Zielmarke erreicht und doch verfehlt
Nun hat Deutschland die 1972 von den Vereinten Nationen ausgegebene Zielmarke von 0,7 Prozent des Bruttonationalproduktes für die Entwicklungszusammenarbeit erreicht. »Bravo, Herr Müller!« könnte man dem Entwicklungsminister angesichts der aktuellen OECD-Zahlen zurufen.
Doch die Jubelmeldung verkommt schnell zur Mogelpackung. Denn seit 2015 zahlt Deutschland – wie von der OECD erlaubt – auch die notwendigen Kosten für die Versorgung von Geflüchteten aus dem Topf der Entwicklungshilfe. Diese Gelder machen inzwischen mehr als ein Viertel der gesamten deutschen Entwicklungsleistungen aus, im Vorjahr waren es noch 17 Prozent. Damit wird Deutschland größter Empfänger seiner eigenen Mittel. Denn ohne diese Umbuchung läge der Beitrag zur Entwicklungshilfe hierzulande nur bei 0,52 Prozent, das ist genauso viel wie 2015. Damit ist die Zielmarke rechnerisch zwar erreicht, politisch aber doch verfehlt.
Müllers politisches Ziel, Bleibeperspektiven in den Ländern des Globalen Südens zu schaffen, wird konterkariert. Nutzen zieht dagegen der Wirtschaftsstandort Deutschland. Laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut DIW verursacht die Zuwanderung zwar zunächst erhebliche Kosten. Langfristig jedoch könne die Integration der Geflüchteten die Wirtschaftsleistung um 0,7 Prozentpunkte oder mehr erhöhen.