Oberflächlich tiefgründig
Der Sky-Zehnteiler »The Break – Jeder kann töten« erzählt einen Mord in der belgischen Provinz
Wenn die Handlung eines Films auf gradem Wege nicht richtig weiterkommt, gehen simpel gestrickte Filmemacher gern zwei, drei Abzweige Richtung Auflösung. Allen voran: Telekinese, Hellseherei, Wunderdinge eben. Beliebt sind auch merkwürdige Dorfgemeinschaften, in denen jeder tatverdächtig ist. Ganz besonders, drittens, ein Sonderling, dem man alles Böse schon deshalb prima unterjubeln kann, weil er halt sonderlich ist. Lequais zum Beispiel. Am Rande der belgischen Provinzstadt Heiderfeld wohnt dieser Eremit auf einem Schrottplatz im Wald, spricht allenfalls mit sich selbst und dient der denkfaulen Polizei daher rasch als Täter in einem Mordfall, der natürlich auch jemand anderes sein könnte. Kennt man ja bereits vom Landstreicher, der von Heinz Rühmann 1958 in »Es geschah am helllichten Tag« irrtümlich als Kindsmörder verdächtigt wird.
Fast 60 Jahre später ist es nun also der Außenseiter einer merkwürdigen Gemeinschaft wallonischer Kleinstädter, in der nach und nach jeder, wirklich jeder, für den Tod des afrikanischen Fußballers Driss verantwortlich zu sein scheint. Hätte Yann Peeters bei der Ermittlung jetzt auch noch lösungsspezifische Visionen, wäre das Dreigespann holpriger Dramaturgie in der Serie »The Break« mit dem denkbar dämlichen Untertitel »Jeder kann töten« komplett. Hat er aber nicht. Der Inspektor ist kein bisschen merkwürdig, sondern durch und durch gewöhnlich, was den belgischen Zehnteiler auf sehenswerte Art und Weise abhebt vom nebelumwehten Genre des Provinzthrillers.
Sein Darsteller Yoann Blanc hat schließlich Haarkranz, Boxeraugen und Bauchansatz, also null Attraktivität oder gar Glamour. Dafür gibt es ein branchentypisches Geheimnis, das den Cop mitsamt seiner Tochter aus der Hauptstadt Brüssel in die verlassene Heimat zurücktrieb. Statt Abstand zu finden, wird er jedoch flugs mit dem Leichenfund im nebelumwehten Fluss namens Semois konfrontiert. Doch nur Peeters erkennt zunächst in dem Fall etwas anderes als den offenkundigen Suizid. Wie zuvor beim Arte-Format »Zimmer 108« vom gleichen Drehort, wie in der US-amerikanischen Seriensensation »True Detective« oder dem britischen Pendant »Broadchurch« schafft »The Break« demnach, was hierzulande bislang vollkommen unmöglich erscheint: TV-Unterhaltung, die der Oberfläche huldigt, ohne oberflächlich zu sein.
Die Hauptrolle spielen nämlich weder der unprätentiöse Kommissar noch sein unerfahrener Kollege Sébastian Drummer (Guillaume Kerbush), geschweige denn all die Eigenbrötler ringsum wie Yanns Teenager-Tochter Camille (Sophie Breyer), deren durchweg seltsames Gebaren stets alles andere als entlastend wirkt. Im Mittelpunkt steht die Unscheinbarkeit aller Figuren und Spots. Ihr Äußeres wird permanent in epischen Kamerafahrten und Zooms gescannt, ohne wirklich hinter die Kulissen zu blicken. Untermalt von einem Sound, der seltsam zwischen Dissonanz und Harmonie mäandert, entsteht aus dieser dauernden Undurchsichtigkeit eine abstoßend anziehende Atmosphäre.
Keine Frage: Auch Regisseur Matthieu Donck schafft es nach eigenem Drehbuch nicht immer, im aggressiv unscheinbaren Ambiente Längen zu vermeiden. Und ein ökologisch bedenkliches, wirtschaftlich jedoch lukratives Zivilisationsprojekt (Staudamm) ist auch nicht gerade die Neuerfindung der Gegensatzkonstruktion im Krimi. Dennoch ist »The Break« von der ersten bis zur letzten Folge fesselnd. Und setzt Belgien endgültig auf die Landkarte jener Filmnationen, von denen das große Deutschland noch einiges lernen kann.