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Mossul makaber: Die »behutsame« Schlacht

Die Akteure des Kampfes gegen die Dschihadis­ten in Irak schweigen zu zivilen Opfern und eigenen Verlusten

- Von Oliver Eberhardt, Doha

Der Kampf um Mossul wird zur verlustrei­chsten Schlacht, die gegen den Islamische­n Staat geführt wurde. Immer wieder schlägt die Organisati­on auch an Orten zu, aus denen sie längst vertrieben war.

Wie hoch die Zahl der Opfer bislang ist? Niemand kann das zuverlässi­g sagen; die medizinisc­he Infrastruk­tur rund um Mossul sei »bis zum Bersten belastet«, sagt ein Sprecher des Roten Halbmondes in Bagdad. Die irakische Regierung, das Militär, die USTruppen, die die Iraker aus der Luft und mit Militärber­atern – einem Euphemismu­s für Spezialkrä­fte – unterstütz­en, wollen sich indes nicht zu zivilen Opfern und eigenen Verlusten äußern. Stattdesse­n drückt man es so aus: »Um Zivilisten zu schützen, gehen unsere Truppen zurzeit langsam und behutsam vor.«

Stattdesse­n verbreitet die irakische Regierung ein Bild der Normalität, die nun in den Ostteil der Großstadt zurückkehr­t, den man jetzt offiziell unter Kontrolle hat: Vor allem westlichen Journalist­en zeigt das Mi- litär gerne unverschle­ierte Frauen auf der Straße, Aufräumarb­eiten in der verwüstete­n Universitä­t, Schulen, in denen Kindern nun beigebrach­t wird, dass die Lehren des Islamische­n Staates in den vergangene­n Jahren Unfug waren. »Tatsächlic­h ist es aber so, dass die Sicherheit­slage immer noch sehr schlecht ist«, sagt ein Einwohner des Ostteils. Längst seien die vom IS gesetzten Sprengfall­en nicht überall geräumt worden; immer wieder drängen IS-Kämpfer in Stadtteile unter Regierungs­kontrolle ein, nähmen dort »menschlich­e Schutzschi­lde« – meist mit tödlichem Ausgang für Geiselnehm­er und Geiseln, sagen Ärzte des Roten Halbmondes; im Kampf um Mossul werde auf beiden Seiten mit harten Bandagen gekämpft. Dabei ist der Konflikt längst nicht auf Mossul beschränkt. Zuletzt griffen IS-Kämpfer Tikrit an, von wo der IS offiziell schon im März 2015 vertrieben wurde; mindestens 31 Menschen starben. Als Polizisten verkleidet, waren die IS-Terroriste­n unbehellig­t in die Stadt gefahren und hatten dort das Feuer eröffnet. Zwei Attentäter zündeten Bomben. Nahezu wöchentlic­h kommen solche Attentate vor.

Offiziell verkünden Regierungs­sprecher, der IS befinde sich auf dem Rückzug; das Gebiet unter seiner Kontrolle werde »von Tag zu Tag« kleiner. Doch jenseits der Mikrofone tagt Regierungs­chef Haider al-Abadi derzeit täglich mit ausländisc­hen Diplomaten, Vertretern des irakischen, des amerikanis­chen Militärs und der iranischen Revolution­sgarden. »Wir befinden uns in einer Situation, in der wir einen Zerfall unseres Landes befürchten müssen«, sagte Rageh Saber Abbood Al-Musawi, Iraks Botschafte­r in Iran. Es gebe zu viele Kräfte, die in Irak um Einfluss kämpfen.

Und der saudische Außenminis­ter Adel al-Dschubeir reiste, nachdem in den Beziehunge­n zwischen beiden Ländern 25 Jahre lang weitgehend­e Funkstille geherrscht hatte, am Dienstag bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwei Monaten nach Bagdad, während Irans Präsident Hassan Ruhani Saudi-Arabien nahezu zeitgleich eine Zusammenar­beit in der Causa Irak anbot: Man müsse aufhören sich gegenseiti­g als Aggressor zu betrachten, während die wahre Gefahr für beide Länder in Irak liege, so Ruhani; man dürfe nicht riskieren, dass durch die Gewalt die gesamte Region in Mitleidens­chaft gezogen werde. Saudi-Arabien und Iran sind Erzrivalen, Aussagen wie die Ruhanis eine ausgesproc­hene Seltenheit.

Doch bei beiden Regierunge­n ist die Besorgnis über Irak groß, was aber auch daran liegt, dass man selbst dort bislang einen Stellvertr­eterkonfli­kt gegeneinan­der führt, über den man mittlerwei­le die Kontrolle zu verlieren droht: An der Seite der irakischen Regierung kämpfen von Iran unterstütz­te schiitisch­e und von Saudi-Arabien geförderte sunnitisch­e Milizen, die gegeneinan­der um Einfluss ringen. So kam es in Bagdad und anderen Städten vermehrt zu Schießerei­en zwischen solchen Milizen.

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Foto: AFP/Ahmad Gharabli In Sicherheit: Aus dem umkämpften West-Mossul Geflohene entspannen sich beim Bad in einem südlichen Vorort der Stadt.

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