
In Sachsen-Anhalt leben nach Angaben der Regierung 1,7 Millionen Menschen auf dem Land, 80 Prozent der Gesamtbevölkerung. Im ländlichen Raum werden zudem 75 Prozent des sachsen-anhaltischen Bruttoinlandsprodukts erzeugt. Seine Stärkung, Weiterentwicklung und die »nachhaltige Sicherung der Versorgungsfunktionen« seien »wichtige Ziele der Landesregierung«, sagte CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff.
Noch vor zehn Jahren waren in Sachsen-Anhalt ganz andere Töne zu vernehmen. Der SPD-Politiker und spätere Finanzminister Jens Bullerjahn propagierte in einem Strategiepapier »Sachsen-Anhalt 2020«, das mit Blick auf das Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 und angesichts dramatischer demografischer Szenarien geschrieben worden war, die Konzentration von Fördermitteln auf Erfolg versprechende Vorhaben und Regionen und schrieb unumwunden: »Für ländliche Räume und Ballungsgebiete wird es unterschiedliche Entwicklungswege geben müssen.« In den Dörfern und kleinen Städten hatte man das verbreitet als Kampfansage verstanden und befürchtet, von der Politik allein gelassen zu werden.
Heute sind solche Töne nicht mehr zu hören; dennoch sind die Landregionen mit großen Problemen konfrontiert: Wegzug, fehlende Jobs, wegbrechende Infrastruktur. Der Ausbau des schnellen Internets geschieht quälend langsam; das Ausbauziel von 50 MBit/s wird vielerorts als zu unambitioniert angesehen. Die Regierung verspricht eine Digitale Agenda für September 2017 und stellt 150 Millionen Euro für den Ausbau zur Verfügung. Neben guten virtuellen Verbindungen sind auch solche in der realen Welt von Bedeutung: mit Bus und Bahn. Weil der demografische Wandel dem öffentlichen Nahverkehr besonders zusetzt, sollen 44,6 Millionen Euro für die »Weiterentwicklung« des Landesnetzes bereitgestellt werden. Versprochen wird, dass das Netz an Grundschulen »in dieser Legislaturperiode«, also bis 2021, stabil bleibt. Lösungen sucht man auch für Kultureinrichtungen auf dem Land, deren Träger oft mit Investitionen überfordert sind.