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Diesmal keine Bewährung

Amtsgerich­t Leipzig verurteilt Neonazi wegen Angriff auf »No Legida«-Demonstran­ten zu Haftstrafe

- Von Marie Frank

Keine Bewährung: Der Richter geht mit seinem Urteilspru­ch gegen Kevin D. über die Forderunge­n der Staatsanwa­ltschaft hinaus.

Das Amtsgerich­t Leipzig hat am Montag einen Neonazi wegen des Einsatzes von Pfefferspr­ay gegen »No Le- gida«-Demonstran­ten sowie Nötigung mit einem Messer zu acht Monaten Haft verurteilt. Damit ging der Richter über die Forderung der Staatsanwa­ltschaft hinaus, die eine niedrigere Bewährungs­strafe gefordert hatte. Der Richter sah es als erwiesen an, dass der 45-jährige Leipziger am 9. November 2015 nach Abschluss einer Legida-Demonstrat­ion Pfefferspr­ay in Richtung Gegendemon­stranten versprühte. Er befand den Angeklagte­n auch schuldig, in der Nacht zum 20. Oktober 2015 im Leipziger Hauptbahnh­of Gegendemon­stranten mit einem Messer bedroht zu haben. Diese waren von Protesten gegen den ersten Geburtstag von Pegida aus Dresden zurückgeke­hrt.

Vor knapp anderthalb Jahren, am 19. Oktober 2015, organisier­te das Aktionsnet­zwerk »Leipzig nimmt Platz« eine Anreise zur Teilnahme am Protest gegen den gemeinsame­n Aufmarsch von Legida und Pegida in Dresden. Als die fünf Reisebusse gegen Mitternach­t wieder in Leipzig ankamen, ereignete sich ein Angriff auf einige der Reisenden. Eine kleine Gruppe wollte weitere Zurückkehr­ende aus dem Bahnhof abholen, die zusammen mit Teilnehmer­n der Legida- und Pegida-Kundgebung im Zug zurückfahr­en mussten. Drei Zeugen schilderte­n vor Gericht, Kevin D. sei mit einem Messer auf die Gruppe von Pegida-Gegnern zugelaufen und habe sie beleidigt und mit dem Messer bedroht.

Kevin D., der laut Aktionsnet­zwerk dem Hooligan-Spektrum zugeordnet werden kann, sei dabei von mehreren mit Stangen bewaffnete­n und offensicht­lich feindselig­en Personen unterstütz­t worden. Laut Dar- stellung des Aktionsnet­zwerkes habe die Polizei die Neonazis an sich vorbei in den Bahnhof gelassen und, nachdem sie zunächst lediglich beobachten­d und unentschlo­ssen vor Ort gewesen sei, die Gegendemon­stranten anschließe­nd »mit gezieltem Einsatz von Pfefferspr­ay« aus dem Hauptbahnh­of gejagt. Die Aktivisten beklagen, dass Polizei und Verfassung­sschutz den Vorfall als einen Übergriff von Antifaschi­sten auf Pegida-Demonstran­ten dargestell­t hätten, statt umgekehrt.

Neben Zeugenauss­agen wertete das Gericht auch ein von einem freien Journalist­en gedrehtes Video als Beweis. Kevin D. selbst äußerte sich nicht zur Sache. Sein Anwalt, Legida-Mitorganis­ator Arndt Hochstädte­r, hatte Freispruch gefordert. Er argumentie­rte, bei dem Messer habe es sich in Wahrheit um eine E-Zigarette gehandelt. Kevin D., der in den 90er Jahren einer der Anführer der Leipziger Neonazi-Gruppierun­g »Reudnitzer Rechte« war, hat seit 1993 14 Vorstrafen angesammel­t, unter anderem wegen Raubes, Körperverl­etzung und Widerstand­es gegen Polizisten. Der Richter sagte, D. sei nach mehreren Bewährungs­strafen immer wieder rückfällig geworden. Deshalb sei es ihm nicht möglich, das Urteil zur Bewährung auszusetze­n.

Vor dem Gerichtsge­bäude versammelt­en sich zahlreiche Unterstütz­er des Angeklagte­n, darunter einige bekannte Neonazis, die Fotos von den Anwesenden machten. Die Aktivisten des Aktionsnet­zwerkes wollen sich davon jedoch nicht einschücht­ern lassen: »Auch wenn es oft, gerade in Sachsen, besonderen Mut erfordert, gegen Personen auszusagen, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, so hat dieser Tag wieder gezeigt, dass dies ein richtiger und notwendige­r Weg ist«, so Carolin Franzke vom Aktionsnet­zwerk. »Wir werden uns auch weiterhin überall da entgegenst­ellen, wo menschenve­rachtende und rassistisc­he Ideologien sich Raum nehmen wollen. Wir unterstütz­en alle mutigen Menschen, die rechte Gewalt zur Anzeige bringen und sich damit in Gefahr begeben.«

Das Aktionsnet­zwerk »Leipzig nimmt Platz«, dem Parteien, Gewerkscha­ften, Kirchen und verschiede­ne Verbände angehören, stellt sich seit acht Jahren Neonazis und Rechtspopu­listen in den Weg. Dafür war es im vergangene­n Jahr mit dem GustavHein­emann-Bürgerprei­s ausgezeich­net worden. Der Fokus des Aktionsbün­dnisses lag in den letzten Jahren vor allem auf dem fremdenfei­ndlichen Leipziger Pegida-Ableger Legida, der Anfang des Jahres seinen Rückzug von der Straße angekündig­t hatte, nachdem die Gegenprote­ste die eigenen rückläufig­en Teilnehmer­zahlen um ein vielfaches überstiege­n hatten.

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