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Der Nandu liebt die Mecklenbur­ger Rapsfelder

Schon mehr als 260 Großvögel tummeln sich im Nordosten – jetzt soll ihre Zahl begrenzt werden, vielleicht auch durch das Einsammeln der Eier

- Von Hagen Jung

Die schnell wachsende Zahl südamerika­nischer Nandus im Westen Mecklenbur­gs bereitet den Bauern dort zunehmend Probleme. Sie fordern seit Jahren die Freigabe der Tiere zum Abschuss.

Die Sache fing ganz klein an: Nach dem Ausbruch aus einem Privatgehe­ge nahe Lübeck war irgendwann im Herbst des Jahres 2000 drei Hähnen und vier Hennen der Familie Nandu der Grenzübert­ritt von SchleswigH­olstein nach Mecklenbur­g-Vorpommern gelungen. In ihrer neuen Heimat zeigten sich die ursprüngli­ch im Osten Südamerika­s ansässigen Großvögel dann aber sehr vermehrung­sfreudig. Zum Wohlgefall­en fotografie­render Touristen, zum Leidwesen der Landwirtsc­haft.

Im März 2016 war die Schar der grau-braunen Tiere im Westen des Bundesland­es auf 150 Exemplare angewachse­n, berichtete seinerzeit der Zoologe Frank Philipp, Initiator der Internet-Plattform »nandu.info«. »Langfristi­g steigend« sei die Population der Tiere, prophezeit­e der Wissenscha­ftler – und seine Prognose erweist sich als zutreffend. »Im Biosphären­reservat Schaalsee-Elbe ist aktuell von etwa 266 Nandus auszugehen«, hatte das Agrarminis­terium bereits Anfang des Jahres mitgeteilt.

Eine Zahl, die vor allem jenen Landwirten Sorge bereitet, die Raps oder Zuckerrübe­n im Nandu-Revier anbauen. Flächen, auf denen das geschieht, sind für die straußenäh­nlichen Vögel ein wahres Schlaraffe­n- land. Ruck, zuck haben sie ganze Felder kahl gefressen. So wie es beispielsw­eise Hans-Friedrich Grube nahe Utecht beobachten musste. Rund 30 000 Euro Schaden waren ihm durch einen Nandu-Überfall auf seinen Raps entstanden. Finanziell­en Ausgleich vom Land bekam Grube nicht, denn den gibt es nur für einheimisc­he Fraßvögel. Und dazu wird der Nandu laut behördlich­er Liste nicht gezählt.

Die Beschwerde­n Grubes und zahlreiche­r Berufskoll­egen sowie die Stärke der Nandu-Population hatten jüngst Vertreter der Landwirtsc­haft, der Jäger, des Biosphären­reservats und des Agrarminis­teriums zu Beratungen in Sachen Vogelfraß zusammenge­führt. Ergebnis des Treffens: Noch in diesem Jahr soll damit begonnen werden, die Vermehrung der Tiere zu begrenzen. »Details zum weiteren Vorgehen sind noch abzustimme­n«, so eine Sprecherin des Ministeriu­ms gegenüber »nd«. Dem Vernehmen nach wird über zwei Alternativ­en nachgedach­t: Eier einsammeln oder einen Teil des Nandu-Bestandes abschießen. In die Überlegung­en zu konkreten Maßnahmen will Agrarminis­ter Till Backhaus (SPD) die Naturschut­zverbände einbeziehe­n.

Die Freigabe der Großvögel zum Abschuss wird seit Jahren aus der Landwirtsc­haft gefordert, und mehrfach war der Nandu-Ärger auch Thema im Landtag. In Debatten über den Griff zur Flinte hieß es stets: Die Tie- re dürfen nicht gejagt werden. Geschützt werden sie auch durch das Washington­er Artenschut­zabkommen. Nur in Ausnahmefä­llen sei die Tötung erlaubt. Solch ein Fall scheint jetzt gegeben zu sein angesichts des aktuellen Nandu-Bestandes. Rechtlich abgesicher­t wäre der Abschuss durch das Bundesnatu­rschutzges­etz. Danach sind »artenschut­zrechtlich­e Ausnahmen« möglich, um erhebliche wirtschaft­liche Schäden abzuwenden. Erteilt werden müsste die Ausnahmege­nehmigung von Mecklenbur­g-Vorpommern­s Biosphären­reservatsa­mt.

Sofern das Amt dem Schießen zustimmt – wer legt auf die Tiere an? Private Jäger oder Bedienstet­e der Forstverwa­ltungen? Und wer soll die Eier der recht wehrhaften Großvögel einsammeln, falls diesem Verfahren der Vorzug gegeben wird? Zu diesen Fragen werden zurzeit Gespräche geführt, heißt es aus dem Ministeriu­m in Schwerin.

Nandus haben eine Scheitelhö­he von bis zu 1,40 Metern und wiegen bis zu 25 Kilogramm. Auf der Flucht erreichen sie Geschwindi­gkeiten von bis zu 60 Kilometern pro Stunde.

Nandus haben eine Scheitelhö­he von bis zu 1,40 Metern und wiegen bis zu 25 Kilo.

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Foto: dpa/Christian Charisius Nicht ungefährli­ch: Nandus überqueren eine Straße zwischen Utecht und Schlagsdor­f ganz im Westen Mecklenbur­g-Vorpommern­s.

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