Red Bull verleiht Flügel
Enkel des Energiedrinks-Erfinders rast Polizisten tot und begeht Fahrerflucht – bestraft wird er bis heute nicht
Vorayuth »Boss« Yoovidhya hat 2012 in Bangkok einen Polizisten überfahren und Fahrerflucht begangen. An Tat und Täter gibt es keine Zweifel. Der 31-jährige Milliardenerbe aber steht über dem Gesetz.
Stellen Sie sich vor, Sie fahren einen Polizisten tot und begehen Fahrerflucht. Polizei und Staatsanwaltschaft würden alles tun, um Sie hinter Gitter zu bringen. Nicht so in Thailand – zumindest nicht, wenn man stinkreich ist und über beste Beziehungen verfügt.
Vorayuth Yoovidhya, dessen verstorbener Opa Chaleo Yoovidhya mit der Erfindung des Energiedrinks Red Bull und dem Verkauf der Lizenzrechte an den Österreicher Dietrich Mateschitz so richtig reich geworden ist, fuhr im September 2012 auf der Sukhumvit-Straße in Bangkok bei einem illegalen Wettrennen mit seinem 300 000-Euro-Ferrari den Motorradpolizisten Wichean Glanprasert (47) tot. Der Milliardenerbe flüchtete vom Unfallort. Als Vorayuth dann doch auf eine Polizeistation gebracht werden konnte, durfte er diese schnell gegen Kaution wieder verlassen. Obwohl er noch reichlich Alkohol im Blut hatte. Ihr Mandant habe erst nach dem Unfall aus lauter Kummer und Verzweiflung ein paar Gläschen getrunken, versicherten die smarten Anwälte treuherzig der Polizei.
Danach flüchtete der 31-Jährige mit dem Spitznamen Boss aus Thailand. Seitdem wurde er ein Dutzend Mal bei Gericht vorgeladen. Vergeblich. Mal war Boss laut seinen Anwälten zu krank, mal wegen irgend- welcher wichtiger Dinge unabkömmlich. Zuletzt geschehen Ende März.
Wenn das so ist, so die Staatsanwaltschaft, kann man nichts machen, und vertagte erneut die Entscheidung, ob sie den flüchtigen Playboy anklagen wird. Wer nicht da ist, den kann man nicht vor Gericht bringen. Seltsame Logik. Auch in Thailand werden schon mal Menschen in Abwesenheit zu Haftstrafen verurteilt. So der von Putschgenerälen 2006 gestürzte Ex-Premier Thaksin Shinawatra. Er lebt auf großem Fuß im Exil in Dubai. Der Boss braust mit seinen schwarzen Porsche Carrera mit dem Macho-Nnummernschild B055 RBR – Boss Red Bull Racing – durch London, jubelt bei Formel-1-Rennen von VIP-Sitzen des Red-Bull-Rennstalls, lümmelt sich in Monaco auf Jachten rum, vergnügt sich beim Familientreffen in einem Luxushotel in Laos.
Für Kritiker der thailändischen Polizei und Justiz ist der Fall von »Boss« Vorayuth Yoovidhya ein weiterer Beweis für die Privilegien der Reichen und Mächtigen in dem Land, das seit Jahrzehnten periodisch von politischen Unruhen heimgesucht wird. Die derzeit regierende Militärjunta rechtfertigt ihre Existenz mit dem Versprechen, vor einer Rückkehr zur Demokratie Korruption und Kriminalität mit Stumpf und Stil auszurotten. Frustriert überschrieb Bangkok-PostRedakteur Surasak Glahan am 29. März seinen Kommentar über den Justizskandal im »Boss«-Fall: »Reich zu sein ist immer noch die beste aller Verteidigungsstrategien«.
Beispiele für eine Klassen- und Politjustiz und finden sich in Thailand zu Hauf. Am 17. März 2017 wurde Chaiyapoom Pasae an einem Militärkont- rollpunkt im Norden erschossen. Nach Angaben der Armee war er Drogendealer. In Wirklichkeit war der 17Jährige vom Volk der Lahu ein Streiter für die Rechte der ethnischen Minderheiten in Thailand. Aufnahmen einer Überwachungskamera, die den Mord an Chaiyapoom zeigen sollen, rückt das Militär nicht raus. Begründung: Das Video würde nur unvoreingenommene Ermittlungen stören.
Für Aufsehen sorgte 2015 der Mord an zwei Touristen auf der Ferieninsel Koh Tao. Im Nu verhaftete die Polizei zwei birmanische Gastarbeiter als Täter, die trotz dilettantisch und einseitig geführter Beweismittelführung ein Jahr später zum Tode verurteilt wurden. Gegen den mutmaßlich wahren Täter wurde nie ermittelt. Er ist der Sohn des Bürgermeisters.
In diesem Jahr wurde die 53-jährige russische Touristin Olga Smirnova wegen des Fütterns von Fischen am Strand Plab Pla auf Phuket festgenommen. Folge: zwei Nächte in UHaft, Beschlagnahmung des Reisepasses, Gerichtsverhandlung, 27 Euro Strafe. Es hätte auch schlimmer ausgehen können. Fische füttern ist nach dem Gesetz zum Schutz des maritimen Ökosystems ein Umweltverbrechen, das mit bis zu vier Jahren Haft, umgerechnet 1090 Euro Geldstrafe oder beidem geahndet werden kann.
Im Fall des Red-Bull-Erben zahlt sich Verschleppungstaktik aus. Die Anzeigen wegen Rasens sowie Fahrens unter Alkoholeinfluss sind verjährt. Bleiben Anzeigen wegen rücksichtslosen Fahrens und Fahrerflucht. Der nächste Gerichtstermin ist für Ende April anberaumt. Ob sich der verwöhnte Lümmel dann der Justiz stellt? Schau’n mer mal.