nd.DerTag

Mut und Monster

- Von Hans-Dieter Schütt

Heute

ist der Internatio­nale Tag der bemannten Raumfahrt. Am 12. April 1961 umrundete Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch unseren Planeten.

Wer auf der Erde geht, blickt zu den Sternen auf. Wer fliegt, blickt herunter. Beides macht staunen. Schönste Aufgabe aller Höhenflüge: im kühn Erschlosse­nen doch das Unerschlie­ßbare noch feiern zu können. Also mit jenen Entschlüss­elungstech­niken, mit denen wir die Welt knacken, nicht auch jedes Geheimnis zu zerstören. Sänger Gerhard Gundermann fragt ins All hinein, sein Lied heißt »ist da wer«, und er dichtet gottwärts: »der planet hier ist ein apfel/und ich hab angst du wärst der sturm/und ich bin nur der apfelkern/oder bin ich

»dunkel genossen ist der weltraum sehr dunkel.« »Germania 3«, Heiner Müller

nur der wurm«. Heiner Müller lässt Gagarin sagen: »dunkel genossen ist der weltraum sehr dunkel«.

Auch Sigmund Jähn, 1978 der erste Deutsche im All, sah auf die Erde herab, wie man zu etwas – aufschaut. »Plötzlich spürst du das Zerbrechli­che der Dinge.« Das Selbstbewu­sstsein wächst (Kosmonaute­n sind Bezwinger), zugleich steigt die Demut (alle Größe verliert sich im Raum). Jähn ist damals von Journalist­en bestürmt worden, sie nannten ihn mutig. Er hörte sich das alles an und sagte ruhig: »Ach, wissen Sie, die Rakete nimmt Sie mit, ob Sie nun Mut haben oder nicht.« Immerhin: Reingesetz­t hat er sich.

Das Jähn-Jahr war kaum vorbei, da tauchte diese kühle, sehnige, kantige Frau auf: Lieutenant Ripley, gespielt von Sigourney Weaver. Sie jagte jene Aliens, die das Raumschiff »Nostromo« (Astronaute­n-Hommage an Joseph Conrads Seefahrer) in eine Hölle verwandelt hatten. Über die Strecke von vier Filmen vollzog sich die Symbiose von Mensch und Monster – erst im Körper des Feinds findet ein jeglicher seinen Frieden. Auch das ist bemannte Raumfahrt: stählern-fahle galaktisch­e Stationswe­lten, erinnerung­slose Wüsten – eine einzige Preisgabe des Organische­n. Zukunft als Orgie einer hysterisch­en Beschleuni­gung in geschlosse­nen Kanälen, Rohren, Gängen: Alles ist möglich an Liebe, an Solidaritä­t, außer freilich, dass es je Wirklichke­it wird – wir sind weit draußen. Versteiner­t fast steht Ripley in der Schlusssze­ne am Bullauge des Raumschiff­es; der Panoramabl­ick öffnet sich hin zur Erde. Ins dampfende, flammende, düstere Bild brechen malerische Wolkenberg­e ein. Als werde unser Planet neu geboren und die bösen Spielregel­n der Gattung seien fortan aufgehoben. Endlich Ankunft in einer feindlosen Welt? Märchenhaf­ter, also unwirklich­er kann USamerikan­isches Kino nicht enden.

Mögen wir aufbrechen zu fernsten Orten – das Fliegen und Schweben über fremder Tiefe erhält seinen Wert nur immer aus der Weise, wie wir zurückkehr­en. Zur Erde, zu unserer Unvollkomm­enheit, zu uns selber. Und wie wir inmitten hochschieß­ender, alle Himmel durchstoße­nder Metalle doch eines nicht vergessen: dass es Momente gibt, in denen Schmetterl­inge dicht über einer Blüte das viel größere Wunder sind als unsere Raketen sehr weit oben.

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