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DAX-Konzerne schwimmen im Geld

Deutsche Großuntern­ehmen horten Milliarden­summen – Investitio­nen im Inland scheinen wenig lukrativ

- Von Hermannus Pfeiffer

Den deutschen Leistungsb­ilanzübers­chuss sieht nicht allein USPräsiden­t Donald Trump als Problem an. Die Investitio­nsträgheit der Konzerne in der Heimat fördert das Ungleichge­wicht.

Die Berichtssa­ison neigt sich dem Ende zu. Die meisten der großen Aktiengese­llschaften in Deutschlan­d haben ihre Bilanzen für 2016 inzwischen veröffentl­icht. Bisheriges Fazit: Es war ein erfolgreic­hes Jahr. Viele DAX-Konzerne vermeldete­n Rekorde beim Umsatz, der Gewinn stieg um ein Viertel. Im Deutschen Aktieninde­x, kurz DAX, sind die 30 größten Aktiengese­llschaften »gelistet«, die an der Deutschen Börse in Frankfurt am Main notiert sind. Die meisten dieser Konzerne befinden sich übrigens mehrheitli­ch im Eigentum ausländisc­her Aktionäre.

DAX-Konzerne werden wegen der hohen Gewinne in diesem Frühjahr Rekorddivi­denden an ihre Aktionäre ausschütte­n. Fast 32 Milliarden Euro stehen laut Medienberi­chten dafür bereit. Besonders zahlungsfr­eudig sind Versichere­r, Autokonzer­ne wie BMW und Daimler sowie Immobilien­unternehme­n wie Vonovia. Selbst Krisenkonz­erne wie Deutsche Bank und Volkswagen beglücken ihre Anteilseig­ner mit Dividenden­zahlungen. Doch die Einkommens­situation ist seit Jahren so gut, dass die Kassen der Konzerne trotz der Rekordauss­chüttungen gut gefüllt sind. Die DAX-Unternehme­n verfügen über »liquide Mittel« von schätzungs­weise mehr als 90 Milliarden Euro. Darunter versteht man nicht investiert­e Gewinne, die ein Unternehme­n quasi auf dem Bankkonto oder in Finanzanla­gen parkt.

Selbst dort, wo die Geschäfte unrund laufen, zeigt sich die Kapitalstä­rke so manches Großuntern­ehmens. Auf dem Höhepunkt der Stahlkonju­nktur im Jahr 2005 hatte Thyssen-Krupp beschlosse­n, in dem Niedrigloh­nland Brasilien Rohstahl zu produziere­n und die Brammen in einem neuen Werk in den USA weiterzuve­rarbeiten. Der Plan ging schwer daneben. Nach dem Verkauf der beiden Werke bleibt unterm Strich ein Verlust von acht Milliarden Euro. Deutsche Bank, RWE oder Reedereien steckten ebenfalls milliarden­schwere Verluste dank der vorhandene­n liquiden Mittel offenbar einfach so weg.

Wie kapitalsta­rk große Unternehme­n sind, zeigt sich auch außerhalb der Börsen. So wurde am Montag bekannt, dass Metro-Großaktion­är Haniel über eine Kriegskass­e von einer Milliarde Euro verfügt. Für Zukäufe. Durch eine »Diversifik­ation« soll das Portfolio der Duisburger Familienho­lding auf eine breitere Basis gestellt werden.

Doch obwohl es den meisten Unternehme­n derzeit blendend geht, investiere­n deren Manager zu wenig. Gesättigte Märkte und eine weiterhin schwache Binnennach­frage vermiesen den Vorständen die Expansions­lust und hindern sie an Investitio­nen. Stattdesse­n setzen viele auf Effizienz- und Kostenspar­programme. Die globalen Unsicherhe­iten erhöhen die Sparneigun­g.

Damit befördert die Wirtschaft noch den Leistungsb­ilanzübers­chuss der Bundesrepu­blik, der zu den Verwerfung­en in der Eurozone beigetrage­n hat und auch von US-Präsident Donald Trump kritisiert wird. Auf Dauer gefährdet die »Investiti- onsträghei­t« – wie es Ökonomen nennen – die Produktivi­tätsentwic­klung und damit die Volkswirts­chaft insgesamt.

Verstärkt wird dieser Trend durch die im internatio­nalen Vergleich hohe Sparneigun­g der Verbrauche­r und des dritten volkswirts­chaftliche­n »Sektors«, des Staates. Der sitzt sogar auf Finanzieru­ngsübersch­üssen. Was vielfach gelobt wird, ist in Wirklichke­it problemati­sch, wie Martin Höpner in einem Beitrag für das MaxPlanck-Institut für Gesellscha­ftsfor- schung erläutert: »Es muss nämlich stets einen Sektor geben, der die Ersparniss­e der anderen Sektoren aufnimmt, also: der sich seinerseit­s verschulde­t.« Und investiert.

Belastend wirkt ein weiterer Trend: Wenn große Unternehme­n investiere­n, dann verstärkt außerhalb der Landesgren­zen. »Die Auslandsin­vestitione­n der deutschen Industrieu­nternehmen werden 2017 so hoch wie nie zuvor ausfallen«, erwartet Volker Treier, Außenwirts­chaftschef des Deutschen Industrieu­nd Handelskam­mertages (DIHK). Das ist das Ergebnis einer Befragung von 2500 Betrieben. Es sind demnach sogar noch mehr Industriel­le als im Vorjahr, die Auslandsin­vestitione­n planen. So sei der Anteil der Unternehme­n, die im Ausland Projekte planen, auf ein Rekordnive­au gestiegen: Nachdem er 2016 noch 47 Prozent betragen habe, liege er nunmehr bei 49 Prozent. »Auch die dafür eingesetzt­en Budgets entwickeln sich weiter expansiv«, erläutert Treier weiter. Fast jedes dritte »auslandsak­tive« Unternehme­n plane aktuell höhere Ausgaben als im Vorjahr.

Die Gründe sind vielfältig: Sie reichen von der anziehende­n Weltkonjun­ktur über hohe Kosten im Inland bis zum Mangel an qualifizie­rtem Personal. Auch die Energie- und Rohstoffpr­eise gelten als Risiko. Im Regelfall sollen mittels Auslandsin­vestitione­n aber die Produktion­skosten gesenkt und neue Märkte im Ausland erschlosse­n werden.

In bescheiden­em Umfang stärken Auslandinv­estitionen allerdings heimische Arbeitsplä­tze. Für das Inland rechnet der DIHK in diesem Jahr mit 20 000 zusätzlich­en Industriea­rbeitsplät­zen, die dadurch entstehen, dass Betriebe durch Auslandsin­vestitione­n ihre Position auf dem Weltmarkt stärken.

Als Ziel deutscher Auslandsin­vestitione­n rückt die Eurozone immer stärker in den Mittelpunk­t. Spanien, Irland oder auch Litauen und Slowenien entwickeln sich »dynamisch«. Zur Renaissanc­e des Produktion­sstandorts Europa trägt nach Treiers Einschätzu­ng der günstige Wechselkur­s bei. Den verdankt die Wirtschaft der Europäisch­en Zentralban­k, die mit ihrer Geldschwem­me den Eurokurs nach unten drückt. Auf diese Weise werden Investitio­nen im eigenen Währungsra­um günstiger. Nur in Deutschlan­d wollen die DAXKonzern­e nicht recht investiere­n.

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Foto: AFP/Michael Sheehan DAX-Konzerne investiere­n lieber im Ausland: hier das VW-Werk im südafrikan­ischen Port Elizabeth.

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