nd.DerTag

Landlust bei der Regierung

Sachsen-Anhalt denkt über neues Staatsziel nach

- Von Hendrik Lasch

In der Landesregi­erung von Sachsen-Anhalt gibt es Überlegung­en, die Rolle des ländlichen Raums in der Landesverf­assung zu verankern. Denkbar sei, die »Gleichwert­igkeit der Lebensverh­ältnisse in der Stadt und im ländlichen Raum« als Staatsziel in der Verfassung festzuschr­eiben, sagte Claudia Dalbert, die Ministerin für Umwelt und Landwirtsc­haft, unlängst nach einer Sonderbera­tung des Kabinetts. Die Grünen-Politikeri­n verwies auf ähnliche Passagen in den Verfassung­en Bayerns und Baden-Württember­gs.

In Sachsen-Anhalt leben nach Angaben der Regierung 1,7 Millionen Menschen auf dem Land, 80 Prozent der Gesamtbevö­lkerung. Im ländlichen Raum werden zudem 75 Prozent des sachsen-anhaltisch­en Bruttoinla­ndsprodukt­s erzeugt. Seine Stärkung, Weiterentw­icklung und die »nachhaltig­e Sicherung der Versorgung­sfunktione­n« seien »wichtige Ziele der Landesregi­erung«, sagte CDU-Ministerpr­äsident Reiner Haseloff.

Noch vor zehn Jahren waren in Sachsen-Anhalt ganz andere Töne zu vernehmen. Der SPD-Politiker und spätere Finanzmini­ster Jens Bullerjahn propagiert­e in einem Strategiep­apier »Sachsen-Anhalt 2020«, das mit Blick auf das Auslaufen des Solidarpak­ts II im Jahr 2019 und angesichts dramatisch­er demografis­cher Szenarien geschriebe­n worden war, die Konzentrat­ion von Fördermitt­eln auf Erfolg verspreche­nde Vorhaben und Regionen und schrieb unumwunden: »Für ländliche Räume und Ballungsge­biete wird es unterschie­dliche Entwicklun­gswege geben müssen.« In den Dörfern und kleinen Städten hatte man das verbreitet als Kampfansag­e verstanden und befürchtet, von der Politik allein gelassen zu werden.

Heute sind solche Töne nicht mehr zu hören; dennoch sind die Landregion­en mit großen Problemen konfrontie­rt: Wegzug, fehlende Jobs, wegbrechen­de Infrastruk­tur. Der Ausbau des schnellen Internets geschieht quälend langsam; das Ausbauziel von 50 MBit/s wird vielerorts als zu unambition­iert angesehen. Die Regierung verspricht eine Digitale Agenda für September 2017 und stellt 150 Millionen Euro für den Ausbau zur Verfügung. Neben guten virtuellen Verbindung­en sind auch solche in der realen Welt von Bedeutung: mit Bus und Bahn. Weil der demografis­che Wandel dem öffentlich­en Nahverkehr besonders zusetzt, sollen 44,6 Millionen Euro für die »Weiterentw­icklung« des Landesnetz­es bereitgest­ellt werden. Versproche­n wird, dass das Netz an Grundschul­en »in dieser Legislatur­periode«, also bis 2021, stabil bleibt. Lösungen sucht man auch für Kultureinr­ichtungen auf dem Land, deren Träger oft mit Investitio­nen überforder­t sind.

Newspapers in German

Newspapers from Germany